Leistung für Männer, Stil für Frauen. Dieses Klischee über Autovorlieben hält sich hartnäckig – und man muss feststellen, dass es der Realität entspricht. Die Statistik über die Neuzulassungen in der Schweiz im Jahr 2022 ist eindeutig: Männer sind bei den Sportwagenmarken in der Überzahl, während die Hersteller mit eher vernünftigen Produkten die Lieblinge der Frauen sind. Die Vertreterinnen des schönen Geschlechts halten sich von Ferrari, Aston Martin und Alpine fern, denn diese Marken verkaufen nur knapp sechs Prozent ihrer Sportwagen an Frauen.
Timothée Fondeur, der nach einigen Jahren bei Alpine als Verkäufer für Aston Martin arbeitet, macht diese Erfahrung täglich: Er sieht nur wenige Frauen, die seine Autohäuser betreten. «Wir hatten uns bei Alpine etwa zehn Prozent weibliche Kunden als Ziel gesetzt, in Wirklichkeit waren es etwa fünf Prozent», bedauert er. «Die wenigen weiblichen Kunden, die ich bei Alpine hatte, waren in erster Linie von der Ästhetik des Autos angezogen, mehr als von der Leistung. Aber sie vergewisserten sich, dass die praktischen Aspekte ausreichend waren.»
Diese pragmatische Einstellung der Damen beobachtete auch Thomas Schild, Verkaufsberater für Seat/Cupra bei Amag in Gümligen: «Für Frauen stehen Komfort, Funktionalität und Ästhetik an erster Stelle, aber sie wollen auch nicht zu viel Glanz und Glamour. Sie sind rationaler als die Herren und haben häufig eine klare Vorstellung des Budgets.» Die Männer sind nach Erfahrung von Schild eher von Technologie, Leistung und Ästhetik angezogen.
Kaufentscheid: Nicht gegen die Frau
Wenn der Autokauf zu zweit erfolgt, ist auch hier der Einfluss des Mannes stärker spürbar. Er versucht, dass sich die Waage zu seinem Lieblingsmodell neigt, indem er im Vorfeld die ganze Aufklärungsarbeit leistet. «Männer schauen sich in der Regel zuerst in den Autohäusern um und bringen dann ihre Frau mit, um die endgültige Bestätigung für ihr Wunschmodell zu erhalten», sagt Schild.
Dies gilt insbesondere für Sportwagen, wie Fondeur bestätigt: «Wenn ein Paar zu uns kommt, merkt man, dass der Wagen das Spielzeug des Mannes ist. Aber die Frau muss den Kauf trotzdem absegnen, oft bestehen sie darauf, dass einige funktionelle Optionen dazukommen.» Die Verkäufer wissen, dass sie diese Klippe umschiffen müssen, wenn sie den Verkauf zum Abschluss bringen wollen. «Frauen müssen auf jeden Fall in den Kaufprozess einbezogen werden. Wenn sie sich ausgeschlossen fühlen, kann das einen Verkauf zum Scheitern bringen», warnt Schild.
Wie man das verhindert, beschreibt Fondeur an einem Beispiel aus seiner Alpine-Zeit: «Ich hatte einmal einen Kunden, der sich eine Alpine A110 kaufen wollte, aber zuerst seine Frau überzeugen musste. Er kam allein zum Autohaus, und wir übten in einer bestimmten Reihenfolge die Argumente ein, die bei seiner Frau ankommen würden», erklärt er lachend. «Wir mussten uns an einen Rahmen halten, es war wie ein Rollenspiel.» Die Geschichte war offenbar überzeugend, denn das Auto wurde verkauft.
Einkommen wichtiger als Geschlecht
Tobias Schlager, Professor für Marketing an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Lausanne, weist zudem auf den Faktor des Lohnunterschieds hin. Nicht nur die angeborene Vorliebe der Männer für Sportwagen sei ausschlaggebend, sondern auch das Einkommen: «Zahlreiche Studien über die Art und Weise, wie Männer und Frauen Autos kaufen, haben Unterschiede aufgezeigt. Diese lassen sich zum Teil auf das Geschlecht, aber auch auf andere Faktoren zurückführen. Beispielsweise verdienen Männer mehr Geld als Frauen, weil sie noch immer höhere Positionen innehaben. Wenn sie mehr Geld verdienen, können sie auch mehr für ein Auto ausgeben. Menschen mit einem niedrigeren Einkommen müssen zuerst auf die Funktionalität schauen.»
Also ist es allein das zur Verfügung stehende Budget, das die Wahl der Automarke und des Modells bestimmt? Experte Schlager schränkt sofort ein: «Der Kauf ist ein Aspekt, aber die Wertschätzung ein anderer. Es fällt auf, dass Männer eher Sportwagen mögen, auch wenn sie sich diese nicht leisten können. In diesem Fall ist es keine Frage des Geldes, sondern des Geschlechts. Es ist also möglich, dass es eine geschlechtsspezifische Verzerrung gibt.»
Juliet Fall, Professorin für Geografie an der Universität Genf, widerspricht dieser Hypothese. Für sie sind diese Entscheidungen das Ergebnis sozialer Konstrukte. «Wenn es Unterschiede gibt, dann haben diese wahrscheinlich mit den sozialen Geschlechterrollen zu tun», sagt sie. «Kindertransport und Einkaufen werden in unseren patriarchalischen Gesellschaften, die dazu neigen, Betreuungsaufgaben als unbezahlte Hausarbeit abzuwerten, überwiegend Frauen zugewiesen», erklärt die Geografin. «Rollen, die sich dann in besonderen Bedürfnissen im Hinblick auf den Konsum niederschlagen.»
Wenn Männer sich von sportlichen oder luxuriösen Autos angezogen fühlen, dann nicht nur, weil sie damit das Kind im Mann befriedigen, sondern auch aus gesellschaftlichen Gründen. Das Auto ist ein Statussymbol, das den Aufstieg zu einem bestimmten Lebensstandard symbolisiert. «Viele Männer, die empfindlich auf das Urteil anderer reagieren, kaufen sich ein schönes Auto, um sozial anerkannt zu werden», lautet Schlagers Hypothese. «Es wird eher erwartet, dass Männer diese Art von Autos besitzen.» Der Experte der Universität Lausanne stellt auch fest, dass die Gesellschaft Frauen, die Sportwagen fahren, negativer sieht als Männer. «Wenn sich diese Einstellung ändert, werden sich wahrscheinlich mehr Frauen Sportwagen leisten», meint Schlager.
Thomas Schild, der seit über 20 Jahren Autoverkäufer ist, sieht auch Veränderungen: «Früher kamen Frauen beim Autokauf immer in Begleitung eines männlichen Bekannten, sei es der Ehemann, der Bruder oder ein Freund, weil sie Angst hatten, über den Tisch gezogen zu werden. Heute kommen sie immer häufiger allein, sie sind besser informiert und selbstbewusster.» Die Entwicklung schreitet voran, aber es gibt keine Garantie dafür, dass eines Tages genauso viele Frauen wie Männer am Steuer eines Ferraris sitzen werden. Vielleicht gibt es Dinge, die sich nie ändern.