Es gibt noch Autos, die überraschen. Weil sich von Werten auf dem Papier zum Glück nicht immer darauf schliessen lässt, wie das Fahrgefühl dann effektiv ist. BMW will: Fahren mit Freude. Das Rezept dazu klingt mit Zutaten wie Minivan und Frontantrieb zumindest spannend. Umso erstaunlicher, dass die Kombination gelingt, gar etwas Pfeffer drin ist. Gen 2 bessert vielerorts nach, wo es ab 2014 beim ersten Van der Marke und zugleich dem ersten Modell mit Frontatrieb leicht haperte. Der Look ist schärfer, nicht mehr spiessig, die Haltung gedrungen. Der Innenraum ist moderner, natürlich, aber auch die Übersichtlichkeit ist bedeutend besser, weil die Rückspiegel etwas nach unten gewandert und die Dreiecksfenster grösser sind. Traktion ist meist da, durchdrehende Vorderräder sind nie ein Problem. Und die Federung, nun ja, die bleibt hart. Womit man in einem Van nur bedingt rechnet. Beim Neuen wird der sportliche Touch aber nicht mehr (nur) zulasten des Komforts erkauft. Der Active Tourer geht feinfühliger mit den Passagieren um, gleitet erwachsener über Bodenwellen. Man bekommt sogar ziemlich genau vermittelt, was unterhalb so abgeht, was für einen Minivan doch ziemlich aussergewöhnlich ist.
Vermutlich soll sich der 2er von der rar gesäten Konkurrenz abheben, wir denken an die B-Klasse von Mercedes. Der Erfolg gibt ihm Recht, mehr als 400 000 Stück setzte BMW in acht Jahren von ihm ab. In einem Segment, das mehr als einmal totgesagt wurde. Der Gran Tourer ist aufgrund mangelnder Nachfrage nicht mehr im Angebot, damit fällt auch die Option auf sieben Sitze weg.
Aktive Niere
So gesehen scheint es nur mehr als richtig, dass sich der 2er Active Tourer in einer Nische der Nische klar positioniert, fast schon im Geist vergangener Tage, als sportliche Minivans noch angesagt waren. Basis ist die 2014 für Front- und Allradantrieb entwickelte UKL2-Plattform, auf der Derivate wie der Mini Clubman JCW, der BMW 128ti oder der M235i Gran Coupé xDrive stehen. Eine gewisse Sympathie zur Dynamik steckt also bereits in den Genen des Active Tourer. Zudem war unser Testwagen mit dem M-Sportfahrwerk mit frequenzselektiver Dämpfung, einer Sportlenkung und einer Tieferlegung um 15 Millimeter ausgestattet.
Aber wir müssen das doch etwas relativieren. Die Zeiten von ultraspassigen Vans, auch wenn es jemals allerhöchstens eine Handvoll gab, sind vorbei, wir sprechen beim BMW von einer Familienkutsche mit hohem Schwerpunkt und Wohlstandsspeck auf den Hüften, vollgepackt gehts gegen zwei Tonnen. Daran ändert auch das bald erscheinende PHEV mit bis zu 326 PS nur bedingt etwas.
Unser Testwagen für 64 040 Franken war ein 223i, also mit dem Zweiliter-Motor mit 150 kW (204 PS) und 320 Nm, ohne Allradantrieb. Die Zeit für die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h wird mit 7.0 Sekunden angegeben, was wir bei unseren Messungen nicht ganz erreichten. Dennoch fühlt sich die Leistung subjektiv nach mehr an. Der Vierzylinder macht grundsätzlich einen soliden Eindruck. Das Drehmoment ist früh und über ein breites Band verfügbar, was dem Active Tourer viel Souveränität verleiht. Unterstützt wird der Verbrenner von einem 48-Volt-Mildhybridsystem. Der in das Automatikgetriebe integrierte E-Motor liefert 14 kW und vor allem 40 Nm quasi ab Stand. Mit steigender Drehzahl stellt sich gar ein spritziges Fahrerlebnis ein, weil der Twinscroll-Lader energisch auf jede Änderung der Gaspedalstellung reagiert und dabei die Luft deutlich hörbar ansaugt. Wird kaum Leistung gefordert, schliesst sich in den deutlich gewachsenen Nieren ein aktives, in zehn Stufen regulierbares Luftklappensystem. Damit sinkt der Luftwiderstandsbeiwert (cW) auf bis zu 0.26, was der Aerodynamik und letztlich dem Verbrauch zugutekommt. Auf unserer AR-Normrunde waren es gut 5.9 Liter pro 100 Kilometer, über die gesamte Testdauer gesehen 6.7 l/100 km.
Gebogener Bildschirm
Das Mildhybridsystem hilft allerdings nicht nur, den Verbrauch zu senken, es beansprucht mit seiner Batterie auch Platz im Kofferraum, einen höhenverstellbaren Ladeboden gibt es nicht. Das Volumen sinkt im Vergleich zum Vorgänger und den schwächeren, nicht hybridisierten Varianten um 55 auf 415 bis maximal 1405 Liter. Dafür lässt sich der Platz durch die grosse Öffnung und die Tatsache, dass sich die Rückbank im Verhältnis 40:20:40 abklappen, in verschiedenen Neigungswinkeln verstellen und in der Länge verschieben lässt, gut ausnützen. Eng geht es auch eine Reihe weiter vorne nicht zu und her, selbst für Sitzriesen bleibt im Fond genügend Raum. Mit genügend Ablagefächern und USB-Anschlüssen ist auch für längere Reisen vorgesorgt.
