Mehr ist mehr – das ist offenbar das neue Motto von Toyota. Der japanische Hersteller scheint keine Angst vor einer Überladung seiner Modellpalette zu haben und bringt mit dem Corolla Cross noch ein zweites SUV im C-Segment neben dem C-HR heraus. Oder sogar ein drittes, wenn man den RAV4 auch noch dazuzählt, der sich am ganz unteren Ende des D-Segments bewegt. Der Corolla Cross wurde dabei präzise zwischen dem C-HR und den RAV4 platziert. Mit einer Länge von 4.46 Metern liegt er fast mittig zwischen dem 4.36 Meter langen C-HR und dem RAV4 mit seinen 4.60 Metern. Es bleibt aber die Frage, ob da noch Platz für ein weiteres SUV ist.
Obwohl er arithmetisch zwischen seinen beiden Brüdern liegt, ist der Corolla Cross dem C-HR genetisch näher: Unter dem Blechkleid befinden sich bei beiden die TNGA-C-Plattform. Der RAV4 vertraut währenddessen auf die grössere TNGA-K-Architektur. Der Radstand aber verrät die ungleiche Brüderschaft, der Abstand zwischen den Rädern beträgt beim Corolla Cross und beim C-HR 264 Zentimeter, fünf weniger als beim RAV4. Dieser Unterschied mag nach wenig klingen, aber die Passagiere auf den Rücksitzen sind da anderer Meinung. Nach unseren Messungen haben sie mindestens 18 Zentimeter Kniefreiheit, während es beim Corolla Cross nur zehn Zentimeter sind. Der RAV4 übertrifft seinen kleinen Bruder jedoch vor allem beim Kofferraumvolumen: 580 Liter gegenüber 394 Litern. Bloss 20 Liter mehr schluckt der Corolla Cross als der C-HR. Die Sitze des Neuankömmlings können zwar umgeklappt werden, aber dann stösst man auf eine Stufe, die durch die umgeklappten Rückenlehnen gebildet wird – eine Stolperfalle, die es im RAV4 nicht gibt. Das Umklappen der Sitze geht dank der Knöpfe an der Rücklehne recht einfach – aber nicht so einfach, wie wenn es direkt aus dem Kofferraum möglich wäre. Der Corolla Cross erspart dem Fahrer jedoch die Mühe, die Heckklappe zu schliessen, da diese in der Premiumausführung elektrisch angetrieben ist.
Eintönigkeit im Innenraum
Die Premiumausstattung, die ausschliesslich in Kombination mit dem stärksten Antriebsstrang erhältlich ist, enthält unter anderem einen elektrisch verstellbaren Fahrersitz und eine Lederausstattung. Die Sitzbezüge sind nur in Schwarz erhältlich, was den etwas tristen Charakter des Innenraums unterstreicht. Das Cockpit ist vom Dachhimmel bis zum Teppichboden in dunklen Farben gehalten. Einzig das Armaturenbrett durchbricht die Eintönigkeit mit einigen originellen Elementen und Farben, aber das sind die einzigen auflockernden Merkmale des Innenraums. Und die satinierten Materialien des Armaturenbretts können nicht darüber hinwegtäuschen, dass man überall harte Kunststoffe spürt, wenn man mit der Hand darüberfährt. Im Alltag wird man die gut zugänglichen, physischen Bedienelemente zu schätzen wissen, denn Toyota hat – völlig zu Recht – echte Tasten für die Klimaanlage beibehalten.
Viele andere, weniger wichtige Funktionen werden auf dem 10.5-Zoll-Touchscreen des Infotainments gesteuert, das einer deutlich sichtbaren Verjüngungskur unterzogen wurde. So fallen vor allem der schärfere Bildschirm und die schlichtere Gestaltung der Menüs auf. Und trotzdem: Im Vergleich zu den Vorreitern in diesem Bereich wirkt das System von Toyota immer noch etwas angestaubt. Die Navigation durch die Menüs ist flüssig, aber wer nicht mit dem System vertraut ist, wird für die eine oder andere Funktion einige Zeit brauchen, bis er sie im System gefunden hat. Dieses Manko soll die Sprachsteuerung ausgleichen, die diverse natürlich gesprochene Sätze versteht. Die Satellitennavigation erwies sich als recht ungenau, und das System versuchte mehrfach, die Tester durch Einbahnstrassen zu führen. Eine Aktualisierung der integrierten Karten könnte diesen Mangel vermutlich beheben.
