Gerne durchstöbern wir das Angebot der bekannten Auktionshäuser. Wenn uns etwas besonders gut gefällt, präsentieren wir es hier als «Pick of the Week». Heute ist es ein Ford Pinto Squire Wagon, gefunden bei Bring A Trailer.
- Gebaut von 1970 bis 1980
- Aussergewöhnliche Farb-Kombination
- Grosses Diskussionspotential
Der «Pick of the Week» of the Week ist diese Woche etwas anders. Weder besonders selten noch besonders günstig. Zuerst ist uns das Fahrzeug aufgefallen mit seiner aussergewöhnlichen Farb-Kombination, Orange mit so genannten «woodgrain appliques», sprich: er will einen «Woodie» darstellen. Der er aber gar nicht ist.
Ebenfalls sehr farbig ist das Interieur, die Sitze wieder in Orange, Vinyl, mit orangem Stoff – das muss man ertragen wollen. Aber es war halt in den späten 70er Jahre so Mode. Zweitürige Kombinationskraftwagen waren nie Mode, aus irgendwie verständlichen Gründen.
Der Ford Pinto hat eine so spannende wie traurige Geschichte. Mit der Planung begann es schon im Sommer 1967, Ford hatte erkannt, dass der VW Käfer auch in den USA Erfolg hatte, dass mit Toyota und Datsun auch japanische Hersteller mit deutlich kleineren Fahrzeugen auf den Markt drängten. Da musste man mit «Kleinwagen» dagegen halten – und es musste schnell gehen. Im Dezember 1968 waren erste Prototypen fertig, im Januar 1969 kam das «go» aus der Plüschetage – und der damalige Ford-Chef Le Iacocca machte mächtig Druck, wollte das Fahrzeug als Modelljahrgang 1971 für weniger als 2000 Dollar auf der Strasse haben. AMC war mit dem Gremlin dann trotzdem schneller – und Chevrolet präsentierte seinen Nova einen Tag vor dem Ford Pinto, der am 11. September 1970 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.
Es musste also schnell gehen – und es musste billig sein. Zwar konstruierten die Amerikaner für den «subcompact» eine neue Plattform, doch das Fahrwerk war mit Querlenkern, Kugelgelenken, Schraubenfedern und Stabi vorn sowie einer an Längsblattfedern geführten Starrachse hinten eher auf der simplen Seite. Die Motoren kamen aus Europa, es gab einen 75 PS starken 1,6-Liter aus England sowie einen 2-Liter mit 100 PS, der aus Köln angeliefert wurde. Die günstigen Varianten hatten Trommelbremsen rundum.
Es war eigentlich ein gutes Automobil für das Geld, 1850 Dollar (heute umgerechnet etwa 14’000 Franken) kostete das günstigste Modell. Und es bot deutlich mehr Platz als ein Käfer, hatte sogar noch eine abklappbare Rücksitzbank. Es gab ihn zuerst als Fastback, ab dem 20. Februar 1971 auch als Hatchback, ab Februar 1972 dann auch als Kombi – wurde dieser als Squire bezeichnet, dann hatte er die falschen Holz-Applikationen seitlich und hinten. Vom ersten Modelljahr konnten stolze 352’402 Exemplare abgesetzt werden, 1974 waren es dann gar 544’209 Stück, über die ganze Produktionszeit kamen 3’173’491 Pinto zusammen.
Berühmt ist der Pinto aber nicht deswegen. Schon im Oktober 1970, keine zwei Monate nach der Einführung, gab es einen ersten Rückruf für 26’000 Fahrzeuge – das Gaspedal konnte steckenbleiben. Im März 1971 mussten 222’000 Pinto in die Garage, es gab ein Problem mit dem Luftfilter, der zu Bränden führen konnte. Und 1978 gab es den damals mit Abstand grössten Rückruf der Automobil-Geschichte, 1,5 Millionen Fahrzeuge erhielten eine neue Tankaanlage.
Vorausgegangen waren diesem «recall» wahrhaft unglückliche Probleme, für die das Fahrzeug selber gar nicht so viel konnte. 1973 gelangte ein Schriftstück an die Öffentlichkeit, später bekannt als das «Pinto Memo», in den zwei Spezialisten von Ford ausrechneten, was die Umrüstung des konventionell zwischen Hinterachse und hinterer Stossstange angebrachten Tanks kosten würde. Sie bezogen sich dabei nicht nur auf den Pinto, sondern auf die ganze amerikanische Auto-Industrie, doch ein Artikel von Mark Dowie im Magazin «Mother Jones» unter dem Titel «Pinto Madness» kam zum Schluss, dass bei Ford Menschenleben tiefer bewertet wurden als die Kosten für mehr Sicherheit. Das stand zwar so beim besten Willen nicht in dieser internen Untersuchung, doch der Schaden war angerichtet, der Pinto hatte ein Problem (und verkaufte sich in der Folge besser denn je – siehe weiter oben).
Es kam später zu mehreren Gerichtsfällen, obwohl spätestens ab 1978 offensichtlich war, dass der Ford Pinto nicht unsicherer war als alle anderen Fahrzeuge in seiner Klasse. Doch er wurde zu einem Symbol dafür, dass die grossen Auto-Hersteller lieber Kosten sparten als mehr Sicherheit einzubauen; nicht nur Ford änderte in der Folge seine Konstruktionsvorgaben. Die «Pinto»-Fälle gingen aber auch deshalb in die Geschichte ein, weil erstmals Wiedergutmachung in Millionenhöhe bezahlt werden musste – und weil Ford sich darauf mit riesigem Aufwand und erfolgreich gegen solche Ansprüche wehrte.
Wer sich also so einen Ford Pinto Squire Wagon zulegt, der sollte sich auch mit der Geschichte des Fahrzeugs beschäftigen. Es gibt diverse gute Bücher zum Thema, heute wird der Pinto anders betrachtet als damals. Und in diesem Orange ist er sowieso aussergewöhnlich – angeboten wurde er über «Bring A Trailer».
In der monatlich erscheinenden Klassik-Beilage der AUTOMOBIL REVUE finden Sie immer schöne Old- und Youngtimer. Abos gibt es: hier. Unter «Pick of the Week» präsentieren wir gerne günstige und vor allem spannende Automobile, die wir auf Auktions-Vorschauen entdecken – eine Liste der schon vorgestellten Fahrzeuge finden Sie hier.