Im Hier und Jetzt

Sichere Sache ohne Stromgedöns und Reichweitenangst oder ein Anachronismus für Ewiggestrige? Der Peugeot 308 SW mit Selbstzünder liefert Antworten.

Bis vor kurzer Zeit wäre er das Normalste der Welt gewesen: ein Kombi mit Dieselmotor. Doch als er zu seiner besten Arie ansetzen wollte, wurde der drehmomentstarke, sparsame und ausgereifte Selbstzünder im Auto von der Bühne geschubst. Man kann es drehen und wenden, wie man will: Die modernste Form des Dieselmotors hat einen enorm hohen Grad an Perfektion erreicht. Nur ist er eben nicht mehr schick, zukunftsorientiert und im Fokus all jener, die von der automobilen Zukunft sprechen. Die Gründe sind bekannt, das Image des russenden Ölbrenners hat der Selbstzünder nicht hinter sich lassen können. Und glauben, was auch immer, will zu diesem Thema kaum mehr jemand etwas.

Doch ist der Diesel tatsächlich ein Auslaufmodell? Tatsächlich ist ein Dieselauto in der Regel ein äusserst angenehmer Zeitgenosse. Und die bösen, alten Geister – Leistungsmangel, Startunwilligkeit bei Kälte, Lautstärke und reduzierte Laufkultur – sind alle gebannt. Besonders in Sochaux (F) hat man einen massgeblichen Beitrag dazu geleistet. Mit dem ersten kleinen Diesel in einem Personenwagen im 204 oder mit dem famosen XUD-Motor, wie er etwa im 205 selbst hierzulande die Käufer auf den Selbstzünder im Kleinwagen gebracht hat. Oder mit der Einführung des Russfilters mit Harnstoff-Einspritzung, einer Peugeot-Erfindung, erstmals im 607 von 1997 verbaut. Peugeot und der  Diesel, das ist eine alte Liaison. Zwar darf sich Mercedes brüsten, den ersten Diesel-PW kommerzialisiert zu haben, Peugeot aber war kaum später auf diesem Feld aktiv. Und der erste Serien-Dieselkombi der Geschichte? Natürlich, auch dieser stammt vom Löwen aus Sochaux, es ist der 403 Break von 1957. Der 308 SW GT Blue HDI 130 steht damit in einer langen Tradition, allerdings ist er damit im Peugeot-Modellprogramm nicht allein. Mit demselben Antrieb gibt es auch den grösseren Bruder 508 SW.

Eigenständiger Look

Als Vertreter des C-Segments zeigt der 308 SW viel eigenständigen Charakter. Die Wagenfront übernimmt die scharfe Zeichnung der Scheinwerfer wie beim grösseren 508, ja, sie wirkt noch eine Spur aggressiver. Unterstrichen wird dies durch den geradezu gigantischen Kühlergrill, die Zeiten feiner Stäbe und subtiler Gestaltungselemente sind selbst in dieser Wagenklasse – und besonders bei Peugeot – passé. Die deutlichen Ausbuchtungen der Radhäuser verleihen dem Wagen dazu sehr viel optische Bodenhaftung. Kurzum, der 308 zeigt eine Form, die gefällt, eine, die manchen Betrachter sogar für einen Peugeot positiv überrascht.

Punkto Platzangebot im Innenraum ist der Franzose guter Durchschnitt. Der Vorzug von Form gegenüber Raumangebot ist seit dem Wandel des klassischen, französischen Breaks der Grossfamilien, Händler und Handwerker hin zum Sportswagon (SW) für moderne Freizeitmenschen längst keine Frage mehr. Wer tatsächlich einen versatilen Innenraum für Mensch und Ladung sucht, wird heute beim Hochdachkombi landen. Der 308 SW bietet 608 Liter Ladevolumen bis unter die Fensterkante. Mit abgeklappter Rückbank bringt er es auf 1634 Liter. Das ist eine ganze Menge. Damit liegt der französische Break inmitten seiner Konkurrenz von Golf Variant bis zum Hyundai i30 Wagon. Für Fahrer und Beifahrer bietet der 308 dazu ein gutes Raumangebot, bei den Hinterbänklern gibt es gewisse Abstriche zu machen. Aber eben, wer mehr will, findet sein Glück beim grösseren 508.