Vollständige Ausstattung, ausser …
Wie es dem Trend entspricht, ist auch das Armaturenbrett digital. Der Corolla Cross hat sogar ein exklusives Vorrecht: Er ist das erste Modell von Toyota mit einem 12.3-Zoll-Bildschirm. Wir haben schon feinere Grafiken für die Instrumente gesehen, aber die relevanten Informationen sind gut lesbar und leicht zugänglich, und mehr kann man von einem Armaturenbrett nicht erwarten. Unverständlicherweise hat der Corolla Cross kein Head-up-Display, während seine kleineren Geschwister, der Yaris und der Yaris Cross, bereits darüber verfügen.
Der Corolla Cross kann hingegen mit einer ganz anderen Premiere aufwarten: Er führt den Toyota-Hybridantrieb der fünften Generation ein. Das japanische Unternehmen hat alles, was der Antrieb bereits konnte, verfeinert und so die Effizienz hier und da um ein paar Prozent gesteigert. Die Kapazität der Batterie wurde um 14 Prozent auf 0.91 kWh vergrössert, während sie in gleichem Mass an Gewicht verlor. Wie beim Yaris Cross ist eine E-Maschine – hier mit 30 kW (41 PS) Leistung und 84 Nm Drehmoment – auf der Hinterachse platziert, was dem Corolla Cross einen Allradantrieb verleiht und das Gewicht einer Antriebswelle erspart. So kommt der Corolla Cross trotz des Hybridantriebs auf ein Leergewicht von nur 1619 Kilogramm. Leider fordert der Allradantrieb auch Opfer: Die Nutzlast schwankt je nach Ausstattung zwischen 400 und 450 Kilogramm. Bei einer Besetzung von fünf Erwachsenen bleibt da nicht mehr viel Spielraum für Gepäck. Auch die Anhängelast ist mit 750 Kilogramm eher bescheiden.
Langstreckenläufer
Auf dem Papier sieht der Antriebsstrang unseres Corolla Cross nicht schlecht aus. Der Zweiliter-Saugmotor und die beiden Elektromaschinen leisten insgesamt 146 kW (197 PS) und liefern ein Drehmoment von 206 Nm. Selbst die Beschleunigung ist mit 7.6 Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 km/h nicht schlecht, wobei die Stoppuhr bei unserer Messung erst nach 8.5 Sekunden stoppte – allerdings auf feuchter Fahrbahn und mit Winterreifen. Hinter dem Lenkrad bedeutet dies, dass der Wagen bei mittleren Geschwindigkeiten und Drehzahlen sehr gut beschleunigen kann, und die Flexibilität des Antriebsstrangs sorgt für ein entspanntes Fahren, da die grosse Drehmomentreserve bei jedem Antippen des Gaspedals zur Verfügung steht. Bei Vollgas hingegen murrt das japanische SUV deutlich stärker und beweist, dass lange Sprints nicht sein Ding sind. Auch macht sich hier das stufenlose Getriebe (CVT) bemerkbar. Trotz aller Fortschritte scheint der Motor immer noch viele Sekunden lang mit einem lauten Brummen zu strampeln, bis das Getriebe die richtige Übersetzung gefunden hat. Der Rekuperationsmodus B, der über den Gangwahlschalter aktiviert werden kann, führt manchmal zu einem Knurren, wenn die Energierückgewinnung hoch ist. Dieser Modus erlaubt kein Ein-Pedal-Fahren, dafür ist die Verzögerung beim Anheben des Fusses zu gering.
