Flott unterwegs

Der VW Polo GTI bringt eine Prise Sportlichkeit, ­ohne dass der Komfort darunter leiden müsste. Das macht ihn zum flotten Begleiter im Alltag.

Im Jahr 1975 präsentierte Volkswagen auf der IAA den ersten Golf GTI. Das Auto hatte ­einen 81 kW (110 PS) starken 1.6-Liter-Saugmotor, der den 810 Kilogramm schweren Golf GTI in 9.2 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigte. Die Höchstgeschwindigkeit lag bei 182 km/h. Das ist schon fast 50 Jahre her, und der Golf GTI ist in allen Belangen ordentlich gewachsen. Dafür hat Volkswagen eine Stufe darunter nachgeschoben und bringt seit der dritten Generation auch den Polo als GTI heraus. Auch dieser war bereits grösser und schwerer und auch knapp stärker und schneller als der erste Golf GTI.

Heute ist der Polo in der sechsten Generation und hat vergangenes Jahr noch eine leichte Modellpflege erhalten, die auch dem GTI noch etwas frisches Leben einhaucht. Nachdem Hyundai mit dem i20N einen scharfen Konkurrenten gegen den Deutschen ins Rennen geschickt hatte, war das auch dringend nötig. Allein schon dass der Koreaner mit 150 kW (204 PS) etwas mehr Motorleistung bot als der GTI mit seinen 147 kW (200 PS) und erst noch deutlich schneller auf 100 km/h sprintete (6.2 s, Polo GTI 6.7 s), konnte man in Wolfsburg natürlich nicht auf sich sitzen lassen.

So spendierte man dem Polo mit der Modellpflege auch die letzte Generation des EA888. Der Zweiliter-Turbobenziner leistet damit 152 kW (207 PS) bei einem Drehmoment von weiterhin 320 Nm. Das reicht, um den neuen Polo GTI um 0.2 Sekunden schneller Tempo 100 erreichen zu lassen – mit seinen 6.5 Sekunden liegt er aber immer noch hinter dem Hyundai. In Realität waren es – mit Winterreifen – dann sogar 6.9 Sekunden. Zudem lässt sich das ESP im Polo GTI nicht komplett ausschalten, was bedeutet, dass es auch keine Launch-Control gibt – denn diese wird bei den sportlichen Modellen, wie einem Golf R beispielsweise, nur bei deaktiviertem ESP zur Verfügung gestellt. So hält die auf Spritsparen getrimmte Motorsteuerung die Drehzahlen im Zaum, und ein echter Kavaliersstart muss den Konkurrenten im Hyundai i20N und Ford Fiesta ST überlassen werden.

Sportlich im Alltag

Und noch in einem weiteren Punkt schlägt die CO2-Bilanz zu: So gibt es das Sechsgang-Handschaltgetriebe nicht mehr, an dessen Stelle tritt das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe. Für die Fans der Handarbeit mag das eine Enttäuschung sein, aber das DSG macht seinen Job auch ganz ordentlich. Und es zeigt den den Polo GTI kennzeichnenden Kompromiss-Charakter. So ist es im alltäglichen Berufsverkehr sanft und komfortabel unterwegs, schaltet die Gänge früh und ruckelfrei. Wird das Getriebe aber gefordert, beispielsweise für ein unvermitteltes Überholmanöver, zeigt es sich meist kooperativ und legt blitzschnell den passenden Gang ein. Nur auf Serpentinensträsschen hängt es gelegentlich auch am Kurvenausgang noch in einem zu hohen Gang und tötet damit das lustvolle Fahren. Wenn man das weiss, ist das allerdings kein Problem: Ein- oder zweimal am linken Lenkradpaddle ziehen, und schon passt der Gang bereits beim Anfahren der Kurve.

Obwohl der Polo GTI deutlich leichter ist als der Golf, ist er auch kein Leichtgewicht mehr in seinem Segment. 1.3 Tonnen bringt der Polo GTI leer auf die Waage. Das sind immer noch 150 Kilogramm weniger als ein Golf GTI. Das Leistungsgewicht ist mit 6.6 kg/PS gar nicht so schlecht, und der Golf GTI ist nur wenig besser. Der Vierzylinder zeigt seine Kraft sehr früh, die 320 Nm liegen bereits ab 1500 U/min an. So geht es beim Beschleunigen aus dem Stand gar nicht so schlecht los. Die lineare Kraftentfaltung kennt man bereits von Motor und Marke, da bildet auch der Polo GTI keine Ausnahme. Das macht ihn zwar wenig explosiv, ermöglicht es aber auch, dass bereits bei tiefen Drehzahlen genügend Drehmoment zur Verfügung steht. Der Motorsound klingt kernig und seriös. Bloss schade, dass er auch aus den Lautsprechern erklingt.

