Gelungene Kombination

Der BMW 4er bleibt auch als Elektroversion i4 prädestiniert für die Langstrecke. Trotz des nicht optimalen ­Aufbaus gibt er sich hervorragend effizient – mit einer Ausnahme.

Dedizierte Elektroautoplattformen, also Baukästen, die speziell für die vollelektrisch angetriebenen Fahrzeuge designt worden sind, gelten als das Nonplus­ultra, wenn es um Dinge wie Effizienz und Platzausnutzung geht. BMW bestätigt diese Denkweise – und widerlegt sie zugleich. Denn während der i4 E Drive 40 in Sachen Raumausnutzung durchaus verschwenderisch aufritt, so gibt er sich beim Antrieb enorm effizient. Die Kombination macht Freude. Doch wir greifen vor.

Beginnen wir damit, dass der vollelektrische BMW i4 eigentlich ein ganz gewöhnlicher 4er ist. Von aussen ist bis auf den geschlossenen Kühlergrill und die blauen Applikationen kaum ein Unterschied auszumachen. Wie seine Verbrennerkollegen baut das als einzige Elektrovariante angebotene viertürige Gran Coupé auf der (modifizierten) Clar-Plattform auf (eine eigene Elektroplattform folgt bei BMW erst 2025), die vom kleinen Dreizylinderaggregat bis zum mächtigen V12 jeden Motor aufnehmen kann. Dementsprechend gross fällt der vordere Überhang beziehungsweise lang fällt die Motorhaube aus. Letzteres ist auch beim i4 nicht anders, wenn dort auch nicht von einer Motorhaube gesprochen werden kann. Die Leistungselektronik findet beim BMW i4 E Drive 40, der momentanen Einstiegsversion, vorne Platz, die Antriebseinheit allerding sitzt hinten. Diese stromerregte Synchronmaschine, bei der statt der sonst oft verwendeten Dauermagnete Elektromagnete zum Einsatz kommen, wodurch auf den Einsatz von Seltenen Erden verzichtet werden kann, leistet 250 kW (340 PS) und erbringt ein Drehmoment von 430 Nm. Damit beschleunigt die Elektro­limousine in gemessenen 5.4 Sekunden von null auf Tempo 100, wobei der Kick nach einem fulminanten Start spürbar abnimmt. Trotzdem fühlt es sich an, als sei man im BMW i4 dauernd zu schnell unterwegs, weil die Durchzugswerte elektrotypisch überragend ausfallen.

Kaum Unterschiede

Zudem liegt dieser Umstand nebst dem fehlenden Motorengeräusch auch daran, dass man von der Aussenwelt herrlich entkoppelt ist, die Geräuschdämmung ist auf einem formidablen Niveau. Entspanntes Dahingleiten macht im i4 allerhöchste Freude, das Fahrwerk überzeugt mit einer ausgeprägten Sanftheit. Platz findet man in fein ausgeformten und vielfach einstellbaren Sitzen, was auf längeren Strecken von Vorteil sein kann. Dass der i4 nicht auf einer Elektroautoplattform aufbaut, lässt sich auch anhand des klassischen Layouts des Innenraums erkennen. Der Mitteltunnel ist breit, er beinhaltet nebst Staufächern, den Tasten für die Fahrmodi (Sport, Comfort, Eco Pro) und dem grossen Fahrstufenhebel das Bedienelement für das etablierte iDrive. Das Zusammenspiel mit dem neuen Infotainment funktioniert nach wie vor gut, auch wenn das System klar auf Touchbedienung ausgelegt ist. Die Menükacheln sind gross, die Strukturen übersichtlich. Selbstverständlich lässt sich alles umfassend individualisieren. Der leicht gewölbte 14.9-Zoll-Touchscreen geht nahtlos in die 12.3 Zoll grosse Instrumententafel über, das sieht um einiges eleganter aus als beispielsweise bei der Hyperscreen-Lösung von Mercedes.

Insgesamt ist, abgesehen von der Gestaltung und Anordnung der hochauflösenden Bildschirme, auch das souverän verarbeitete Interieur des i4 von demjenigen der Verbrennermodelle kaum zu unterscheiden. Die Reihe mit den acht frei belegbaren Schnellwahltasten fällt weg. Im i4 können nur noch die allerwichtigsten Funktionen der Musik- und Klimaanlage über physische Regler gesteuert werden, der Rest wird über den Bildschirm bedient – oder aber über die Sprachsteuerung, die die
gesprochenen Befehle überdurchschnittlich gut versteht.

Die Verwandtschaft geht gar so weit, dass der elektrische i4 auch hinten einen störenden Mitteltunnel hat – der Mittelsitz ist so kaum zu gebrauchen, dazu ist er unangenehm erhöht und fällt sehr schmal aus. Auf den anderen beiden Plätzen im Fond lässt es sich angenehm reisen, die Beinfreiheit ist gut, die Kopffreiheit eher knapp. Andere Elektroautos sind hier grosszügiger. Das gilt auch für den Kofferraum. Dieser ist beim BMW i4 zwar lang, die Ladekante liegt mit 71 Zentimetern angenehm tief, dennoch ist das Volumen mit 470 bis 1290 Litern zumindest nicht üppig. Umso weniger, als es vorne keinen zusätzlichen Frunk etwa für das Ladekabel gibt.

