Ein grosser Schritt

Mit dem neuen NX macht Lexus einen grossen Schritt nach vorne. Das beginnt bei den Antrieben und zieht sich durch bis zum Premiumanspruch.

Lexus hat den NX überarbeitet. Und zwar nicht nur ein klein wenig, sondern: so richtig. Nach sieben Jahren in Produktion geht das Kompakt-SUV von Toyotas Oberklassemarke in die zweite Generation. Die Veränderungen zeigen sich auf den ersten Blick. Nicht nur der ohnehin schon monströse Kühlergrill ist gewachsen, sondern das ganze Auto. 20 Millimeter länger als der Vorgänger ist der neue NX und ebenso viel breiter. Der Radstand wuchs um 30 Millimeter, was kürzere Überhänge zur Folge hat. Der NX legt so das Bild des Kompakt-SUV ab und wirkt deutlich erwachsener als die erste Generation. Auch etwas schwerer ist er geworden, was aber bei unserem Testwagen einen ganz besonderen Grund hat: die 18.1 kWh grosse Batterie. Dazu kommt der Allradantrieb, der wie heute üblich kein echter Allradantrieb mit Kardanwelle ist, sondern ein zusätzlicher Elektromotor auf der Hinterachse. Dieser fügt auch noch etwas Gewicht hinzu, sodass der NX 450h+ leer rund 1.9 Tonnen auf die Waage bringt.

Eigenwilliger Weg

Zuerst gleich zur grössten Veränderung, und die ist weder der Antrieb, noch sind es die Dimensionen. Es ist die gesteigerte Qualitätsanmutung des kompakten Japaners. Wie alle Oberklassenmarken von Massenherstellern tut sich auch Lexus schwer, sich gegen die europäischen Premiumhersteller zu behaupten. Doch die Zeiten, als man zwangsläufig an Toyota erinnert wurde, wenn man am Lenkrad eines Lexus sass, sind vorbei. Die Materialien sind alle sorgfältig ausgewählt, das Leder an den Sitzen hochwertig, wenn auch in der hellen Ausführung in unserem Testwagen etwas sehr heikel gegenüber abfärbenden Jeans. Da sei ein dunkles Leder empfohlen. Beziehungsweise: das dunkle Leder. Denn an Farben stehen nur Haselnuss, Crème, Dark Rosé und – eben – Schwarz zur Auswahl. Hier zeigt sich der Unterschied zu den Deutschen, wo für ein vergleichbares Fahrzeug mindestens 17 Farbkombinationen im Angebot stünden. Ist das ein Nachteil für den Japaner? Wir finden: Nein. In allen Varianten gibt es offenporiges Holz und Oberflächen in Klavierlack, die zwar Fingerabdruckmagnete sind, sonst aber keinen Anlass zu Kritik geben. Die Verarbeitung ist einwandfrei, keine Geräusche beim Fahren, kein Knarzen der Kunststoffverkleidungen.

Auch bei der Bedienung geht Lexus mit dem NX einen etwas eigenwilligen Weg. Und damit meinen wir nicht nur die Türen, die sich von aussen und innen auf Knopfdruck öffnen (sie seien von den japanischen Papierschiebewänden inspiriert, meint Lexus). Dazu gehören auch die Knöpfe am Lenkrad, die eigentlich kleine Touchpads sind. Deren Funktionen lassen sich frei programmieren, jeweils zweimal vier virtuelle Knöpfe. Jedesmal, wenn der Daumen auf das Touchpad gelegt wird, erscheint die Tastenbelegung im Head-up-Display. Darüber, ob diese Lösung wirklich das Gelbe von Ei ist, sind wir uns auch uneinig. Während sich die eine Hälfte der Tester gestört fühlte vom ständigen Aufpoppen von Meldungen im Head-up-Display, schätzte die andere Hälfte die Möglichkeiten der Multifunktionstasten. Auf jeden Fall sind sie gewöhnungsbedürftig. Eine konventionelle Bedienung gibt es weiterhin für Temperatur und Lautstärke, diese Drehregler sitzen direkt unter dem zentralen Infotainment. Dieses ist serienmässig mit einem 9.8-Zoll-Bildschirm ausgestattet, optional mit einem 14-Zoll-Bildschirm. Begrüssenswert ist, dass Lexus sich vom veralteten Toyota-System verabschiedet hat und auf ein neues, leicht zu bedienendes und klar strukturiertes System setzt. Probleme machte in unserem Testwagen einzig die Sprachausgabe des Navis, die konsequent französisch mit uns plauderte und sich nur widerwillig stumm schalten liess – bei jedem Fahrzeugstart war sie wieder aktiviert. Hier bleibt zu hoffen, dass Lexus diesen Mangel in Bälde mit ­einem Update behebt. Oder dass das Problem nicht hinter, sondern vor dem Bildschirm sitzt – in Form unfähiger Anwender.

