Wir sind fast ein bisschen enttäuscht, dass unser Enyaq Coupé RS nicht im auffälligen Leuchtstiftgelb – der offizielle Name lautet Mambagrün – daherkommt, in dem das Auto überall präsentiert wird. Das Metallic-Rot unseres Testwagens stammt aus der bekannten Farbpalette von Škoda und wirkt im Vergleich zum exklusiven Grün recht angepasst und unaufgeregt. Die Farbe als Sinnbild für das Auto – aber wir greifen vor.
Dass auch Škoda, eigentlich bekannt für die praktischen Werte seiner Autos, eine Coupéversion des Enyaq auf den Markt bringt, ist nicht unbedingt naheliegend. Škoda-Designer Peter Olah fand aber eine passende Erklärung für die Existenz des SUV-Coupés. Früher hätte Škoda so etwas natürlich nie gemacht: den Nutzwert gegen Design einzutauschen. Aber mit dem Elektroantrieb sei eben der Luftwiderstand plötzlich auch Nutzwert geworden, weil er den Verbrauch verbessere. Der Trade-off sei jetzt also Ladevolumen gegen Reichweite. Im Falle des Enyaq sind es bloss 15 Liter Kofferraum, die gegen ganze 50 Kilometer Reichweite getauscht werden. Das rationalisiert die Entscheidung für das Coupé doch recht gut.
Die geschwungene Dachlinie hat also nicht nur dekorativen Wert, sondern auch praktischen. Die zum Marktstart verfügbare RS-Version hat auch noch einige optische Details zu bieten wie die markant ausgeformte Frontschürze mit den Air-Curtains, die die Luft aerodynamisch ideal um die Vorderräder leiten und damit auch den Luftwiderstand verringern. Dasselbe Ziel verfolgen die 21-Zoll-Felgen, die mit abnehmbaren Kunststoffraddeckeln versehen sind. Um das Ziel zu erreichen, gibt es serienmässig ein Panoramadach, das fast nahtlos in die Heckscheibe überläuft. Das Glas ist extra-dünn, auf ein Sonnenrollo verzichtet man gleich ganz und tönt stattdessen das gesamte Dachfenster. Damit ist die Kopffreiheit im Fond auch für erwachsene Menschen nahezu uneingeschränkt. Als Ersatz für das fehlende Rollo gibt es im Kofferraum eine faltbare Sonnenblende, die am Dach befestigt werden kann. Der Enyaq Coupé ist somit geräumiger, als er auf den ersten Blick scheint. Im Fond reisen auch drei Erwachsene angenehm, und bei heruntergeklappter Sitzbank fasst der Kofferraum bis zu 1610 Liter, bloss 100 Liter weniger als der herkömmliche Enyaq. Wir sind noch immer der Meinung, dass das Fach fürs Ladekabel unter dem Kofferraumboden keine ideale Lösung ist, aber es scheint sich bei Fahrzeugen ohne Frunk durchgesetzt zu haben.
Der RS ist in den Ausstattungsvarianten Lounge und Suite erhältlich. Klingt beides nicht sehr sportlich, gibt aber keinen Anlass zur Kritik. In der Lounge-Ausstattung ist Echtleder mit einem Wildlederimitat kombiniert, in der Suite-Variante sind Sitze und Armaturenbrett komplett lederbezogen. Abgesehen von wenigen Details wie den
Stickereien auf den anschmiegsamen Halbschalensitzen ist der Innenraum des RS identisch mit dem des gewöhnlichen Enyaq. Das Cockpit ist aufgeräumt und übersichtlicher gestaltet als beispielsweise im VW ID 4, obwohl die grundlegenden Komponenten die gleichen sind.
Einen Gang zurückschalten
Auch die Antriebskomponenten sind bekannt. Es ist die mit 220 kW (299 PS) bisher leistungsstärkste Motorisierung, die für die MEB-Plattform verfügbar ist. Der permanenterregte Synchronmotor an der Hinterachse wird ergänzt durch einen Asynchronmotor an der Vorderachse, der bei Bedarf zum Einsatz kommt. Für den RS hat Škoda die Höchstgeschwindigkeit von 160 auf 180 km/h gesteigert. Das sofort verfügbare Drehmoment von 460 Nm steht elektrotypisch sofort zur Verfügung. Die immens grossen Reifen – an der Vorderachse sind es 235/45 R21, an der Hinterachse 255/45 R21 – bringen das Antriebsmoment problemlos auf den Boden, sodass der Enyaq RS zügig losmarschiert. Die Werksangabe von 6.5 Sekunden für die Zeit von 0 bis 100 km/h konnte er im Test problemlos egalisieren. Auch Zwischensprints am Ortsausgang oder an der Autobahneinfahrt erledigt der RS locker. Alles einwandfrei, bloss: So richtig sportlich will sich das nicht anfühlen.