Sehr effizient – und auch etwas spassig

So verschwenderisch sich BMW bei der Platzausnützung gibt, so effizient ist der Antrieb des i4. Mit einem Verbrauch von 17.3 kWh/100 km auf der AR-Normrunde ergibt sich eine Reichweite von 460 Kilometern. Das ist nicht weit entfernt von den 500 Kilometern, die gemäss WLTP mindestens möglich sind, unter optimalen Bedingungen scheint dieser Wert absolut erreichbar. Dabei zeigt sich, dass der i4 vor allem auf der Autobahn für ein Elektroauto ungemein effizient ist und auch hier bei gemässigter Fahrweise locker unter der 20-kWh-Marke bleibt. Die mit 110 Millimetern flache und im Unterboden verbaute Batterie hat eine Kapazität von 83.9 kWh, nutzbar davon sind 80.7 kWh. Geladen wird mit maximal 210 kW, wobei die Geschwindigkeit ab einem Ladestand von ungefähr 30 Prozent ziemlich schnell abfällt. Dennoch ist der Akku nach einer halben Stunde von 10 auf 80 Prozent nachgeladen, was einer Reichweite von etwas über 300 Kilometern entspricht.

Die niedrigen Verbrauchswerte haben auch damit zu tun, dass die Rekuperation mit maximal 116 kW kräftig und effektiv bis zum Stillstand einsetzbar ist. Einziger Minuspunkt: Auch wenn der Getriebehebel einen Break-Modus vorsieht, versteckt sich die Feineinstellung der verschiedenen Rekuperationsstufen in einem Untermenü im Infotainment. Nebst den drei Stärkestufen gibt es im i4 einen adaptiven Modus, der mithilfe der GPS-Daten, der Verkehrszeichenerkennung und der Abstandssensoren selbst entscheidet, wann und wie stark für eine maximale Energierückgewinnung rekuperiert wird. Dieses System funktionierte im Test wie alle anderen elektronischen Helferlein, insbesondere der Spurhalteassistent sei hier positiv erwähnt, einwandfrei, solange nicht allzu sportlich gefahren wurde.

Dabei kann der i4 E Drive 40 auch das hervorragend. Das BMW-Gefühl ist absolut vorhanden. Heisst: viel Komfort, ein verbundenes Gefühl mit dem Auto und eben etwas Sport. Die Lenkung ist hervorragend gewichtet, gibt massig Rückmeldung und sorgt für viel Vertrauen. Das auf Wunsch adaptive Fahrwerk mit einer Doppelgelenk-Vorderachse und einer Fünflenker-Hinterachse samt optionaler Luftfederung bleibt auch im Sport-Modus deutlich softer als bei den M-Modellen, sorgt aber für eine satte Strassenlage. Schnell Kurven machen dank der hecklastigen Gewichtsverteilung auch in der mit 2.1 Tonnen Leergewicht schweren Elektrokutsche Spass, bis zu einem gewissen Punkt zumindest. Die Traktion bleibt recht lange gut, reist aber irgendwann plötzlich ab. Wer dann noch Strom gibt, hat mit einem ausbrechenden Heck zu kämpfen. Man kennt das, Hinterradantrieb und so. Das ESP lässt zudem einiges zu, viel mehr, als man von anderen (auch sportlichen) E-Autos gewohnt ist. Das sorgt schon bei leichter Nässe für ein ständig nervöses Heck. Ein wirklicher Kritikpunkt ist das jedoch nicht, schliesslich steht BMW auch für die Freude am Fahren, was der i4 absolut erfüllt. 

Testergebnis

Gesamtnote 79/100

Antrieb

Weil das Drehmoment beim plötzlichen Gasgeben immer gleich da ist, sind die Fahrleistungen entsprechend rasant. Dazu arbeitet die Antriebseinheit auch noch hervorragend effizient.

Fahrwerk

Der i4 ist vor allem ein gemütlicher Kilometerfresser, unterstützt von hervorragenden Assistenten, mit dem man ab und an auch am Berg ordentlich viel Spass haben kann. Die Mischung ist gelungen.

Innenraum

Wie fast immer bei den Premiummarken gilt auch beim i4, dass gegen noch mehr Geld kaum Wünsche offen bleiben. Die Verarbeitungsqualität passt, das Bedienkonzept ebenfalls.

Sicherheit

Beim etwas langen Bremsweg merkt man das Gewicht, ansonsten fährt sich der i4 ausgesprochen vorhersehbar. Dazu gehört wegen der hecklastigen Auslegung aber auch, dass der Kopf bei der Sache sein sollte.

Budget

Der Aufpreis gegenüber den Verbrennern ist nicht sehr gross. Wer Allrad will, muss zum M50 und gleich viel tiefer in die Tasche greifen.

Fazit 

Optisch aussen wie innen kaum von den Verbrennervarianten zu unterscheiden beweist der i4 trotzdem viel Eigenständigkeit. Auch wenn das Gran Coupé nicht auf einer eigens entwickelten Plattform steht, ist das Fahrerlebnis vor allem hinsichtlich der Effizienz sehr gut. Weniger schmeichelhaft ist die Raumausnutzung, vor allem in der zweiten Reihe.

Die technischen Daten und unsere Messwerte zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

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