Kommt Genf doch noch zurück?

Die GIMS soll 2024 definitiv wieder durchgeführt werden, meinen die Organisatoren. Es gibt aber noch einige Hürden zu überwinden.

Es ist die Nachricht, an die niemand mehr zu glauben wagte. «Wir werden 2024 wieder in Genf sein», sagte Sandro Mesquita, Direktor der Geneva International Motorshow (GIMS), zu Beginn der Pressekonferenz vergangene Woche. Nach vier aufeinanderfolgenden Absagen soll die grosse Automobilmesse also zurückkehren? Es scheint fast so, denn der Vertrag mit Palexpo soll unterzeichnet und der Termin festgelegt sein: von 26. Februar bis 3. März 2024. Allerdings sollte man sich nicht zu früh freuen, schliesslich ist es nicht das erste Mal, dass ein Salon versprochen und dann doch abgesagt wird. Auch für die Ausgabe 2023 war ein Vertrag unterzeichnet worden, den die Organisatoren jedoch bereits im August 2022 wieder kündigten, um Strafzahlungen zu vermeiden. Weshalb ist das Team von Sandro Mesquita mehr als ein Jahr im Voraus so zuversichtlich, dass der Genfer Salon 2024 stattfinden wird? «Wir haben jetzt die volle Unterstützung von Auto-Schweiz und allen Importeuren. Diese Unterstützung ist offiziell und hilft uns, die richtigen Personen innerhalb der Marken zu erreichen. Deshalb bin ich für 2024 zuversichtlicher.»

Sandro Mesquita, Direktor der Geneva
International Motor Show.

Er bleibt dabei: Die Verantwortung über eine Durchführung 2024 liege wie auch in den vergangenen Jahren bei den Ausstellern. Wenn kein Interesse bestehe, gebe es keine GIMS: «Am Ende entscheiden die Marken, ob es eine Messe geben wird oder nicht. Sie sind es, die bestimmen, ob wir noch eine Relevanz haben», ist Mesquita überzeugt. Und schwächt die anfängliche Begeisterung auch etwas ab: «Wir haben beschlossen, die GIMS 2024 zu organisieren, aber es ist noch nicht sicher, ob sie stattfinden wird. Nur für zwei Marken können wir keine Messe organisieren.»

Eine kleinere Messe

Aber man ist auch bereit, die Ambitionen zurückzuschrauben: Eine kleinere Messe wäre auch akzeptabel, so die Organisatoren. «Wir wissen, dass eine gewisse Vertretung von Marken wichtig ist, aber wir dürfen nicht mehr die Anzahl der Hersteller erwarten, die wir bei früheren Veranstaltungen hatten», gibt Sandro Mesquita zu. Die GIMS im Jahr 2024 wird also wohl kleiner sein als jene im Jahr 2019. «Die gute Nachricht ist, dass die Stiftung des Automobilsalons, die das letzte Wort darüber hat, ob der Salon stattfindet oder nicht, heute nicht mehr von Quantität, sondern von Qualität spricht.» Damit soll das traurige Schauspiel vermieden werden, das der Pariser Autosalon 2022 bot, bei dem nur eine Handvoll französischer Marken das Messegelände an der Porte de Versailles bevölkerte.

Ein Kenner der Messewelt, André Hefti, bezeichnete diese Veranstaltung gegenüber der AUTOMOBIL REVUE als «unattraktiv». Der Zürcher weiss, wovon er spricht, schliesslich war er von 2010 bis 2019 Direktor des Genfer Automobilsalons. «Ich war vom Pariser Autosalon enttäuscht, und er erfüllte auch die Erwartungen der Besucher nicht», sagt André Hefti. «Genf kann sich das nicht leisten, der Genfer Salon hat ein Image als Qualitätsmesse, das es zu wahren gilt.» Der ehemalige Direktor ist überzeugt, dass die GIMS nach so vielen Jahren der Abwesenheit durchaus zurückkehren könne, aber sie müsse ein Konzept präsentieren, das bei den Marken Anklang finde. Davon ist auch Andreas Herrmann, Professor für Betriebswirtschaftslehre und Direktor des Instituts für Mobilität der Universität St. Gallen, überzeugt: «Der Salon Genf braucht ein Alleinstellungsmerkmal. Die Automobilindustrie verändert sich so stark, dass die Consumer Electronic Show in Las Vegas zur relevantesten Automobilmesse der Welt geworden ist. Das zeigt, dass es nicht mehr ausreicht, nur Autos auszustellen, sondern dass man etwas anbieten muss, das neue Aussteller wie Technologie- und Mobilitätsunternehmen oder Zulieferer anzuziehen vermag.»

Das weiss man auch in Genf. «Für die Marken sind Messen ein Marketinginstrument der Vergangenheit», argumentiert Sandro Mesquita. «Das ist ein Problem, das wir lösen müssen, und wir müssen ihnen zeigen, dass Messen im Kaufprozess ­eine wichtige Rolle spielen. Wir müssen auch daran arbeiten, die Kosten zu senken, da dies die Rendite beeinträchtigt. Unsere Aufgabe ist es, den Marken ihre Chancen klar zu machen.» Dennoch schliesst der Waadtländer die Möglichkeit aus, dass sich die GIMS mehrheitlich auf Autoverkäufe ausrichtet, auch weil er das nicht selbst entscheiden kann. «Es ist nicht unsere Rolle zu entscheiden, ob Genf ­eine Verkaufsmesse wird oder nicht, das müssen die Marken selbst entscheiden. Allerdings wird sich diese verkaufsorientierte Perspektive etablieren. Wir glauben, dass der Verkaufsbereich in den nächsten Jahren verstärkt werden wird. Dies wird bereits an der GIMS Katar der Fall sein.»