Feintuning im Innenraum 

Keine Frage, auch der 308 SW nutzt die Peugeot-­Idee des i-Cockpits. An den Blick über das kleine Lenkrad auf die Instrumente gewöhnt man sich rasch. Erfreulich ist die Präsenz normaler Schalter respektive Schaltflächen für die wichtigsten Primärfunktionen. Dazu zählen wir beispielsweise die Klimatisierung oder so simple Dinge wie einen Drehknopf für die Verstellung der Radiolautstärke, gerade auch für die Beifahrerin oder den Beifahrer. Auf den lederbezogenen Fauteuils wie im Testwagen, hier mit Nappaleder bezogen, sitzt es sich ausgesprochen bequem. Die Vordersitze sind nach den AGR-­Richtlinien (Aktion Gesunder Rücken) gebaut und geformt. Die Stellantis-Tochter Opel, wo diese Richtlinie erstmals im Autobau Einzug gehalten hat, lässt herzlich grüssen. Komfortmerkmale gibt es im 308 SW in der Spitzenausstattung aber viele weitere, so gehört etwa auch ­eine elektrische Heckklappe zum Umfang. Leider neigte sie in unserem Testwagen dazu, nicht immer ganz zu schliessen, was eine Meldung provozierte und gelegentlich auch das Aussteigen und manuelle Zudrücken des Heckdeckels. Die Klimaanlage arbeitet dazu nicht ganz zugfrei, man ertappt sich öfter bei manuellen Eingriffen. Ansonsten leistet die verbaute Onboard-­Elektronik, das Infotainment-System, gute Arbeit. Besonders das Audiosystem von Focal ist mit seinem guten Klang sehr positiv aufgefallen – nicht wegen seiner Lautstärke, sondern wegen der guten Wiedergabe auch komplexer Tonerlebnisse. Allerdings sind auch im 308 SW die Zeiten des schnellen Einsteigens und Losfahrens vorbei, oder vielleicht andersherum gesagt: Beim Peugeot ist die Zeit womöglich noch nicht gekommen, in der sich wieder problemlos alle Funktionen erfassen und auf Anhieb bedienen lassen. In einem Fall ist das besonders ärgerlich, doch dazu später mehr.

Leistung ist relativ

Ganz unverblümt: Der Peugeot scheint mit seinen 130 PS aus dem vergleichsweise kleinen Dieselmotor von 1.5 Litern Hubraum nicht gerade grosszügig motorisiert. Dass dazu die Kraft auch noch durch einen Wandlerautomaten mit acht Gängen geleitet wird, verspricht zunächst wenig Gutes, zumindest auf dem Papier. Die Realität ist aber eine andere: Der Dieselmotor mit seiner Charakteristik sorgt für einen flüssigen, unangestrengten Fahrstil, der Automat mit seinem schier unendlichen Angebot an Zahnradpaarungen liefert stets passende Übersetzungen, um den Motor bei Laune zu halten und ordentlich voranzukommen. Dessen  Drehmoment von 300 Nm stemmt er dieseltypisch ab 1750 Umdrehungen, womit er tatsächlich in allen Lebenslagen mit anpackt. Dass dieser vergleichsweise kleine Diesel dazu auch ein Sparfuchs ist, verrät nach dem Volltanken jeweils die Reichweitenanzeige. Mehr als 1000 Kilometer werden da versprochen. Und tatsächlich ist diese eindrückliche Zahl nicht allzu weit hergeholt, wie auch unsere Gesamtbilanz mit einem Verbrauch von 5.9 Litern auf 100 Kilometer bestätigt.

Ebenso erfreulich: Der Motor verrichtet seine Arbeit ohne viel Aufhebens, er läuft über ein weites Drehzahlband ruhig im Hintergrund. Wirkliches Nageln dringt nur unter Volllast hörbar in den Innenraum. Das weitherum verwendete Getriebe von Aisin arbeitet dazu dezent und kaum spürbar. Die Gangwahl mittels Drive-by-Wire über einen kleinen Schalter auf der Mittelkonsole ist ausreichend präzise, der entsprechende Vor- oder Rückwärtsgang ist stets auf dem Punkt zur Stelle und damit eine Verbesserung im Vergleich zu früher getesteten Wagen mit derselben Kombination aus dem Stellantis-Portfolio.

