Zwar gewann der Ferrari 250 LM 1965 die 24 Stunden von Le Mans. Trotzdem erhält er nicht die Beachtung, die er verdient hätte.
- Nur 32 Exemplare gebaut
- Le-Mans-Sieger 1965 mit Rindt/Gregory
- Es gab auch eine Strassen-Version
Bei Ferrari glänzt längst nicht mehr alles so wie einst (und da beziehen wir uns jetzt nicht auf die Formel 1). In dieser ernsthaften Krise vergisst man gern, dass dies in Maranello schon öfter der Fall war (nicht nur in der Formel 1). Mit dem berühmten 250 GTO hatten sich die Italiener am Rande der Legalität ab 1962 noch so halbwegs durchgeschummelt. Doch nach dem Abgang von Giotto Bizzarrini und Carlo Chiti war endgültig klar, dass Enzo Ferrari einige Entwicklungen im Rennsport komplett verschlafen hatte.
Auch als Stradale
Denn der Mittelmotor war längst das Mass aller Dinge geworden, wie Bizzarrini es seit Jahren vorhergesagt hatte. Noch einigermassen halbherzig durfte ein Ferrari Dino 246 SP (Chassisnummer 0796) der erste Mittelmotor-Versuchsträger werden. Daraus wurden dann der 250P und seine Prototypen-Nachfolger entwickelt. Weil sich die Reglemente in jenen Jahren dauernd änderten, brauchte Ferrari für die Sportwagen-Weltmeisterschaft 1964 ein Modell, von dem 100 Stück gebaut (und vor allem: verkauft) werden konnten.
Pininfarina setzte dem 250 P ein Dach auf – und fertig war der 250 LM. Man hoffte, dass die FIA das Projekt durchwinken würde (bei Aston Martin hatten vier tatsächlich gebaute Fahrzeuge dafür ausgereicht). Doch die höchste Rennsport-Kommission spielte – nach diversen Taschenspielertricks der Italiener – nicht mit. Ausserdem: die Strassenversion, also der Stradale, mit dem man noch zu retten versuchte, was nicht mehr zu retten war, hob gar nie ab. Mit seiner gewaltigen Heckscheibe machte er zwar Eindruck, doch der Bestellungseingang hielt sich in sehr engen Grenzen (man spricht von 16 Zusagen). Weil sich das beim besten Willen nicht rechnete, verzichteten Ferrari/Pininfarina komplett auf die Produktion, es blieb bei einem Prototypen (Chassisnummer #6025) und einem nachträglich umgebauten Exemplar (Chassisnummer #5995).
Le-Mans-Sieger
Der 250 LM hatte aber als bei Scaglietti eingekleideter Rennwagen trotzdem Erfolg. Obwohl er nie vom Werk eingesetzt, sondern nur an Privatteams verkauft wurde und in der Prototypen-Klasse starten musste, konnten Rindt/Gregory 1965 die 24 Stunden von Le Mans gewinnen. 32 Stück vom 250 LM wurden gebaut – und eigentlich trugen sie (fast) alle einen falschen Namen, denn als Antrieb kam der 3,3-Liter-Zwölfzylinder zum Einsatz; 275 LM wäre die richtige Bezeichnung gewesen. Enzo Ferrari hatte anscheinend gehofft, dass die Funktionäre nicht merken würden, dass sein Rennwagen mehr Hubraum hatte als angegeben.
Gestern kam nun so ein Ferrari 250 LM bei Artcurial in Paris unter den Hammer, Chassis-Nummer #5901. Dieses Fahrzeug hat für einen Rennwagen eine ziemlich aussergewöhnliche Geschichte. Ende 1964 wurde der Ferrari an den amerikanischen Importeur Luigi Chinetti in New York ausgeliefert und an Raymond John Augusterfer, aus Philadelphia verkauft. Bloss gefahren wurde er nicht. Erst im Februar 1966 stand er bei den 24 Stunden von Daytona als Ersatzfahrzeug in der Box. Aber dort kam er nicht zum Einsatz. Chinetti kaufte #5901 zurück, verkaufte ihn weiter, er kam über die Jahre zu verschiedenen Besitzern, bloss ein Rennen hat er nie bestritten. Das ist sicher auch der Grund, weshalb dieser aussergewöhnliche Ferrari (wahrscheinlich) auch heute noch über den originalen Motor und das originale Getriebe verfügt.
Einen Schätzpreis wollte Artcurial vor der Auktion nicht angeben. Es wurde etwas gemunkelt von: mindestens 25 Millionen Euro. Das höchste Gebot lag dann aber bei «nur» 20 Millionen, der Ferrari 250 LM wurde nicht zugeschlagen. Doch in letzter Zeit war häufig zu beobachten, dass man sich nach der Versteigerung doch noch einigen konnte, «sold after auction» heisst das dann.
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