Die eigentliche Attraktion von Peugeot an der Auto Zürich war nicht wirklich am Stand der Marke zu finden. Zwar konnte das Schweizer Publikum zum ersten Mal den 408 sehen, aber es war vor allem der Auftritt von Linda Jackson, CEO von Peugeot, die das Rampenlicht auf sich zog. Es ist in der Tat selten, dass die Führungsriege eine nationale Veranstaltung besucht. Die britische Chefin traf sich am Pressetag der Auto Zürich bereitwillig mit den Journalisten. Jackson war es ein Anliegen, die Bemühungen von Peugeot auf dem Weg zur Elektrifizierung in Erinnerung zu rufen: «Jedes Modell wird bis 2025 eine 100-prozentige Elektrovariante haben», betonte sie. Jeder dritte Peugeot, der 2022 verkauft wird, ist elektrifiziert (einschliesslich der Plug-in-Hybride), während es Ende 2021 nur jedes sechste Fahrzeug war. Linda Jackson glaubt nicht, dass dieser anhaltende Erfolg nur durch Anreize erklärbar ist. «Nehmen Sie das Beispiel Norwegens: Das Land begann seinen Übergang mit Subventionen, jetzt gibt es fast keine mehr. Dennoch liegt der Anteil verkaufter elektrifizierter Neuwagen bei 90 Prozent», erklärt Jackson. «Unweigerlich merken die Kunden, dass der Übergang stattfindet. Man kann nicht mehr überall mit seinem Auto mit Verbrennungsmotor fahren.» An Schwung verlieren könnte der Elektroauto-Boom aufgrund der überlasteten Infrastruktur, sagt die 63-jährige Engländerin: «Anstatt Kaufsubventionen zu gewähren, sollte die Regierung lieber in das Ladenetzwerk investieren.»
Obwohl Peugeot den Markt für Elektroautos erobert hat, bleiben Zweifel, ob dieser – von Brüssel vorgeschriebene – Weg zur Senkung der CO2-Emissionen der richtige ist. «Wenn wir die Wahl gehabt hätten, wie wir die CO2-Ziele erreichen wollen, glaube ich nicht, dass wir die Elektrifizierung gewählt hätten, weil sie sehr teuer ist», sagt Jackson. Der Diesel beispielsweise wäre nicht so wie jetzt beinahe verschwunden. «Doch die Politiker sind einer Ideologie gefolgt und haben entschieden, dass die Elektrifizierung der richtige Weg sei.» Damit griff Jackson die Worte ihres Chefs, des Stellantis-Vorsitzenden Carlos Tavares, auf, der gegenüber «Top Gear» behauptete, die «Politiker hätten dogmatisch entschieden», dass die Elektrifizierung kommen müsse. Es gebe jedoch andere Wege wie etwa synthetische Kraftstoffe: «Wir untersuchen viele dieser alternativen Treibstoffe, das könnte eine Lösung sein. Bisher haben wir den Weg der Elektrifizierung eingeschlagen, weil die Europäische Union uns diesen Weg aufgezwungen hat. Ich weiss jedoch nicht, ob dies die ultimative Lösung ist.» Linda Jackson weiss jedoch, dass Jammern nicht hilft, sondern dass sie die Ärmel hochkrempeln muss: «Ich glaube, dass Lobbyarbeit eine verlorene Schlacht ist. Alles, was wir als Hersteller tun können, ist, uns an die Regeln zu halten.»
Naivität angesichts der Bedrohung
Das Zeitalter der Elektrifizierung, das auf dem alten Kontinent – und in der Schweiz, da unser Land sich damit begnügt, die Brüsseler Gesetzgebung im Automobilbereich zu übernehmen – beginnt, wird einen gewaltigen Sog auf eine neue Konkurrenz ausüben: die chinesischen Hersteller. «Vor nur sechs Jahren waren wir noch sehr skeptisch, wenn wir uns chinesische Autos ansahen», sagt Linda Jackson, «jetzt, wenn wir uns ihre Produkte ansehen, sagen wir: ‹Wow!›. Der Vernetzungsgrad dieser Autos ist fantastisch, die elektrische Reichweite ist gut. Die Angebote sind wirklich wettbewerbsfähig. Ich sehe sie als ernsthafte Konkurrenten.» Tatsächlich sind in Norwegen, das von chinesischen Herstellern als Testplattform genutzt wird, bereits drei Firmen aus dem Reich der Mitte – Polestar, MG und BYD – unter den Top 20 der meistverkauften Marken zu finden. Angesichts dieser Bedrohung forderte Carlos Tavares die Einführung von Zöllen auf chinesische Autos und sagte, dass der massive Zustrom dieser Hersteller – die seiner Meinung nach mit Verlust verkaufen, um die europäischen Marken zu attackieren – «soziale Unruhen» verursachen könnte. Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte in einem Interview mit dem Wirtschaftsmagazin «Les Echos» ebenfalls zu Protektionismus aufgerufen: «Die Amerikaner kaufen amerikanisch und verfolgen eine sehr offensive Strategie der staatlichen Hilfe. Die Chinesen machen ihren Markt dicht. Wir können nicht der einzige Raum sein, der klimatisch tugendhafteste, der der Ansicht ist, dass es keine europäische Präferenz gibt.»
Auf die Frage, ob Europa angesichts dieser Bedrohung naiv sei, antwortet Linda Jackson mit einem entschiedenen Ja. «Warum sollte es akzeptabel sein, dass die Amerikaner und Chinesen ihre Märkte abschotten? Das sind Fragen, die wir klären müssen.» Linda Jackson weiss, wovon sie spricht, denn Peugeot hat sich an der chinesischen Mauer die Zähne ausgebissen, da das Joint Venture Dongfeng-Peugeot-Citroën – das auch mit Führungsproblemen zu kämpfen hat – seit Jahren im freien Fall ist. Während das Unternehmen 2015 noch 705 000 Autos in China absetzte, waren es im letzten Jahr nur noch 100 000 Autos. Die Chefin räumte lakonisch ein, man müsse «alles neu aufbauen» und «einen besseren Weg finden, um diesen Markt anzugehen».
Andererseits verzichtet Peugeot auf die Eroberung Amerikas, diese Pläne wurden mit der Fusion von PSA mit FCA gestrichen: «Die Stellantis-Gruppe, zu der wir gehören, umfasst 14 Marken, von denen einige wie Dodge, Chrysler und Jeep in den USA wichtige Akteure sind. Warum sollte Peugeot da noch mitmachen?» Vor allem hat die Marke in Europa bereits viel zu tun. Der Löwe muss lauter brüllen als je zuvor, um ein Raubtier zu bleiben und nicht zum Gejagten zu werden.