Das Austauschkonzept der Hersteller bei defekten Dieselpumpen und Doppelkupplungsgetrieben war Bernward Limacher und Fredy Heinzler Ansporn, 2005 eine eigene Firma zu gründen, nachdem sie im Zuge der Restrukturierung bei Fiat ihre Position als Schulungsveranwortliche für die Markenbetriebe verloren hatten. Heute steht ihre Firma Autef in Reiden LU an vorderster Stelle, wenn es um die Diagnose und die Erarbeitung von Reparaturkonzepten für Elekrofahrzeuge geht. Autef selbst nimmt keine Reparaturen vor, sondern berät und schult Profis.
Wie wichtig der Praxisbezug ist, wird bei unserem Besuch in Reiden deutlich. Es gibt eine grosse Werkstatthalle mit reichlich Anschaungsmaterial. Bernward Limacher, der uns zusammen mit seinem heutigen Compagnon Markus Roth und seiner Mitarbeiterin Fabienne von Flüe empfängt, macht klar: «Schulungen müssen sich an der Praxis orientieren, Diagnosewege und Problemlösungen lassen sich mit konkreten Fällen am besten aufzeigen.» In der Werkstatt stehen ein Nissan Leaf und ein Toyota Prius. Zwei mögliche Schicksale erwarten sie, nachdem sie wie die meisten Fahrzeuge, die bei Autef landen, andernorts bereits abgeschrieben worden sind, da eine Reparatur finanziell nicht mehr lohnenswert erschien: Sie werden als Schulungsobjekte zu Teilespendern – oder sie erleben einen zweiten Frühling.
Den Dingen auf den Grund gehen
Egal ob ein Bauteil oder Gerät verschweisst oder vernietet ist, durch Öffnen, Anschliessen, Ausmessen oder Auslesen der Daten geht Autef einem Problem und seiner Ursache auf den Grund. Der Hintergrund für das Geschäftsmodell waren Beobachtungen im Garagengewerbe, wo die technische Entwicklung das Austauschen von Komponenten leichter macht als deren Reparatur. Schon 2009 sah Autef trotz vieler Fragen zur Elektromobilität und Digitalisierung des Autos gerade darin realistische Chancen für den kleinen, inhabergeführten Garagenbetrieb. Abseits von Standardprozessen hat ein freier Garagist eher Zeit für Analysen und – wichtig – eine Reparatur. Eine Rolle habe dabei auch die Euro-5-Norm gespielt, welche eine Offenlegung der Daten via On-Board-Diagnose (OBD) für jedes Testgerät zur Grundbedingung macht.
Fehler zu erkennen und Fehler zu beheben sind allerdings zwei paar Schuhe. Wie Bernward Limacher und Markus Roth erklären, gibt es in manchen Bereichen gravierende Unterschiede zwischen den Vorgaben des Herstellers und den effektiven Möglichkeiten, einen Fehler zu beheben. Markus Roth zeigt uns eine Steuereinheit eines VW-Direktschaltgetriebes: «Anderswo werden diese Getriebe repariert statt wie hierzulande ausgetauscht, etwa in Polen, wo es auch die nötigen Teile gibt. Das ist eine Chance für eine markenfreie Garage, dem Kunden eine preiswertere Reparatur anbieten zu können als der Markenvertreter.»
Inspiration in Übersee
Ein Lichtblick für Autef war eine Studienreise nach Worchester im US-Bundesstaat Massachusetts zum Hochvolt-Experten Craig Van Batenburg im Jahr 2015. «Der hat null Hemmungen, eine Batterie zu zerlegen. Seine Devise lautet:Wenn wir etwas reparieren, verstehen wir es auch. Das Recht auf Reparatur ist ihm heilig, da sind die Amerikaner erstaunlicherweise viel offener. Die Offenlegung von Diagnosedaten ist mit dem Interface nach SAE J2534 beispielsweise extra geregelt», schildert der Spezialist für Passthrough-Technologie, Markus Roth.
Für ihn gab es noch einen anderen Schlüsselmoment: «Die Augen wurden mir geöffnet, als ich bei der Amag einen defekten VW E-Golf sah. Er stand abgesperrt in der Werkstatt, niemand wollte das Auto anfassen. Die Schulung fokussierte mehr auf den Verkauf als auf die Technik. Vorstellungen über Elektroautos beruhen in den Köpfen eher auf einer Fantasiewelt als auf Wissenschaft oder Erfahrungen aus der Praxis.»
