AMG kann auch Elektro

Der Mercedes EQE wird auch als AMG primär als schnelle Reiselimousine zum Einsatz kommen. Schade eigentlich, denn er könnte mehr. Viel mehr.

Da soll einer noch sagen, Elektroautos machen keinen Spass. Natürlich, das Leergewicht von 2.5 Tonnen lässt sich kaum wegdiskutieren. Die Pfunde sind da. Und sie drücken irgendwann aus der Kurve. Irgendwann ist aber immer später, wenn der Schwerpunkt schön tief liegt, der Drehpunkt austariert und die Leistungsabgabe perfekt mit der Reibungszahl der Reifen abgestimmt ist.

Womit wir beim Mercedes EQE wären, genauer beim AMG 53 4Matic+, der stärkeren der beiden Versionen aus Affalterbach. Die elektrische Mittelklasse-Limousine, die um 27 Zentimeter kürzere Schwester des EQS, bietet eine Performance, die schier absurd ist für die Strasse. Mit dem optionalen Dynamic-Plus-Paket sind es in der Spitze 505 kW (687 PS) und 1000 Nm, die auf alle vier Räder losgelassen werden. Damit geht es in 3.3 Sekunden von 0 auf 100 km/h, maximal 240 km/h schnell und bei angemessener Fahrweise zwischen 400 und 500 Kilometer weit. Weitaus beeindruckender ist, wie unmittelbar das Elektrogeschoss am Strompedal hängt. Oder genauer: wie viel Leine die Regelelektronik dem AMG beim Gasgeben lässt.

Feintuning aus Affalterbach

Allerdings ist das kein Alleinstellungsmerkmal des AMG. Die Basisversion kann das auch schon ganz gut, Affalterbach setzt ihr aber die Krone auf. Trotzdem: Wird es mit fortschreitendem Elektrozeitalter nicht schwieriger, sich wirklich zu differenzieren? Ganz klar nein, sagt Stefan Klinger, seit über 15 Jahren bei AMG: «Natürlich fallen Erkennungsmerkmale wie der Auspuffklang weg, dafür kommen andere hinzu. Zudem liegen unsere Stärken besonders in Sachen wie Software- und Fahrwerksab-
stimmung.»

Was man im AMG EQE auch spürt. Die Art und Weise, wie die Kraft in Kurven merklich, aber feinfühlig durch den vollständig variablen Allradantrieb verteilt wird, ist beeindruckend. Ebenso der Umstand, dass trotz einer maximalen Rekuperationsleistung von 260 kW auf Wunsch gewaltige Karbon-Keramik-Bremsen zum Einsatz kommen, die in Kombination eine ebenfalls schier absurde Verzögerung liefern. Der AMG krallt sich in den Asphalt, regelt Last- und Richtungswechsel ohne Weiteres weg, schreitet auch bei Vollgas unaufgeregt aus jeder Kurve. Das mögliche Tempo am Scheitelpunkt ist rasant, der Kopf kommt kaum hinterher, und falls Hände und Füsse nicht ganz im Einklang sind, schüttelt sich der AMG kurz, und folgt weiter stur dem eingeschlagenen Kurs.

Karosseriebewegungen sind ihm dabei fremd, das Luftfahrwerk-Set-up reicht von ganz weich bis angenehm hart. Damit gibt die Limousine mit Hinterachslenkung sowohl in der Stadt als auch auf der Autobahn ein souveränes Bild ab. Auch wenn der 90.6-kWh-­Akku nur mit maximal 170 kW lädt. Garniert mit all den fortschrittlichen Fahrassistenzsystemen wird der EQE aber wohl selbst als AMG vorwiegend als schnelle Reiselimousine zum Einsatz kommen, weil auch im Innenraum im Prinzip alles normal und damit geräumig und komfortabel bleibt. Dem AMG eigen sind die Sportsitze, die Ziernähte und Logos und die hervorragende Materialwahl, die der im EQS nur minimal nachsteht. Das Infotainment bietet eine Funktionalität und Zuverlässigkeit, die branchenführend ist. Der optionale Hyperscreen sieht aus der Ferne imposant aus, gibt von Nahem aber allzu stark zu erkennen, dass es sich dabei um drei einzelne Bildschirme hinter einer Glasscheibe handelt.

Palette wird laufend erweitert

Apropos Optik: Dass einem auf der Bahn der AMG im Hintern klebt, erkennt man primär an den vertikalen Chromstreben an der Front, die an den Panamericana-Grill der Verbrennerkollegen erinnern. Hinten gibt es eine Spoilerlippe, ansonsten hält man sich zurück. Was die Notwendigkeit für den AMG etwas relativiert. Wer am Fusse einer Passstrasse wohnt, wird mit dem AMG zum leicht günstigeren Tarif als beispielsweise bei Porsche ein wenig Tempo und viel Spass dazugewinnen. Für alle anderen reicht wohl der normale EQE, einmal mit Hinterradantrieb (215 kW, 565 Nm), einmal mit Allradantrieb (300 kW, 858 Nm), allemal.

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