In diesem Zusammenhang schreckt der Ruf Katars, insbesondere in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen, die Genfer Organisatoren nicht ab, im Oktober die GIMS Katar auf die Beine zu stellen. «Wir wissen, dass es Probleme mit dem Ruf des Landes gibt, aber wir haben dazu nichts zu sagen», sagt Sandro Mesquita. «Ich denke, es ist wichtig, dass sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. Ich empfehle deshalb, nach Katar zu reisen und sich selbst ein Bild von der Gastfreundschaft der katarischen Bevölkerung zu machen.»

Patrick Haack, Reputationsexperte der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Lausanne, schränkt die Bedeutung dieser Frage ebenfalls ein: «Das Image ist eine Frage der Wahrnehmung und hängt von demjenigen ab, der es beobachtet. Im Westen hat man andere Standards als im Nahen Osten, wo es wichtiger ist, wirtschaftlich zu florieren.» Der Experte hält auch fest, dass die Probleme der Menschenrechtsverletzungen in Katar vor allem im Vorfeld der Fussballweltmeisterschaft thematisiert wurden. «Als das Turnier dann lief und die Spiele spannender wurden, wurde die Kritik weniger», sagt Patrick Haack. «Die Menschen wollten einfach nur die Fussballspiele geniessen.» Die Augen werden nun auf Doha im Oktober und vor allem auf Genf im Februar 2024 gerichtet sein, um zu sehen, ob die Rückkehr der GIMS nicht nur eine weitere Fata Morgana ist. 

Vom See in die Wüste

Die GIMS Katar, die vom 5. bis 14. Oktober 2023 stattfindet, soll mehr ein Festival als eine einfache Autoausstellung sein. Neben den traditionellen Ständen unter dem Dach des Doha Exhibition and Conference Center (DECC) planen die Organisatoren auch Aktivitäten im Freien. Im Rahmen ­einer «Parade der Exzellenz» werden exklusive Fahrzeuge auf der Strasse entlang der Bucht von Doha vorfahren. Am interessantesten ist jedoch die Möglichkeit, Testfahrten mit Autos durchzuführen – auf der Rennstrecke von Losail und in der Wüste. Mit den Sportwagen geht es auf den Asphalt der Rennstrecke und mit Geländewagen in die Dünen. Insgesamt rechnet das Komitee mit etwa 50 Herstellern auf dem 29 000 Quadratmeter grossen DECC-Gelände und etwa 20 weiteren in den Wüstencamps. Zum Vergleich: Zu ihren Glanzzeiten zog der Autosalon Genf bis zu 150 verschiedene Aussteller an und erstreckte sich über mehr als 100 000 Quadratmeter.

Die Organisatoren wählten den Termin Anfang Oktober nicht zufällig, sondern wollten die GIMS Katar mit dem Formel-1-Grand Prix von 6. bis 8. Oktober verbinden und so von dem Zuschaueransturm auf die Veranstaltung profitieren. Es wird erwartet, dass 120 000 Zuschauer den 18. von 23 Läufen der Formel-1-Weltmeisterschaft verfolgen werden. Das Komitee, das sich aus den Organisatoren der GIMS und dem örtlichen Tourismusbüro zusammensetzt, hofft, während der zehn Tage 200 000 Zuschauer anzulocken. Rund 85 Prozent von ihnen sollen aus den umliegenden Ländern kommen, aber die Organisatoren planen auch All-Inclusive-Pakete mit Flug, Hotelübernachtungen und Eintrittskarten für den Rest der Welt. Sie betonen gerne, dass Doha für 80 Prozent der Weltbevölkerung bloss sechs Flugstunden entfernt sei.

Die GIMS Katar soll Genf «keine Konkurrenz machen», wie Sandro Mesquita behauptet, der die Veranstaltung mitorganisiert. «Was wir in Doha machen, wird nicht das Gleiche sein wie in Genf. Der Erfolg von Doha wird Genf helfen.» Finanzielle Interessen, die Show in Doha zu organisieren, gebe es nicht, wie Sandro Mesquita ausdrücklich betont. Genf und Katar führten getrennte Konten, es fliesse kein Geld zwischen den beiden, sondern ausschliesslich Know-how: «Doha ist für uns wie ein Labor, in dem wir alles ausprobieren können, was wir wollen. Die Politik steht voll und ganz hinter uns.» Mesquita verhehlt nicht, dass seinerMeinung nach auch die Genfer Politik schuld ist am Scheitern des Salons: «In Katar haben wir eine Situation, die wir in Genf nicht kennen, wo ich nicht viele Beweise dafür habe, dass man uns haben will.» Katar scheint auch bei den Herstellern – vor allem bei den asiatischen – auf Interesse zu stossen, und einige von ihnen sollen bereits vor dem offiziellen Anmeldebeginn ihre Teilnahme zugesichert haben. 

Auf der Rennstrecke von Losail werden im Rahmen der GIMS Katar Testfahren stattfinden.

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