«Es geht nur um das Fahrerlebnis»

Gordon Murray Automotive lanciert mit dem T.33 Spider sein drittes Modell. Ein guter Grund, mit Professor Murray ein bisschen über das Leben und seine Autos zu plaudern.

Gordon Murray neben dem leichtesten V12 der Automobilgeschichte und vor seinem neuen GMA T.33 Spider.

Es sind dann doch 18 Kilogramm, die der T.33 als Spider schwerer ist als das Coupé. Das Leergewicht des Fahrzeug beläuft sich auf 1103 Kilogramm, es ist damit das schwerste im noch gut überschaubaren Modellprogramm von Gordon Murray Automotive (GMA). Das Leistungsgewicht verbleibt so aber immer noch deutlich unter zwei Kilogramm pro PS – und nur darauf kommt es Professor Gordon Murray an: «Das PS-Rennen interessiert mich nicht. Mich interessieren auch Beschleunigungszeiten und Höchstgeschwindigkeiten nicht, die haben nichts mit Fahrfreude zu tun. Unsere Automobile sollen das ultimative Fahrerlebnis bieten. Glauben Sie mir, langsam sind sie sicher nicht.»

Der Traum vom perfekten Antrieb

Damit auch klar ist, worum es hier geht: Nach dem Hypercar T.50 (663 PS, 986 kg, zentrale Sitzposi­tion für den Fahrer) und dem zweisitzigen Supercar T.33 (613 PS, 1085 kg) ist der T.33 (ebenfalls 613 PS, aber 1103 kg) das dritte Modell der 2017 gegründeten englischen Marke Gordon Murray Automotive. Sie alle tragen zum ersten Mal den Namen des legendären Konstrukteurs, der die Formel 1 gleich mehrfach revolutionierte (Brabham-Staubsauger als Stichwort) und mit dem McLaren F1 (ab 1992) den bisher wohl grossartigsten Sportwagen auf die Strasse brachte. Unter Auskennerinnen und Insidern geniesst Gordon Murray, geboren 1946 im südafrikanischen Durban, einen mehr als nur ausgezeichneten Ruf – manche bezeichnen ihn als Genie. Und auch wenn Murray an der Durban University zum Ingenieur ausgebildet wurde, so ist er doch in erster Linie Auto­didakt: «Schon als Jugendlicher habe ich Zwölfzylinder gezeichnet. Und später habe ich meinen eigenen Ford in allen Aspekten selber getunt. Motor, Aerodynamik, Fahrwerk, da habe ich viel gelernt.»

Es ist diese Liebe zum Zwölfzylinder, die ihn schon immer getrieben hat: «Ich stand in den 1970er-Jahren in Le Mans an der Mulsanne-Geraden und hörte den Sound der Matra-V12. Da habe ich entschieden, dass ich auch einmal ein Auto mit einem Zwölfzylinder bauen werde. Als ich bei Brabham arbeitete, hatte ich viel mit dem Alfa-Zwölfzylinder zu tun, das hat mich ebenfalls geprägt. Als wir dann den McLaren F1 entwickelten, musste es einfach so ein Motor sein. Ein Projekt mit einen 4.5-Liter-V12 von Honda zerschlug sich, doch in der Zusammenarbeit mit Paul Rosche von BMW konnte ich mir meinen Traum, meine Vorstellung vom perfekten Antrieb erfüllen.»

Auch in den GMA T.50 und T.33 arbeitet ein V12, der in Zusammenarbeit mit Cosworth entstand. Der Vierliter­motor dreht bis 11 500 U/min, schafft in seiner höchsten Ausbaustufe 166 PS/l und wiegt nur gerade 178 Kilogramm. Im T.33 ist der Zwölfzylinder etwas braver, der rote Bereich liegt bei 11 100 U/min an, die maximale Leistung bei 10 250 U/min, das maximale Drehmoment von 451 Nm bei 9500 U/min, aber das passt auch besser zum Spider: «Ich liebe nicht nur den Sound des Zwölfzylinders, er ist auch ausgesprochen vibrationsarm. Und sein Ansprechverhalten ist nicht zu übertreffen.» Einfach, damit das klar ist: Wir sprechen hier von ganz klassischen Saugmotoren, Murray mag keine Aufladung. Die Kraft wird auch beim T.33 Spider über ein manuelles Sechsganggetriebe von Tremec nur an die Hinterräder geschickt.

