Mit dem bei Pininfarina gebauten Ferrari 250 GT Coupé wuchs der Sportwagen-Hersteller aus Maranello in neue Dimensionen.
- Gebaut zwischen 1958 und 1960
- Wahrscheinlich 350 Exemplare. Oder 353.
- Der am meisten unterschätzte Ferrari
Es lief gut bei Ferrari Mitte der 50er Jahre. Mit den Boano/Ellena-Modellen hatte Maranello anständige kommerzielle Erfolge erreichen können, das 250 GT Cabriolet der ersten Serie brachte ebenfalls Geld in die Kasse. Doch der «Commendatore» hatte Blut geleckt, er wusste mit Pininfarina – wo endlich auch die entsprechenden Produktionskapazitäten zur Verfügung standen – den richtigen Partner an Bord, und gemeinsam sprach man länglich über ein Fahrzeug, das für Ferrari (und Pininfarina) quasi den Einstieg in die Grossserien-Produktion darstellen sollte. Gleich ein paar Hundert Exemplare sollten innert weniger Jahre entstehen – das bedeutete für beide Unternehmen eine Vervielfachung der bisherigen Kapazitäten.
Die Basis war längst geschaffen: Da war die bekannte Plattform mit dem 2,6 Metern Radstand, die sich sowohl auf der Strasse wie auch auf der Rennstrecke (trotz Strarrachse) schon bestens bewährt hatte. Und dann war da noch der 3-Liter-V12, der berühmte Colombo-Motor, eine der besten Maschinen überhaupt, 240 PS, sehr zuverlässig (zumindest für die damalige Zeit). Nun lag es noch an Pininfarina, das passende Kleid zu schaffen für ein Fahrzeug, das eine potente Kundschaft begeistern konnte, die keinen Rennwagen wollte, sondern einen wahren Gran Turismo.
Heute mag die Form des 250 GT Coupé nicht mehr besonders aufregend erscheinen, etwa im Vergleich zu einem California Spider. Doch 1958, als Ferrari das Coupé erstmals auf dem Pariser Auto-Salon zeigte, waren die Reaktion sowohl von Presse wie auch Publikum enthusiastisch.
Ja, das war der wahre Traum eines Automobil – schön, schnell, südhaft teuer. Auch die Optik wurde damals als herausragend, grossartig angesehen – und ja, das Coupé ist in seiner Schlichtheit eines der Meisterwerke von Pininfarina. Das Problem (aus heutiger Sicht) ist: die Italiener befanden sich damals auf einem Höhenflug, sie kopierten sich fleissig selber – und verkauften ihre Entwürfe an alle, die bezahlen wollten. Es war halt auch kein klassisches Coupé, das Pininfarina da entworfen hatte, sondern eine – zumindest für italienische Sportwagen – neue Form, ein 2+2-Sitzer mit Kofferraum. Die Dachlinie fiel nicht schön langsam nach hinten ab, wie man es sich bislang gewohnt war, sondern riss ab – die Engländer bezeichnen diese Form als «notch back». Die hinteren Sitze waren denn auch nicht tauglich für den Personentransport, dafür wurden sie gern schön mit Leder ausgekleidet, damit die edlen Gepäckstücke der Besitzer und ihrer Beifahrerinnen keinen Schaden nahmen. Den eigentlich recht geräumigen Kofferraum nutzte man nur selten, dort lag das Ersatzrad und das Werkzeug, und überhaupt, die Hände machte man sich ja ungern schmutzig.
350 oder 351 oder 352 oder vielleicht sogar 353 Exemplare wurden zwischen 1958 und 1960 gebaut. Die frühen Fahrzeuge hatten den Motor mit der Bezeichnung 128C, doch es kam schon bald 128D, der zwei Zündverteiler aufwies (der Zwölffach-Verteiler war manchmal von seiner Aufgabe etwas überlastet). Ab 1960 wurde dann 128F angeboten, mit aussenliegenden Zündkerzen, und ausserdem in Verbindung mit dem Laycock-de-Normanville-4-Gang-Getriebe mit zuschaltbarem Overdrive, was das Drehzahlniveau im vierten Gang entscheidend senkte und viel dazu beitrug, dass der 250 GT zum komfortablen Reisewagen taugte (einmal abgesehen davon, dass der V12 halt kein besonders ruhiger Zeitgenosse war). Und endlich erhielt der 250 GT auch hydraulische Teleskopdämpfer – und Scheibenbremsen!
Das Ferrari 250 GT Coupé von Pininfarina gehört zu den am meisten unterschätzten Sportwagen aus Maranello. Auch die Preise sind eigentlich – sieht man von einem gewissen Ferrari-Zuschlag ab, den es einfach immer zu entrichten gibt – noch ziemlich vernünftig. Für etwa eine halbe Million Euro ist man dabei – das ist erstaunlich wenig Geld für eines der wichtigsten Modelle der Ferrari-Geschichte, erschaffen von einem grossartigen Designer, angetrieben von einem wunderbaren Motor. Man muss diese «Zurückhaltung» nicht verstehen, sondern, bei entsprechendem Spaziergeld, dringend ausnützen: es kann nicht mehr lange dauern, bis auch die 250 GT Coupé durch die Decke gehen werden.
In der monatlich erscheinenden Klassik-Beilage der AUTOMOBIL REVUE finden Sie immer schöne Old- und Youngtimer. Abos gibt es: hier. Ansonsten entsteht hier eine sonntägliche Reihe von Ferrari, da haben wir eine Liste mit diesen schönen Geschichten erstellt, zu bewundern: hier.