Doppelte Benzinsteuer – entscheiden am Ende die Gerichte?

Bei den Treibstoffen erhebt der Bund eine Steuer auf eine Steuer. Eine parlamentarische Initiative will dies nun ändern – und auch der juristische Weg steht offen.

Slalomfahren ist angesagt in Bundesbern. Die Wirtschaftskommission des Ständerats hat sich gegen die parlamentarische Initiative von Nationalrat Franz Grüter (SVP) zur Abschaffung der doppelten Besteuerung bei den Treibstoffen entschieden – mit den Stimmen von Mitte und FDP. Im Nationalrat hatten die Vertreter dieser beiden bürgerlichen Parteien den Vorstoss noch unterstützt. Nun ist plötzlich wieder alles anders, und sie wollen nichts mehr wissen von einer Entlastung der Konsumenten.

Mit der parlamentarischen Initiative «Stopp der missbräuchlichen Mwst-Belastung auf Steuern und Abgaben bei Treibstoffen» will Grüter ein ordnungspolitisches und juristisches No-Go beseitigen. Denn die Mehrwertsteuer, eine klassische Konsumsteuer, wird nicht nur auf den Marktpreis des Treibstoffs erhoben, sondern auch auf die Steuern und Abgaben, die der Staat einzieht. Das führt zur absurden Situation, dass eine Steuer besteuert wird. «Diese Praxis widerspricht fundamental der Logik der Mehrwertsteuer. Wie der Ausdruck Mehrwert schon besagt, wird ein geschaffener Wert besteuert. Abgaben und Steuern an den Staat sind kein Mehrwert und dürfen dementsprechend nicht besteuert werden», heisst es im Vorstoss von Grüter.

Allerdings erlaubt das Mehrwertsteuergesetz (MWSTG) diese doppelte Abzocke – noch. Denn das möchte Grüter nun ändern. Artikel 24 Absatz 6 MWSTG soll dahingehend ergänzt werden, dass der Mineralölsteuersatz, der Mineralölsteuerzuschlag und die Importabgaben auf Treibstoffen nicht in die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer einbezogen werden. Das brächte den Konsumenten eine Entlastung von rund sieben Rappen pro Liter. In Zeiten der markant gestiegenen Treibstoffpreise und angesichts der Tatsache, dass der Bund bereits rund 90 Rappen pro Liter abzweigt, wäre dies eine spürbare Erleichterung für das Portemonnaie.

Zeitgeist gegen Autofahrer

In der Wirtschaftskommission des Ständerats fiel das Verdikt gegen die Entlastung der Automobilisten und des Gewerbes deutlich aus. Sie lehnte Grüters Vorstoss mit 10:1 Stimmen ab. Der abrupte Meinungsumschwung ist wohl dadurch zu erklären, dass im Frühling, als der Nationalrat der parlamentarischen Initiative zustimmte, FDP und Mitte sich nicht getrauten, sich gegen die gebeutelten Konsumenten zu stellen. Damals betrug der Preis pro Liter Benzin 2.20 Franken oder mehr. Inzwischen sind die Preise wieder etwas gesunken und damit offenbar auch der Druck auf die Parlamentarier, sich für die Konsumenten einzusetzen. 

Hinzu kommt, dass der Zeitgeist gegen die Autofahrer und insbesondere gegen die Verbrennungsmotoren weht. Die EU hat ein entsprechendes Verbot ab 2035 beschlossen. Und in der Schweiz hiess das Parlament in der vergangenen Herbstsession einen indirekten Gegenvorschlag zur links-grünen Gletscher-Initiative gut, der das Klimaziel Netto-null gesetzlich festschreibt.

All dies macht es schwierig, selbst so vernünftige und massvolle Anliegen wie die Abschaffung der Steuerbesteuerung bei den Treibstoffen durchzubringen. Jürg Grossen, der Präsident der Grünliberalen, verstieg sich dabei zur Aussage, die Beseitigung dieser doppelten Steuer sei so, wie wenn man einem Drogensüchtigen Geld gebe, damit er billiger an seinen Stoff herankomme.

Im Fall der Billag

Das zeigt, wie unsachlich und emotional Stimmung gegen die Autofahrer gemacht wird. Dabei haben die Befürworter einer Abschaffung die Argumente auf ihrer Seite. Im Fall der Billag – heute Serafe – entschied das Bundesgericht in zwei Leiturteilen, dass auf den SRG-Zwangsgebühren keine Mehrwertsteuer erhoben werden darf und der Bund die zwischen 2010 und 2015 erhobenen Steuern zurückbezahlen muss. Die Billag hatte ohne gesetzliche Grundlage von allen Privathaushalten und Unternehmen 2.5 Prozent Mehrwertsteuer eingezogen, jährlich machte das über 30 Millionen Franken aus. Das Beispiel zeigt, dass es durchaus eine Op­tion sein könnte, juristisch gegen die Mehrwertsteuerpraxis bei den Treibstoffen vorzugehen. Die Autobranche ist jedenfalls gefordert, falls das Parlament die Initiative von Franz Grüter ablehnt.

Die AUTOMOBIL REVUE wollte von den Strassen- und Verkehrsverbänden wissen, wie sie sich zu dem Thema stellen. «Die Erhebung der Mehrwertsteuer auf die Treibstoffsteuer ist unserer Ansicht nach nicht zulässig, da die Erhebung dieser Steuer nicht der Erbringung einer Leistung entspricht, für die ein Markt besteht», sagt Olivier Fantino, Direktor von Strasse Schweiz. Auf rechtlicher Ebene werde Strasse Schweiz prüfen, «ob wir zu einem späteren Zeitpunkt eine Beschwerde einlegen werden, wenn die parlamentarische Initiative Grüter abgelehnt wird».

Juristische Schritte bleiben vorbehalten

Auch Thomas Hurter, Präsident des Automobil Clubs der Schweiz (ACS), kritisiert das herrschende Steuerregime und plädiert für eine Senkung des Benzinpreises. «Aus meiner Sicht sollte der Staat nicht auf Kosten der Konsumenten finanziell von der Krise profitieren. Deshalb finde ich es nicht richtig, dass er aufgrund der Preiserhöhung höhere Mehrwertsteuereinnahmen erhält. Es wäre zusätzlich zu prüfen, den Benzinpreis auch um den Steueranteil zu senken, der in die allgemeine Bundeskasse fliesst», so Hurter. Ob und, falls ja, welche weiteren Schritte unternommen werden, sei «momentan noch offen».

Unterstützung erhält die parlamentarische Initiative Grüter auch von der Vereinigung der Automobilimporteure Auto-Schweiz, wie Direktor Andreas Burgener auf Anfrage mitteilt. Und auch vom Schweizerischen Nutzfahrzeugverband (Astag) kommt Sukkurs. Dieser habe im Parlament «alle Vorstösse, die eine Senkung der Mineralölsteuern zum Ziel hatten, unterstützt», sagt Vizedirektor André Kirchhofer. «Wir stehen auch hinter dem Anliegen von Franz Grüter.» Ein allfälliger Entscheid, bei einer Ablehnung der Initiative Grüter, juristisch gegen eine Doppelbesteuerung vorzugehen, liege in der Kompetenz des Zentralvorstands. Affaire à suivre. 

1 Kommentar

  1. Steuer auf Steuern ist weiter als nur beim Benzinpreis verbreitet und Amit auch andernorts anfechtbar.
    Wer sich die Stromrechnung anschaut, wird ebenso fündig, wobei dort die Steuern beschwichtigend und bewusst als Abgaben verharmlost werden.

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