Die Erfolgsbilanz der vergangenen Jahre ist beeindruckend: Sechs Weltmeistertitel, mehrere kontinentale und zahlreiche nationale Titel – in der Schweiz durch Ivan Ballinari (2018/19) und Mike Coppens (2021) – sowie knapp 1700 Siege stehen auf der Habenseite von Škoda Motorsport und seinen Kunden. Verständlich, dass die Tschechen mit mehr als 450 verkauften Fahrzeugen auch in Sachen Nachfrage ganz vorne liegen. Damit dies so bleibt, legen die grün-weissen Werkssportler kräftig nach.
Trotz Erlkönig-Beklebung: Tarnen und Täuschen war gestern. Im Gegenteil, als das Entwicklungsteam in seiner tschechischen Heimat eine Rallye über knapp 400 Wertungskilometer simuliert, sind wir mittendrin, statt nur dabei. Exklusiv übernimmt der Autor dieser Zeilen am Ende des zweitägigen Tests das Steuer des Škoda Fabia RS Rally 2. Doch aufgepasst!
Grösserer Radstand, mehr Möglichkeiten
Sind die Reifen und Bremsen auf Betriebstemperatur, geht es um Zentimeter. Nicht beim Kurvenschneiden am Pistenrand, sondern auf der Bremse. Mit ausgedrehtem fünften Gang und gehobenem Autobahntempo toben Mensch und Maschine durch eine lange Linkskurve auf eine Kehre zu. Rein in die Eisen und runterschalten. Vier, drei, zwei – Mist! Etwas zu früh, wie der einsetzende Begrenzer uns kurz wissen lässt. Heisst: Noch beeindruckender als die brutale Verzögerung ist die Fahrstabilität, die solche Manöver überhaupt erst ermöglicht. Spurstabil und zielgenau lässt sich das Hightech-Gerät über die Strecke dirigieren. Das liegt allem voran am neuen, auf der vierten Generation des Škoda Fabia basierenden Chassis mit seinem um knapp 100 auf nun 2564 Millimeter angewachsen Radstand.
Das schafft reichlich Platz und neue Möglichkeiten, um Schwerpunkt und Gewichtsverteilung weiter zu optimieren. So wurde der Treibstofftank neu positioniert oder der zusätzliche Platz im Motorraum für einen grösseren Ladeluftkühler genutzt. Ebenso wichtig ist die neue Aerodynamik. Im Vergleich zum Vorgänger soll sich der Abtrieb annährend verdoppelt haben. «In schnellen Passagen habe ich ein viel besseres Gefühl. Du wirst gleich merken, wie präzise sich das neue Auto fahren lässt», gibt mir Škoda-Testpilot Jan Kopecky bei der Fahrzeugeinweisung mit auf den Weg.
WRC2-Weltmeister Andreas Mikkelsen bläst ins gleiche Horn. «Ich kann nicht sagen, wie viel schneller das neue Paket ist, aber aus Fahrersicht ist es ein echtes Pfund», schwärmt der Norweger vom neuen Motor. «Du spürst, dass er viel mehr Drehmoment hat. Man muss deutlich weniger schalten und kann Kurven statt im zweiten nun im dritten Gang fahren. Das ist ein enormer Gewinn.» Trotz neuen Basistriebwerks bleibt Škoda seinem Prinzip treu und büchst nun den Zweiliter- TSI-Motor der vierten Generation der Motorenreihe EA888 (Octavia RS) auf die vorgeschriebenen 1620 Kubikzentimeter hinunter. «Das hat sich bewährt und kommt auch der Standfestigkeit zugute», weiss Projektleiter Jan Krasula. Offiziell spricht Škoda von 289 PS und einem maximalen Drehmoment von rund 430 Newtonmetern. «Der Motor ist etwas nach rechts gerückt. Dadurch konnten wir die Luftführung und Position der Kühler optimieren.» Stolz berichtet der 35-Jährige: «Wir haben all unsere bisherigen Erfahrungen einfliessen lassen und jedes einzelne Teil des Autos redesignt, um es zu optimieren.»