Fahrwerkdetails

Unser Testwagen mit dem GT-Pack kommt sportlich daher, die 18 Zoll grossen Felgen mit dem kleinen Reifenquerschnitt sehen schnittig aus, der Abrollkomfort wird durch die knappe Gummiauflage zwischen Fahrwerk und Strasse – um es einmal so zu formulieren – wenig kompromittiert. Allerdings ist zu erwarten, dass der Anteil pragmatischer Vielfahrer beim Diesel um einiges höher liegen wird als jener der Sportfahrer mit einem Fokus auf gutes Aussehen. Und diese wählen vorzugsweise kleinere Felgen mit einem entsprechenden Gewinn an Reifenquerschnitt und damit Komfort. Wie beschrieben, steht der 308 SW auf der komfortablen Seite. Ein Wohltat ist auch seine Strassenlage als klassischer Kombi. Fast schon sportlich wirkt die tiefe Sitzposition. Nach vielen Kilometern im SUV wird der Unterschied umso deutlicher: Da wankt und schaukelt nichts, der Franzose umrundet Kurven unspektakulär, wirkt satt gesetzt und ist präzise mit der Lenkung auf der Strasse positionierbar. Das ist eher unvermutet, aber dieser Dieselkombi bietet tatsächlich eine gute Portion Fahrspass.

Technisch entspricht derweil das Fahrwerk dem, was bei den Stellantis-Marken Peugeot, Citroën, DS Automobiles, Opel und weiteren beziehungsweise der dafür verwendeten EMP-Plattform zum Standard gehört. Vorne gibt es Federbeine mit extra daran angelenkten Achsschenkeln – als Pseudo-MacPherson bezeichnet, weil damit das Federbein beim Lenken nicht mitzudrehen braucht –, hinten erhalten alle Modelle mit Frontantrieb eine Verbundlenkerachse. Damit liegt der 308 in jedem Fall auf der sicheren Seite. Selbst beim ungestümen Gasgeben sind keine Katastrophen zu befürchten, Kunststück bei der Leistung und in gewissem Mass eine Erinnerung an die Zeiten, als französische Autos notorisch mit tollen Fahrwerken von den relativ leistungsschwachen Motoren ausgebootet wurden. Einziger Wermutstropfen bleibt der Spurhalteassistent. Seine grösste Sorge scheint das Überfahren der Mittellinie zu sein. So zieht er das Auto beim geringsten Anzeichen zurück nach rechts, und zwar so heftig, dass schon mal eine Gegenkorrektur zurück zur Fahrbahnmitte nötig ist. Unglücklicherweise bedarf es eines Abstiegs in die Bedienungsmenüs, um das Unding auszuschalten.

Das ist aber Kritik auf hohem Niveau. Unter den vielen, zukunftsorientierten und gefeierten Neuheiten wirkt der Peugeot 308 SW Blue HDI wenig spektakulär. Er ist einfach Auto, leicht im Umgang, bescheiden in den Ansprüchen, wirklich hübsch und praktisch im Gebrauch. Zudem vermittelt der Peugeot eine solide Wertigkeit auch im Innenraum. Nichts ist lustlos oder wirkt mit dem Rotstift angelegt. Der 308 SW Blue HDI ist darum definitiv sein Geld wert. Auch in diesem Punkt nimmt er einen guten Platz zur Konkurrenz ein. In der Summe all dieser Eigenschaften ist der 308 SW ohne Frage zeitlos, sofern ihn dereinst nicht sinnlose Fahrverbote ausbremsen.

Testergebnis

Gesamtnote 77/100

Antrieb

Kraftvoller als erwartet, dafür kultiviert und sparsam – der Diesel überrascht und überzeugt im Peugeot 308.

Fahrwerk

Mit der gebotenen Leistung nie überfordert, sieht der GT zwar nach Sport aus, bietet aber guten Komfort ohne Abstriche und ein dynamisches Handling, ja gar echten Fahrspass.

Innenraum

Platz genug gibt es für Fahrer und Beifahrer, hinten ist es naturgemäss enger. Das Kofferraumvolumen liegt im Klassendurchschnitt. Die Materialien wirken hochwertig und ansprechend.

Sicherheit

Ein umfangreiches Assistenzpaket sorgt für Vertrauen, der Spurhalte­assistent aber nervt mit allzu heftigen Eingriffen.

Budget

Für die gebotene Leistung des Dieselmotors ist der 308 SW Blue HDI kein Sonderangebot, er sticht aber durch sein Design aus der Masse heraus und ist mitten im Konkurrenzumfeld eingepreist.

Fazit 

Ein Diesel macht immer noch Sinn, besonders dann, wenn lange Strecken und Unabhängigkeit ein Thema sind. Der Peugeot hat uns mit feinen Manieren und einer kaum zu übertreffenden Alltagstauglichkeit überrascht. Seine Sparsamkeit lässt den Dieselpreis verschmerzen.

Die technischen Daten und unsere Messwerte zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

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