Hochvolt ganz entspannt
Zu wissen, wie etwas funktioniert, hilft, Defekte zu verstehen. «Wir haben einen Nissan Leaf durch das Ersetzen eines Teils für 5.40 Franken repariert, sinnigerweise tatsächlich im Hochvoltbereich dieses bei uns als hoffnungsloser Fall eingelieferten Wagens», bemerkt Limacher amüsiert. Doch es geht auch umgekehrt: «In einer Batterie reichen schon 50 Millivolt Spannungsunterschied zwischen den einzelnen Modulen für Störungen», erklärt der Fachmann vor der geöffneten Batterie eines chinesischen Maxus-Lieferwagens. Am Motor des Fahrzeugs schraubt Limacher einen Deckel auf und zeigt auf einen winzigen, integrierten Schaltkreis. Dieser hatte sich bei der Messung als defekt erwiesen. Er wurde aus der Platine herausgelötet und durch einen neuen Schaltkreis ersetzt. Der Materialaufwand betrug 45 Rappen, die Kosten für den Arbeitsaufwand waren allerdings erheblich höher. Dennoch erklärt Limacher, dass es der Hersteller selber gewesen sei, der statt zum Austausch der ganzen Einheit zur Kontrolle der Platine geraten habe. Diese gesammelten Erfahrungen gibt Autef etwa im Lehrgang «Hochvolt entspannt» in fünf Kurstagen interessierten Mechanikern weiter.
Auch Tanks eines Hyundai iX35 Fuel Cell stehen in der Werkstatt. Die dickwandigen Behälter sind leer, ein Gasmessgerät überwacht den Wasserstoffgehalt der Luft. In einem Schulungsraum begegnen wir der ausgebauten Brennstoffzelle samt Hilfsbatterie und Antriebseinheit. «Wenn wir diese Teile den uns oft sehr günstig angebotenen Autos entnehmen, ist es kein Problem, den Rest einem Abbrüchler zu verkaufen, manchmal gibt noch Geld dafür», bemerkt Bernward Limacher beiläufig und ergänzt: «Der Support für das bald zehnjährige Auto wird eingestellt.» Für Autef ist es ein perfektes Studienobjekt. Auch hier wird deutlich, dass man in Reiden nicht da aufhören will, wo gemäss den Herstellervorgaben die Grenze liegt. Sind die Schulungsspezialisten darum verantwortungslos? Kaum, denn auch bei Bergungsunternehmen, der Feuerwehr, der Polizei, aber auch bei Versicherungen ist ihr Fachwissen gefragt. Selbst der Leitfaden des Bundesamts für Strassen zum Bergen von Elektrofahrzeugen wurde mit Hilfe von Autef erstellt.
Die Suche nach Lösungen abseits üblicher Denkschemata bleibt aber zentral. Etwas spitzbübisch zeigt Bernward Limacher auf einen E-Motor von Hyundai und verweist auf die Unsitte unbegründbarer, proprietärer Lösungen der Autoindustrie. In diesem Fall sind es Motorlager, deren Aussenbreite von denen der Normlager um einen Millimeter abweicht: «Die Antwort des Lieferanten war so einfach wie sinnig: Wir sollten es mit einer Distanzscheibe zwischen Gehäuse und Norm-
lager versuchen. Das hat geklappt und hält anstandslos», erzählt Bernward Limacher schmunzelnd.
Partner mit Garagenkonzept
Die Hostettler Group in Sursee LU ist ein wichtiger Partner des Schulungsspezialisten aus Reiden. Mit dem Garagenkonzept E-Garage besitzt der Ersatzteilespezialist ein Netzwerk von mehr als 120 freien Garagen. Die Weiterbildung der Mitarbeiter übernimmt Autef. Neben modernen Antriebstechnologien verstehen sich die Spezialisten auch auf Verbrennungsmotoren. Doch die Haltung bleibt dieselbe: Man steht für den freien Zugang zu allen Daten, sucht auch jenseits von Herstellervorgaben nach Lösungen und behält sich vor, scheinbar irreparable Komponenten genauer unter die Lupe zu nehmen und nach Reparaturmöglichkeiten zu suchen. Das Ziel ist es, einen nachhaltigeren Umgang mit Ressourcen zu finden und gleichzeitig ein sinnvolles Geschäftsmodell weiterzuentwickeln.