Wenn man den Corolla Cross aber anständig behandelt, dankt es einem das japanische SUV und ist sehr entgegenkommend: Der Antriebsstrang ist im Innenraum kaum zu hören, ebenso wenig die aerodynamischen und Fahrgeräusche. Der Innenraum des Corolla Cross ist ein ruhiger Kokon, was auch auf die gute Abstimmung des Fahrwerks zurückzuführen ist. Die weich abgestimmte Aufhängung bügelt Strassenunebenheiten gut aus. Und falls Sie die Botschaft des Hybridantriebs nicht verstanden haben, werden Sie von der Federung daran erinnert: Nein, der Corolla Cross ist kein Sportwagen. Die Karosseriebewegungen sind ziemlich ausgeprägt, die Lenkung indirekt und ohne Rückmeldung. Das Fahrverhalten ist jedoch ausgewogen, und die Haftung reicht für den Einsatz des Corolla Cross, das heisst für alltägliche Fahrten, völlig aus. Die Fahrhilfen sind sehr umfangreich und funktionieren hervorragend. Der Spurhalteassistent hält das Auto in der Mitte der Spur und verhindert, dass das Lenkrad ständig ruckelt, sodass man als Fahrer nicht nach fünf Minuten bereits wieder das Bedürfnis hat, ihn auszuschalten. Dieses Unterschwellige hätte auch gut zum Notbremssystem gepasst, das zu präventiv ist und die Bremsen beim Ein- und Ausparkieren zu früh betätigt. Die Rückfahrkamera und der 360-
Grad-Rundumblick sind sehr gut.
Konflikt in der Familie
Auch wenn die Fahrhilfen überzeugend sind, bleibt der grösste Vorteil des Corolla Cross sein Verbrauch. Nach unseren Messungen auf der AR-Normrunde begnügt sich der Corolla Cross mit 5.2 Litern Benzin auf 100 Kilometer, ein bemerkenswerter Wert. Je häufiger man in der Stadt unterwegs ist, umso niedriger ist der Verbrauch, da der Corolla sehr oft mit elektrischer Kraft fährt – über 80 Prozent der Zeit, wie die Anzeige auf dem Armaturenbrett zeigt. Auf Autobahnen sinkt dieser Anteil jedoch auf unter 15 Prozent. Diese Eigenschaft, zusammen mit dem durchschnittlichen Kofferraum und der Reichweite von 820 Kilometern, macht den Corolla Cross zu einem Fahrzeug für gelegentliche Reisen, Vielreisende werden sich in einem RAV4 deutlich wohler fühlen. Bei häufigen Fahrten in und um die Stadt ist es eher der kleinere C-HR, der mit der Einführung des Corolla Cross seine Daseinsberechtigung verliert. Nicht nur, dass es den C-HR nur mit Frontadantrieb gibt, auch der Preisunterschied zwischen den beiden ist gering. Allerdings ist der Corolla Cross im Vergleich zu seinen Hauptkonkurrenten auch sehr gut aufgestellt mit einer Zehn-Jahres-Garantie und einem Preis inklusive aller Optionen von nur wenig mehr als 50 000 Franken, also zwischen 3000 und 5000 Franken weniger als die Konkurrenz.
Testergebnis
Gesamtnote 72.5/100
Antrieb
Wer den Toyota Corolla Cross leichtfüssig fährt, kann geschmeidig und sehr sparsam unterwegs sein. Wird er aber gefordert, produziert der Antrieb vor allem Lärm.
Fahrwerk
Passend zum ruhigen Charakter des Motors ist die Aufhängung weich abgestimmt. Der Komfort ist hoch, der Biss weniger, aber das passt gut zum Einsatzzweck des Corolla Cross.
Innenraum
Platz für die Insassen ist reichlich vorhanden, für das Gepäck ist er aber deutlich geringer. Die Materialien sind hart, die Ausstattung umfangreich.
Sicherheit
Alle aktuellen Fahrassistenten sind vorhanden, selbst in den Basisausführungen. Sie funktionieren einwandfrei – mit Ausnahme des Notbremsassistenten, der in übertriebener Weise eingreift.
Budget
Der Verbrauch von 5.2 l/100 km schont den Geldbeutel. Der Preis von rund 50 000 Franken inklusive aller Optionen ist sehr wettbewerbsfähig.
Fazit
Ja, der Corolla Cross hat seine Daseinsberechtigung trotz der vielen SUV in der Toyota-Palette. Er erweist sich als eine Art abgespeckter RAV4 für diejenigen, die eher leicht reisen. Wer mit Sack und Pack in die Ferien fährt, wird eher zum RAV4 greifen. Der wettbewerbsfähige Preis des Corolla Cross in Verbindung mit der Zehn-Jahres-Garantie macht ihn zu einer ausgezeichneten Alternative zu den Marktführern.
Die technischen Daten und unsere Messwerte zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.