Auf den Sitzen gibt es die GTI-typischen Stoffbezüge mit Karomuster, ansonsten unterscheidet sich das Gestühl aber wenig von den braveren Versionen des Polo. Im (sportlichen) Alltag sind sie komfortabel, aber der Seitenhalt dürfte noch besser sein. Gerade im Bereich der Schultern lassen die Sitze ihren Insassen sehr viel Freiheit für Pendelbewegung bei zügiger Kurvenfahrt. Als GTI-Merkmale gibt es zusätzlich noch die roten Zierelemente und -nähte. Ansonsten gibt sich der GTI ganz seriös: Von aussen verraten einzig die Doppelendrohre der Auspuffanlage und der kleine Dachkantenspoiler den sportlichen Charakter des GTI. So bleibt er der Underdog, eher die sportlichere Alternative für den Alltag als eine kompromisslose Rennmaschine. Das Platzangebot liegt im Polo über dem Durchschnitt seines Segments, sodass auch es auch Erwachsenen gut möglich ist, hinten zu sitzen. Die Rückbank lässt sich in zwei Teilen herunterklappen, was auch den Transport grösserer Gegenstände ermöglicht. Die Materialien sind, wie es sich für einen VW gehört, nicht ausgefallen oder extravagant, dafür aber solide verarbeitet.

Wie einst der Golf

Auch der Preis ist so, wie es sich für einen VW gehört. 35 800 Franken kostet der Polo GTI ohne Zusatzausstattung, unser Testwagen bringt es auf 41 040 Franken. Das ist viel Geld für ein kleines Auto. Dafür muss aber auf allerlei Annehmlichkeiten nicht verzichtet werden, denn der Grossteil des Aufpreises fliesst in verschiedene Technologie- und Assistenzpakete. So gibt es das IQ-Light und den Travel-Assist mit adaptivem Tempomaten, Spur­assisstenten und Verkehrszeichenerkennung. Das macht das Pendeln auf der Autobahn oder auch das Fahren in der Stadt entspannt. Dass der Polo GTI nicht der strammste Sportler ist, zeigt sich auch am Fahrwerk, das nicht ganz so straff abgestimmt ist wie bei der Konkurrenz. In zügig gefahrenen Kurven verliert der kleine Volkswagen an Traktion und neigt trotz serienmässiger, elektronischer Differenzialsperre zum Untersteuern. Dabei greift das ESP auch im Sport-Modus stets regelnd ein und versucht, den Wagen auf Kurs zu halten. Auch bei den Bremsen zeigt sich der Polo etwas schwach und wenig aggressiv. Das schlägt sich im Bremsweg von deutlich über 40 Metern aus 100 km/h nieder. Wobei hier ganz klar betont sei, dass das Fahrzeug mit Winterreifen ausgestattet war – mit guten Sommergummis sähe die ganze Geschichte wohl deutlich besser aus.

Mit seinem zurückhaltenden Auftreten und der weniger straffen Abstimmung gibt sich der VW Polo GTI deutlich zivlisierter als seine direkten Konkurrenten, ohne dass er dabei die GTI-typischen Charakterzüge verlöre. Denn so wie vor bald 50 Jahren der Golf GTI bei seiner Lancierung zum Sportlichsten und Leistungsstärksten in seinem Segment gehörte, so gilt das heute für den Polo immer noch. 

Testergebnis

Gesamtnote 76.5/100

Antrieb

Der Zweiliter-Vierzylinder des Polo GTI hat mit dem Facelift sieben PS zugelegt. Er gibt sich weiterhin linear in der Kraftentfaltung und wenig explosiv, aber kräftig genug für sportliche Zwischenspurts.

Fahrwerk

Die Fahrwerksabstimmung ist nicht übertrieben straff, was die Sportlichkeit etwas mindert, im Alltag aber einen angenehmen Kompromiss bietet.

Innenraum

Mit den charakteristischen Karositzbezügen ist er sofort als GTI erkennbar. Das Platzangebot ist gut, die Verarbeitung auch. Die Aufmachung ist VW-typisch auf der biederen Seite.

Sicherheit

Der Bremsweg ist überdurchschittlich lang, was teilweise auch auf die Winterreifen zurückzuführen sein mag. Das ganze Paket an Assistenzsystemen gibt es gegen Aufpreis.

Budget

Der Polo ist immer mehr gewachsen – und mit dem Auto auch der Preis. Der tiefe Verbrauch (5.6 l/100 km auf der AR-Normrunde) hilft aber beim Sparen an der Tankstelle.

Fazit 

GTI geht auch ohne Golf – und das sehr gut. Der VW Polo GTI ist nicht ganz so straff und sportlich abgestimmt wie seine Konkurrenten im Segment, tritt dafür etwas seriöser, erwachsener und kompromissbereiter auf. Was die Fahrleistungen betrifft, gehört er zur Spitze im Segment.

Die technischen Daten und unsere Messwerte zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

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