Wirklich spannend wird es erst zuvorderst, das durchaus hochwertig verarbeitete Cockpit hat einen riesigen Schritt in Richtung Zukunft gemacht. Das BMW-System gehört zum Besten, was Zuverlässigkeit und Vernetzungsgrad anbelangt. In Verbindung mit all den verbauten Sensoren wird beispielsweise beim Parkieren eine animierte 360-Grad-Ansicht angezeigt, oder es fliegen Pfeile über den Bildschirm, wenn die nächste Ausfahrt erreicht ist. Ist alles eingestellt, erleichtert die neue Technologie das Fahren ungemein. Trotzdem vermissen wir physische Knöpfe für die Klimabedienung und vor allem den Drehrücksteller extrem, denn der Funktionsumfang ist derart üppig, dass auch das Curved Display, die gebogene Einheit aus einem 10.25 Zoll grossen Fahrerdisplay und einem 10.7-Zoll-Infotainmentbildschirm, kaum noch reicht, um alles anzuzeigen. BMW erklärt, dass die Einheit im 2er nahe genug am Fahrer positioniert und der Drehrücksteller deshalb obsolet sei. In grösseren Modellen wie dem iX wird es demnach hoffentlich weiter beides geben. Und mit oder ohne iDrive: In der Übersicht mit all den verschiedenen Applikationen – es sind mittlerweile wirklich, wirklich viele – sind die Symbole derart klein, dass man sie während der Fahrt kaum auf Anhieb trifft. Das Hauptmenü wiederum, das mit frei konfigurierbaren Kacheln daherkommt, überzeugt mit einem guten Mix aus Übersichtlichkeit und Informationsgehalt. Am verständlichsten ist allerdings die Sprachbedienung, die unterschiedlichste Wünsche, auch komplexere, versteht. Einzig wenn das Geräuschlevel hoch ist,weil mehrere Passagiere mit an Bord sind, besteht etwas Nachbesserungsbedarf.
Überraschende Abstimmung
Und das wird dann doch hoffentlich des Öfteren der Fall sein. Schliesslich strotzt der Van vor Selbstbewusstsein und lockt mit grösseren Rädern und breiterer Spur. Die Dimensionen sind im Vergleich zum Vorgänger in allen Richtungen, wenn auch nur leicht, gewachsen, der Radstand hingegen bleibt unverändert bei 2670 Zentimetern.
Das reicht, um auch längere Reisen einigermassen angenehm unter die Räder zu nehmen. Trotz härterer Abstimmung gelingen auch Autobahnfahrten, weil der Geradeauslauf nun zu keinerlei Kritik mehr veranlasst. Dennoch: Hinter dem wohl dicksten Lenkrad im BMW-Portfolio wähnt man sich zuweilen in etwas anderem als in einem Active Tourer, der weder so richtig Active noch so richtig Tourer ist. Das Konzept funktioniert trotzdem, eben gerade weil es modern und etwas überraschend daherkommt.
Testergebnis
Gesamtnote 76.5/100
Antrieb
Die Fahrleistungen sind ansprechend, aber nicht überragend. Trotzdem fühlen sie sich nach mehr an, was am soliden Motor, dem hervorragenden Getriebe und dem Zusatzschub des 48-Volt-Hybridsystems liegt.
Fahrwerk
Man könnte das härtere M-Fahrwerk auch weglassen. Nur nähme man dem Van dann aber einen Teil davon, was ihn erfrischend anders macht.
Innenraum
Verarbeitung und Materialwahl können kaum beanstandet werden, vor allem, wenn etwas mehr Geld aufgewendet wird. Das System um die Bildschirmfront ist üppig, insgesamt aber gut umgesetzt. Einzig iDrive fehlt.
Sicherheit
Lenkung, Spurtreue und Bremsen sind allesamt gut, die Assistenten arbeiten zuverlässig – wenn sie denn mit an Bord sind.
Budget
Für den Testwagenpreis von 64 040 Franken war kein aktiver Spurhalteassistent dabei. Vollgepackt kostet der 2er über 70 000 Franken.
Fazit
Der Active Tourer ist ein Tausendsassa. Man kann ihn als bescheidenen 218i mit 136 PS ab 43 000 Franken haben, wie in unserem Fall mit dem M-Sportpaket überraschend sportlich unterwegs sein – auch Allradantrieb ist im Angebot – oder mit dem PHEV für verdutzte Blicke sorgen. Allen gemein ist die Bauform, die nicht mehr gross nachgefragt wird, aber nach wie vor viele Vorteile bietet. Die Art, wie BMW den Minivan positioniert, ist erfrischend und nach dem Vorgänger ein grosser Schritt nach vorn.
Die technischen Daten und unsere Messwerte zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.