Serienmässig ist der Enyaq RS mit einem Sportfahrwerk ausgestattet, das ihn an der Vorderachse um 15 und an der Hinterachse um zehn Millimeter tiefer legt. Optional gibt es das Drive-Sport-Plus-Paket, das eine adaptive Fahrwerksregelung und die Auswahl der verschiedenen Fahrprofile beinhaltet. Die Federung ist dann im Sport-Modus relativ straff abgestimmt. Das Fahrwerk wirkt aber trotz adaptiver Dämpfer schnell überfordert mit den 2.2 Tonnen Leergewicht des Elektro-SUV. Trotz Tieferlegung und Batterie im Unterboden bleibt der Schwerpunkt weit über der Strasse, was sich zwangsläufig auf die Kurvendynamik niederschlägt. Der Allradantrieb bietet gute Traktion, und die breiten Reifen sorgen für eine ordentliche Seitenführung, sodass es viel braucht, bis das Fahrzeug tatsächlich ins Rutschen gerät. Aber das Wanken der Karosserie macht sich wenig angenehm bemerkbar. Immerhin bieten die voluminösen Sitze guten Seitenhalt. Schaltet man aber einen Gang zurück – bildlich gesprochen – und lässt sich vom RS-Emblem nicht zu Dummheiten verleiten, fährt sich der Enyaq RS äusserst sicher und auch bequem. Nur zu sehr fordern sollte man ihn nicht. Im Komfort-Modus wird das Fahrwerk weicher abgestimmt, und das Auto ist auf der Langstrecke äusserst angenehm zu fahren.
Langstrecke heisst in diesem Fall: bis zu 445 Kilometer. Von der 82-kWh-Batterie, der grössten, die derzeit für die MEB-Plattform verfügbar ist, sind 77 kWh nutzbar. Den WLTP-Verbrauch von 17.7 kWh/100 km konnte der Testwagen auf der AR-Normrunde leicht unterbieten. So beträgt die Reichweite im Mischverkehr gute 445 Kilometer, wird viel Autobahn gefahren, sind es natürlich entsprechend weniger. Im reinem Stadt- und Agglomerationsverkehr sind es knapp 515 Kilometer, die mit einer Batterieladung möglich sind. Wie alle Enyaq-Modelle lädt auch der RS über den Gleichstromanschluss mit maximal 150 kW und bringt damit die Batterie theoretisch in knapp 30 Minuten wieder auf 80 Prozent. In der Praxis erreicht der Enyaq die maximale Ladeleistung nur selten, und die Ladekurve fällt bereits ab einem Ladestand von rund 40 Prozent zunehmend ab.
Infotainmentsystem nicht überall besser
In unserem Testwagen war bereits die neue Softwareversion eingespielt, die den Umfang an Assistenzsystemen noch einmal erweitert. So beherrscht der Enyaq jetzt den selbständigen Spurwechsel auf der Autobahn. Wird bei aktiviertem Travel-Assist der Blinkerhebel betätigt, wartet das Auto eine Lücke im Verkehr ab und zieht anschliessend auf die Überholspur. Im Alltag schwächelt das System noch an Kinderkrankheiten und übergibt nicht selten mitten im Vorgang wieder an den Fahrer, aber die Grundlage für eine weitere Verbesserung und Auslieferung an die Fahrzeuge mittels Over-the-Air-Updates ist gelegt. Die neueste Generation des Infotainments ist übersichtlich gestaltet und auch schneller geworden, leidet aber immer noch an teilweise langen Ladezeiten, beispielsweise beim Starten des Systems. Die Bedienung von Heizung, Klimaanlage sowie Sitz- und Lenkradheizung über das verschachtelte Menü ist weiterhin nicht benutzerfreundlich, wobei die Sprachbedienung inzwischen in dieser Hinsicht recht zuverlässig funktioniert.
Für einen Basispreis von 61 650 Franken bietet der Škoda Enyaq Coupé RS ein attraktives Paket, das technologisch auf dem neuesten Stand ist, gerade auch im Vergleicht mit der konzerninternen Konkurrenz. Bloss sportlich, das ist er eher nicht. Aber muss das ein SUV wirklich sein?
Testergebnis
Gesamtnote 75/100
Antrieb
Der Allradantrieb des Škoda Enyaq RS mit 299 PS bietet eine ordentliche Beschleunigung und gute Traktion. Der Verbrauch ist tief, die Reichweite ordentlich – bloss das Schnellladen klappt nur begrenzt.
Fahrwerk
Das Leergewicht von 2.2 Tonnen macht sich zwangsläufig bemerkbar und kann bei sportlicher Farhweise auch von den adaptiven Dämpfern nur bedingt kaschiert werden. Im Alltag ist der Komfort ausgezeichnet.
Innenraum
Die elegante Dachlinie wirkt sich erstaunlicherweise kaum negativ auf das Platzangebot aus. Die Gestaltung des Cockpits ist klassischer als bei VW ID 4 und Co.
Sicherheit
Škoda hat die Palette an Assistenzsystemen noch einmal erweitert, sodass der Enyaq jetzt auch selber die Spur wechseln kann. Das Infotainment ist aber immer noch eine Ablenkung beim Fahren.
Budget
Zwischen dem Einstiegspreis von 61 650 Franken und unserem sehr gut ausgestatteten Testwagen für 67 550 Franken liegen nicht einmal zehn Prozent Aufpreis.
Fazit
Man sollte sich keine Illusionen machen: Wer ein wirklich sportliches Elektro-SUV sucht, ist beim Enyaq RS an der falschen Adresse. Für ein gut motorisiertes, komfortables und geräumiges Alltagsfahrzeug ist er aber ein ausgezeichnete Wahl.
Die technischen Daten und unsere Messwerte zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.