Das bekannte Motto: So leicht wie möglich, so stabil wie nötig. «Es geht darum, den Kunden ein noch leistungsfähigeres Fahrzeug anzubieten.» Dafür wurden gar die Innereinen des sequenziellen Fünfganggetriebes von Xtrac überarbeitet, um die Reibungsverluste im Schaltwerk zu verringern. Der Fokus lag zudem bei der Bedienbarkeit, schliesslich agieren nicht nur Profis im agilen Turboallradler. Zahlreiche Funktionen kann der Fahrer direkt über Tasten und Schalter am Lenkrad abrufen und einstellen. Geht zum Beispiel nach einem Dreher der Motor aus, drückt man einfach das mittige Škoda-Logo. Zwei weitere Highlights, die das Leben im neuen Wettbewerbsmodell erleichtern: Statt eines filigranen Leuchtbands, das beim Hochdrehen den roten Bereich anzeigt, ändert nun die grosse Ganganzeige seine Farbe von Grün auf Rot. Bemerkenswert auch das deutlich vergrösserte und unten zwischen Fahrer und Co-Pilot in der Cockpitmitte platzierte Hauptdisplay. Dort lässt sich unter anderem die Datenkarte der Videokamera einstecken, um aktuelle Onboard-Aufnahmen anzusehen. «Es geht nur so», sagt Krasula und betont. «Es ist schwierig, etwas zu verbessern, das bereits sehr gut ist. Aber wir haben versucht, alle Ideen umzusetzen.»
Strenges Reglement, wenig Spielraum
Controlled Design ist jenes Zauberwort, das auch die Bauteile des Škoda Fabia RS Rally 2 klar definiert. Wesentlichstes Ziel: Kostenreduzierung. Der vom Autoweltverband FIA maximal erlaubte Preis von 190 000 Euro netto wird nicht nur durch genaue Vorgaben zum Beispiel bei Materialien, Gewicht, Abmessungen und Herstellungsverfahren definiert. Zusätzlich unterliegen einzelne Baugruppen und -teile maximalen Preisspannen. Kleiner Spielraum: Fünf Bauteile dürfen ihren vorgegebenen Preisrahmen überschreiten, das gesamte Teilebudget von rund 150 000 Euro allerdings nicht. Heisst, gespart werden muss dann woanders. Ein einsatzbereites Full-Spec-Rally-2-Auto inklusive aller von der FIA zugelassenen Optionen bei Leichtbausitzen, Lufthutze, gewichtsoptimiertem Bordwerkzeug und Zulassungspapieren schlägt mit netto knapp 250 000 Euro zu Buche.
Um dafür den bestmöglichen Gegenwert zu bieten, hat sich Škoda mächtig ins Zeug gelegt. Seit zwölf Monaten wurden rund 15 000 Testkilometer in sieben Ländern unter allen Bedingungen von Schnee und Eis im Norden Finnlands, über selektive Asphaltpisten in Belgien oder Kroatien bis zu mal feinen oder brutalen Schotterpisten in Frankreich oder Spanien absolviert. Am Steuer sassen neben Mikkelsen und Kopecky der fünfmalige WM-Laufsieger Kris Meeke sowie der finnische Meister und WRC2-Pilot Emil Lindholm – und für einmal der tief beindruckte Autor dieser Zeilen.
«Stillstand ist Rückschritt»
Seit 15 Jahren leitet Michal Hrabanek die Geschicke von Škoda Motorsport und verantwortete den Wandel vom reinen Werksteam zur profitablen Kundensportabteilung. Der 53-Jährige über den steinigen Weg zum Marktführer im Rally-2-Segment, den neuen Škoda Fabia RS Rally 2 sowie künftige Projekte.
Automobil Revue: Der aktuelle Škoda Fabia Rally 2 Evo ist das meistverkaufte Auto in diesem Segment und bei der internationalen Kundschaft noch immer erste Wahl. Wie gross ist die Bürde, die auf Škoda Motorsport und der neusten Entwicklung lastet?
Michal Hrabanek: Natürlich ist die Herausforderung gross, aber die nehmen wir gerne an. Jeder weiss: Stillstand bedeutet Rückschritt, das gilt insbesondere im Motorsport. Im neuen Fabia RS Rally 2 steckt all unsere Erfahrung mit dem erfolgreichen Vorgängermodell. Unsere Ingenieure wussten, was sie noch besser machen können. Ebenso wichtig: Mit dem Fabia der vierten Generation stand uns eine perfekte Basis zur Verfügung. Auch wenn es der Jäger gemeinhin leichter hat als der Gejagte, bin ich sehr zuversichtlich, dass wir weiter erfolgreich bleiben.
