Am liebsten mit dem Auto

Der Mikrozensus Mobilität und Verkehr des Bundes gilt als wichtigste Mobilitätsbefragung der Schweiz. Und er zeigt: Das Auto ist nach wie vor das beliebteste Verkehrsmittel – für Arbeit wie auch für Freizeit.

Wie jedes Jahr stauten sich auch am vergangenen Wochenende die Autos kilometerlang vor dem Gotthard. Das ist wenig verwunderlich, wenn man die Zahlen des Mikrozensus für Mobilität und Verkehr anschaut, den das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) und das Bundesamt für Statistik (BFS) herausgeben. Da zeigt sich nämlich, dass das Auto mit Abstand das beliebteste Verkehrsmittel ist und dass der grosse Teil des Verkehrs in der Freizeit anfällt.

Mehr Haushalte mit Auto als Velo

So besitzen 83 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer im Alter von über 18 Jahren den Führerausweis und 78 Prozent der Schweizer Haushalte mindestens ein Auto. Dieser Anteil nahm in früheren Jahren stetig zu, seit 2005 pendelte er sich trotz eines zunehmenden Angebots an geteilter Mobilität wie Carsharing oder Ridesharing ein. Obwohl diese bisweilen als Zukunft der Individualmobilität angepriesen werden, sind sie wenig verbreitet: Nur knapp 4.5 Prozent der Personen mit Führerausweis sind Mitglied bei einem Sharing- Anbieter. Das ist eine leichte Zunahme gegenüber der letzten Befragung im Jahr 2015, aber noch immer kein nennenswerter Anteil. Auch in den Städten ist das Auto durchaus beliebt. So besitzen 71 Prozent der Haushalte in städtischen Gemeinden mindestens ein Auto. Das ist ein höherer Anteil als bei Velos, die es in den Städten bloss in 61 Prozent der Haushalte gibt.

Auch wenn es naheliegend wäre, dass der grösste Teil unseres Verkehrs am Morgen und Abend beim Arbeitsweg anfällt, so stimmt dies nicht ganz. 43 Prozent der Distanz, die die Schweizer zurücklegen, fallen in der Freizeit an, bloss 28 Prozent entfallen auf den Arbeitsweg. Dies bezieht sich allerdings auf die Strecke, nicht auf die Anzahl Verkehrsteilnehmer. An Wochentagen sind mehr Menschen unterwegs als am Wochenende, aber sie bewegen sich weniger weit. Auffallend – und spannend im Hinblick auf die Diskussion um Mobility-Pricing – ist, dass sich beim öffentlichen Verkehr eine starke Auslastung am Morgen und am Abend zeigt, während sich das Verkehrsaufkommen auf der Strasse besser über den Tag verteilt. Das Auto ermöglicht einen vielseitigeren Einsatz und wird beispielsweise auch für Einkäufe während des Tages genutzt.

Die Befragung für den aktuellen Mikrozensus wurde 2021 durchgeführt, steht also stark unter dem Einfluss von Corona und Homeoffice. Dies hatte Einfluss auf die Wahl des Verkehrsmittels und eine leichte Verschiebung hin zum Auto zur Folge, wie das Bundesamt festhält. Die Möglichkeit – oder Pflicht – zu Homeoffice hatte derweil kaum einen Einfluss auf die Mobilität. So legten diejenigen Schweizer, die die Möglichkeit hatten, ganz oder teilweise zu Hause zu arbeiten, zwar weniger Strecke zurück auf dem Arbeitsweg, kompensierten dies aber gleich mit mehr Verkehr in der Freizeit. Dies ist ein Aspekt, den die Verkehrsplaner werden berücksichtigen müssen, schliesslich setzen die grossangelegten Strategien wie die Verkehrsperspektive 2050 des Bundesamtes für Raumentwicklung auf eine Verkehrsreduktion durch mehr Homeoffice und flexiblere Arbeitszeiten. ­Eine Anpassung der Verkehrsperspektive sei aber deswegen nicht vorgesehen, sagte Nicole Mathys, Projektleiterin des ARE, auf Anfrage der AUTOMOBIL REVUE.

Auto für 69 Prozent der Strecken

Durchschnittlich legt ein Schweizer pro Tag genau 30 Kilometer zurück. Das Auto ist weiterhin das Verkehrsmittel Nummer eins der Schweizer: Im Durchschnitt werden 69 Prozent der Tagesdistanzen mit dem Auto zurückgelegt. Die Eisenbahn bringt es auf 16 Prozent, Tram und Bus auf drei Prozent. Wenig überraschend kommen Letztere vor allem auf kürzeren Strecken zum Einsatz, während die Bahn einen höheren Anteil hat bei Distanzen von 50 Kilometern und mehr. Das Auto ist überall stark vertreten, sowohl auf der Kurz- wie auch auf der Langstrecke – ein Beweis für seine Vielseitigkeit. Die durchschnittliche Länge einer Autofahrt betrug im Jahr 2021 14.8 Kilometer.

Auf dem Land wird das Auto häufiger genutzt als in den Städten, wo der öffentliche Verkehr stark ausgebaut ist, die Strecken aber kurz sind. Doch auch in den Städten hat das Auto eine Vormachtstellung. So werden auf dem Land 80 Prozent der Tagesdistanzen mit dem Auto zurückgelegt, in den städtischen Gemeinden sind es zwar deutlich weniger, mit 63 Prozent machen sie aber immer noch den Löwenanteil aus. Trotz Milliardeninvestitionen in den Ausbau der Eisenbahn geben 16.7 Prozent der Verkehrsteilnehmer an, sie hätten sich für das Auto entschieden, weil es die schnellste Lösung sei. 