Leichtbau ist ein State of mind

Noch fast lieber als über Motoren spricht Murray aber über Leichtbau, für ihn ein State of mind. Und es ist schon erstaunlich, was GMA auf die Räder stellt, ein Ferrari Monza SP1, das bislang wohl konsequenteste Modell aus Maranello, wiegt 400 Kilogramm mehr. Wie schafft man das, Herr Professor? «Es geht um die Fokussierung. Bei uns weiss jeder unserer 400 Mitarbeiter, aber auch jeder Zulieferer, dass wir keine Kompromisse eingehen. Es wird auf jedes Gramm geachtet, auf jedes einzelne Gramm! Die 1100 Kilogramm beim Spider sind nur möglich, wenn man sich ein Ziel vorgibt – und alles macht, um dieses auch zu erreichen. Natürlich wussten wir schon bei der Konstruktion des T.33 Coupé, dass wir auch eine offene Version anbieten wollten, also haben wir das bei der Konstruktion berücksichtigt.» Wie schwer wäre der McLaren F1 geworden, wenn McLaren damals schon mit den heutigen Materialien hätte arbeiten können? «Da wären wir sicher auch unter einer Tonne geblieben, doch damals brauchte es ja auch noch nicht so viel Elektronik in einem Fahrzeug.»

Gut, es war klar, dass auch noch eine offene Version kommen würde. Doch warum bauen ausgerechnet die Engländer so viele Roadster, Spider, Cabriolets? Am ausgezeichneten Wetter auf den Inseln kann es ja kaum liegen. Murray lacht: «Ich weiss auch nicht, woran das liegt, aber wir Briten wollen wohl die drei schönen Tage pro Jahr besonders intensiv geniessen.» Hatte er Vorbilder für seinen Spider? «Ach, ich liebe die Rennfahrzeuge aus den 1960er-Jahren, ganz besonders jene aus Italien. Für mich ist der Dino 206 SP von 1966 eines der schönsten Fahrzeuge aller Zeiten, das ist ein absolut ikonisches Design.» Er kommt ins Schwärmen, erzählt von den verschiedenen Abarth in seinem Privatbesitz, die er sowohl für ihre Schönheit wie auch für ihr geringes Gewicht liebt, vom Lamborghini Miura, der eine der wichtigsten Revolutionen gewesen sei im Automobilbau. Und macht dann noch einen Umweg über den Colombo-V12 für Ferrari, noch so eine Ikone: «Es ist wichtig, dass ein Motor nicht nur gut tönt, er muss auch gut aussehen.» Elektrifizierung? «Ja, damit müssen wir uns beschäftigen, die Gesetze werden das verlangen.» E-Fuels? «Kann in ein paar Jahren interessant sein für den bestehenden Fuhrpark, aber ich glaube nicht, dass extra Automobile dafür konstruiert werden.»

100 Exemplare des Spider

Vom T.33 Spider werden nur genau 100 Exemplare entstehen, man kann davon ausgehen, dass sie bereits verkauft sind, wie alle anderen Produkte von GMA ja auch. Über Geld braucht man folglich nicht zu sprechen – über die Personalisierungswünsche schon, denn ein Vorschlag von Murray erinnert an seine Vorliebe für Hawaii-Hemden und bunte Socken, auch wenn er mittlerweile öfter ­einen Anzug trägt als die durchsichtigen Plastiksandalen, für die er einst auch auf dem Rennplatz berühmt war.

Bald ein E-Kleinwagen?

Nun, Herr Murray, dass Sie Supercars bauen können, haben Sie jetzt zur Genüge bewiesen. Aber können Sie auch Kleinwagen? Murray wird ganz ernst: «Wir stehen kurz vor der Präsentation eines E-Fahrzeugs, das knapp vier Meter misst, also dem B-Segment zugeordnet werden kann, aber mit dem Innenraum einer Mittelklasse aufwarten wird, also C-Segment. Das Fahrzeug wird mit Batterien knapp 1000 Kilogramm wiegen. Ich bin extrem gespannt, wie es ankommen wird.» Wir, das sind GMA, GMD (Gordon Murray Design) und GMT (Gordon Murray Technologies).

Andererseits kennt sich Murray ja auch aus mit Projekten, die im letzten Moment gestoppt werden. Ein zweisitziges Citycar für Yamaha war produktionsbereit, als es in letzter Sekunde beerdigt wurde. Das passiert ihm bei GMA nicht, da steht sein Name oben an der hypermodernen Fabrik in Highhams Park im Südwesten Londons. 

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