Wann haben Sie mit der Entwicklung des Fabia RS Rally 2 begonnen?
Im Jahr 2020. Allerdings wurden auch wir von der Coronapandemie eingebremst und haben deshalb zwischenzeitlich viel mit Simulationen gearbeitet, bevor wir im Sommer 2021 mit den Testfahrten begannen. Auch diese wurden durch Reisebeschränkungen beeinflusst.
Die Zulassung des Autoweltverbandes FIA ist für den 1. August vorgesehen. Statt bei der Rallye Finnland soll die Wettbewerbspremiere nun erst beim WM-Lauf in Griechenland im September erfolgen. Warum?
Das hat vor allem logistische Gründe. Wie die Automobilbranche leiden unsere Kunden, wir und auch unsere Lieferanten unter der angespannten Situation im Transportwesen und bei Rohstoffen. Aktuell sind es weniger die elektronischen Bauteile, sondern viel mehr die Metalle, wodurch Komponenten wie Radträger, Antriebswellen oder Getriebe fehlen. Wenn wir die ersten Autos ausliefern, müssen wir auch in der Lage sein, genügend Ersatzteile bereitzustellen, das ist klar.
Das Interesse scheint gross zu sein. Wie viele Fahrzeuge werden bis Jahresende ausgeliefert?
Nach heutigem Stand peilen wir 20 Stück an. Sollte dies angesichts der aktuellen Situation klappen, wäre ich erst einmal zufrieden. Läuft alles reibungslos, liegt die Jahreskapazität von Škoda Motorsport bei 80 neuen Rally 2.
Schauen wir nach vorne. Wie gross ist die Gefahr, dass sich das Rally-2-Reglement in naher Zukunft ändert?
Seit 2015 haben sieben Hersteller ein Rally-2-Modell entwickelt und zusammen weit über 1500 Fahrzeuge verkauft. Als nächstes kommt Toyota hinzu. Keine Frage, Stabilität beim Reglement ist für Hersteller sehr wichtig, besonders im Kundensportsektor.
Es gab Gedankenspiele mit einem standardisierten Mildhybridsystem. Wie denken Sie über solche Gedankenspiele?
Der Autoweltverband FIA hat uns Herstellern gerade noch einmal bestätigt, dass man das erfolgreiche Rally-2-Reglement vorerst nicht verändern will. Man muss sehen, in welcher Liga und von wem ein Fahrzeug eingesetzt wird. Lassen Sie es mich so sagen: Kundensport und Formel 1 passen nur schwer zusammen.
Apropos Formel 1: Gibt es bei Škoda Ambitionen in Sachen Rundstreckensport?
Nein, weder im Tourenwagen- noch im Sportwagenbereich. Das Buchstabenkürzel RS bei sportlichen Škoda-Modellen steht für Rallye-Sport, und dort sehen wir im Konzernverbund mit den anderen Marken auch unseren Platz. Im Moment konzentrieren wir uns voll auf die Betreuung des aktuellen Škoda Fabia Rally 2 Evo und den neuen Škoda Fabia RS Rally 2. Wir schauen zwar auch auf andere Segmente, in den nächsten Monaten passiert da aber nichts. Für die nahe Zukunft könnte ich mir am ehesten ein Einsteigermodell der Rally 5 oder Rally 4 vorstellen. Abhängig davon, ob man damit neue Märke, auch ausserhalb Europas, erschliessen kann.
Und wie geht es mit dem vollelektrischen Prototyp Škoda Fabia RE-X1 Kreisel weiter?
Das war ein gutes und wichtiges Projekt mit toller Resonanz. Nun gilt unsere volle Konzentration aber erst einmal dem Škoda Fabia RS Rally 2. Soll heissen, dass, auch wenn wir aktuell nicht an einem elektrifizierten Rallyeauto arbeiten, wir uns mit anderen Technologien und Fahrzeugkonzepten beschäftigen.