Im Durchschnitt legte ein Personenwagen in der Schweiz 10 256 Kilometer zurück. Bei den Fahrzeugen mit Dieselmotor ist die Strecke etwas länger (12 782 km), bei den Benzinern etwas kürzer (9010 km). Erstaunlicherweise liegen Elektroautos mit einer durchschnittlichen Jahresleistung 11 550 Kilometer knapp über dem Durchschnitt. Auch in der Nutzung zeigen sich kaum Unterschiede zum Verbrenner. Sie kommen durchschnittlich genauso oft auch auf Autobahnen und Autostrassen zum Einsatz wie die Autos mit Benzinmotor, werden inzwischen also auch für längere Fahrten genutzt. 

Die Massnahmen

Der Mikrozensus Mobilität beschäftigt sich auch mit den von der Bevölkerung gewünschten  Massnahmen im Verkehr. Dabei zeigt sich eine gewisse Dissonanz zwischen den erwünschten Massnahmen und dem tatsächlichen Verhalten der Bevölkerung. Obwohl die grosse Mehrheit der Bürger mit dem Auto unterwegs ist, stehen Verbesserungen im öffentlichen Verkehr an erster Stelle. Primär geht es um die Verbesserung im Nah- und Regionalverkehr und um ein besseres Platzangebot in den Zügen. Dem Ausbau des Strassenverkehrs wird wenig Priorität beigemessen, und eine knappe Mehrheit sieht Verbesserungen als eher weniger nötig an.

Bei den im Strassenverkehr gewünschten Verbesserungen steht vor allem die Engpassbeseitigung weit oben auf der Liste. So gehören die Verflüssigung des Verkehrs in den Städten und die Beseitigung von Engpässen auf den Autobahnen zu den wichtigsten Themen. Um die Verkehrsprobleme zu lösen, erachtet die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer flexible Arbeitszeiten und mehr Homeoffice als probate Mittel. Die Zahlen des Mikrozensus zeigen derweil, dass eine Zunahme des Freizeitverkehrs den Arbeitsverkehr ersetzt bei all jenen, die zu Hause arbeiten.

Aber auch Carsharing und Ridesharing wird von einer Mehrheit als Lösung gegen die zunehmende Überbevölkerung auf der Strasse gesehen, und das, obwohl die bestehenden Angebote nur von einer kleinen Minderheit genutzt werden. Ein Ausbau von Tempo 30 oder sogar Tempo 20 wird von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt. Auch eine Verteuerung der Mobilität steht ausser Frage, sowohl wenn es um die Lenkung der Verkehrsströme geht als auch zum Schutz der Umwelt.

Das ist der Mikrozensus Mobiltät

Alle fünf Jahre erhebt das Bundesamt für Statistik gemeinsam mit dem Bundesamt für Raumentwicklung eine umfangreiche Mobilitätsstatistik: den Mikrozensus Mobilität. Mit über 55 000 befragten Personen gilt er als wichtigste Erhebung zum Mobilitätsverhalten in der Schweiz. Nach 2015 hätte die neuste Befragung bereits 2020 durchgeführt werden sollen. Da man die Zahlen durch den Beginn der Corona-Pandamie, den damit verbundenen Lockdowns und Einschränkungen vor allem im öffentlichen Verkehr für wenig aussagekräftig hielt, verschob man die Befragung auf 2021. Auch da war das Leben noch geprägt von Corona, allerdings weniger stark als 2020. Ausserdem ermöglichten die Einschränkungen weitere Schlüsse zum Mobilitätsverhalten.

Die wichtigsten Zahlen

30.0 Kilometer beträgt die durchschnittlich zurückgelegte Tagesdistanz der Schweizerinnen und Schweizer. Dazu zählen alle Verkehrsmittel, auch der Fussverkehr sowie Arbeits- und Freizeitverkehr.

80.2 Minuten beträgt die durchschnittliche Tagesunterwegszeit, also die Zeit, die die Schweizer im Verkehr verbringen. Dazu zählen auch der Fussweg zur Tramhaltestelle oder Umsteigezeiten im ÖV.

78 Prozent der Schweizer Haushalte besitzen mindestens ein Auto. 23 % besitzen zwei Autos, 6 % besitzen drei oder mehr. Der Autobesitz ist damit über die vergangenen Jahre stabil geblieben.

80 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer im Alter von über 18 Jahren besitzen einen Führerschein für Personenwagen. Zum Vergleich: Nur 53 Prozent besitzen ein ÖV-Abonnement wie das Halbtaxabo, das GA oder ein Streckenabo.

69 Prozent beträgt der Anteil des Autos an der gesamten Tagesstrecke. Das sind 20.7 Kilometer. Damit liegt das Auto mit grossem Abstand vor der Eisenbahn, die mit 4.8 Kilometern auf 16 Prozent kommt.

42 Minuten verbringen die Schweizer durchschnittlich pro Tag mit Freizeitverkehr. Das ist deutlich länger als für den Arbeitsverkehr. Dafür werden täglich gerade einmal 16 Minuten aufgewendet.

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