Weil Pininfarina zwar den Auftrag, aber keine Kapazitäten für das Ferrari 250 GT Coupé hatte, musste Boano kurzfristig einspringen.
- Gebaut 1956/1957
- Unklare Produktionszahlen
- Familiengeschichten
Mario Felice Boano hatte seine Carrozzeria Boano 1954 gegründet. Boano, geboren 1903, war kein Unbekannter in der Szene: er hatte schon den 30er Jahren für Vignale und Ghia gearbeitet, 1944 als Teilhaber Ghia übernommen und geführt, bis er 1953 Krach hatte mit Luigi Segre. Zuerst kümmerte sich Boano um Aufbauten für Alfa Romeo, berühmt ist etwa sein 6C 3000, den er für den argentinischen Machthaber Juan Peron entwarf und baute. 1955 erhielt er von Raymond Loewy den Auftrag, einen Jaguar XK140 nach seinen Entwürfen zu fertigen, im gleichen Jahr entwarf er auch den berühmten Indianapolis für Lincoln.
Doch warum erzählen wir das? Pininfarina hatte von Enzo Ferrari den Auftrag erhalten, das geplante 250 GT Coupé einzukleiden. Es sollte eine grössere Serie entstehen, 100 Stück, mindestens, gerne mehr. Pininfarina tat wie geheissen, verkleinerte den 410 Superamerica – und zeigte das Werk (Chassisnummer 0429GT) im März 1956 auf dem Genfer Auto-Salon. Selbstverständlich waren die Publikumsreaktionen hervorragend, die Serienproduktion war schnell beschlossene Sache. Doch Pinin Farina hatte ein Problem: keine Kapazitäten. Denn man war erst gerade daran, die neue Fabrik in Grugliasco aufzubauen.
Es musste aber schnell eine Lösung her, also wandte man sich an einen guten Nachbarn, eben: Mario Felice Boano. Dieser hielt sich dann auch streng an den Stil des berühmteren Nachbarn, charakteristisch für die als 250 GT Boano bezeichneten Fahrzeuge ist die hohe Gürtellinie und der im Vergleich sehr niedrige Dachaufbau, der hinter der B-Säule eine Panoramascheibe aufwies. Gebaut wurden die Boano-Ferrari aber nicht in Turin, sondern in Brescia in einer Fabrik mit der Bezeichnung «Lavorazioni Speciali» (die eigentlich der Familie Ellena gehörte, und damit dem Schwiegersohn von Mario Boano).
Die Ferrari 250 GT «Boano» besassen alle den gleichen Radstand von 2,6 Metern. Angetrieben wurden sie – zumeist – vom bekannten Colombo-3-Liter-V12, der nun aber mit einer Verdichtung von 8,5:1 240 PS bei 7000/min leistete, was den etwa 1050 Kilo schweren Ferrari deutlich über 200 km/h schnell machte; geschaltet wurde weiterhin über ein manuelles 4-Gang-Getriebe. Mit den Zahlen ist das nun so eine Sache. Man liest, es seien 60 Boano-Coupé gebaut worden. Und man liest auch von: 63. Und auch noch: 88 Stück wurden gebaut.
Der Boano-250er wurde nur 1956/1957 gebaut, dann übernahm Ellena – aber das ist dann wieder eine andere (Familien-)Geschichte, die wir auch noch erzählen wollen. Mario Boano selber amtete nämlich ab 1957 als Chef des Centro Stile von Fiat, wo er unter anderem für den wunderbaren Fiat 130 verantwortlich zeichnete.
Beim Fahrzeug, das wir hier zeigen, handelt es sich um die Chassis-Nummer #0667GT. Es wurde im April 1957 nach Mailand ausgeliefert – und dann gleich nach Guatemala exportiert. 1969 kaufte der englische Händler und Sammler Robert Youngdahl den Ferrari – für 1900 Dollar. Er behielt ihn bis zu seinem Tod 2012, der «Boano» wurde auch nie restauriert in dieser Zeit, sondern sorgsam gepflegt und viel gefahren. 2021 wurde das Fahrzeug dann von RM Sotheby’s für 995’000 Dollar versteigert.
In der monatlich erscheinenden Klassik-Beilage der AUTOMOBIL REVUE finden Sie immer schöne Old- und Youngtimer. Abos gibt es: hier. Ansonsten entsteht hier eine sonntägliche Reihe von Ferrari, da haben wir eine Liste mit diesen schönen Geschichten erstellt, zu bewundern: hier.