Ansonsten funktioniert die Technologie anstandslos. Die Palette der Assistenzsysteme wurde erweitert, neu steht neben dem adaptiven Tempomaten mit Geschwindigkeitserkennung auch eine GPS-Unterstützung bereit. So passt das System vor Kurven oder Kreuzungen selbständig die Geschwindigkeit dem Strassenverlauf an. Die Sicherheitssysteme umfassen Fussgängererkennung und Gegenverkehrswarnung beim Linksabbiegen. Im näheren Umfeld sorgt die 360-Grad-Kamera für Sicherheit.

Nur noch Hybrid

Unter der Haube des NX arbeiten in der zweiten Generation nur noch Hybridantriebe. So gibt es einmal den NX350h mit Vollhybridantrieb. Bei diesem unterstützt eine 134 kW (182 PS) starke Elektromaschine den 140 kW (190 PS) starken 2.5-Liter-Benziner. Insgesamt bringt der Hybridantrieb bis zu 179 kW (244 PS) auf die Räder. Optional ist ein elektrischer Allradantrieb erhältlich. Das Topmodell ist der von uns getestete NX 450h+ mit Plug-in-Hybrid und serienmässigem, permanentem Allradantrieb. Die 18.1 kWh grosse Lithium-­Ionen-Batterie sitzt dabei schwerpunktideal im Unterboden des Fahrzeugs. Bei diesem arbeitet der gleiche 182-kW-Elektromotor mit dem 2.5-Liter-­Vierzylinder mit 136 kW (185 PS) zusammen. Die 227 kW (309 PS) Systemleistung klingen dabei nicht nur auf dem Papier beeindruckend, sie fahren sich auch so. 

Dazu ist es allerdings nötig, das Fahrzeug in den Sport-Modus zu versetzen. Auch im Normal-­Modus arbeiten beim Kick-down die beiden Antriebe zusammen, allerdings eher zurückhaltend, sodass die Beschleunig keine Begeisterungsstürme auslöst. Im Sport-Modus und mit dem handlichen Wählhebel in S-Stellung sieht es schon ganz anders aus: 6.3 Sekunden gibt Lexus für den Sprint aus dem Stand auf Tempo 100 an, 6.4 Sekunden zeigte unsere eigene Stoppuhr. Das lässt sich durchaus als sportlich bezeichnen. Die beiden Aggregate arbeiten zusammen, und auch der Verbrennungsmotor dreht beim Beschleunigen mit hoch, sodass kein übermässig starker Gummibandeffekt einsetzt. Bis zu einem Tempo von 135 km/h ist ein rein elektrisches Fahren möglich, unter Last wird jedoch auch dann der Verbrennungsmotor zur Erreichung der Maximalleistung hinzugeschaltet. Um solche Eskapaden stets möglich zu machen, fährt der NX seine Hybridbatterie nie komplett leer, sondern behält stets noch rund 15 Prozent Ladestand. Mit einer Batterieladung verspricht Lexus eine Reichweite von 69 Kilometern. Dies zeigte sich als etwas zu optimistische Schätzung, wie üblich für einen Plug-in-Hybrid fährt der Lexus NX rund 50 Kilometer rein elektrisch, bevor entweder der Verbrenner hinzugeschaltet wird oder das Auto an eine Steckdose muss. Schnellladen ist dabei übrigens kein Thema, maximal 6.6 kW lässt der Onboard-Charger durch.

Effiziente Antriebe

Die Zusammenarbeit der beiden Antriebe lässt sich am treffendsten als effizient beschreiben. Das schlägt sich direkt im Verbrauch nieder, der auf der AR-Normrunde knapp unter drei Litern pro 100 Kilometer blieb. Einen ausgeklügelten oder planbaren Hold-Modus gibt es nicht im Lexus. Auch kommunizieren Navi und Batteriemanagement nicht miteinander, sodass das Auto nicht selbständig einen Teil der Batterieladung für die spätere Fahrt in der Stadt aufsparen kann, wo ein rein elektrisches Vorwärtskommen erwünscht wäre. Die Konkurrenz macht das heute teilweise deutlich besser. Was der NX kann: Auf Knopfdruck umschalten zwischen rein elektrischem Betrieb, Hybridbetrieb und Laden der Hochvoltbatterie. Fällt die elektrische Unterstützung weg, steigt der Verbrauch auf der Langstrecke auf durchschnittlich acht Liter pro 100 Kilometer.

Die gute Geräuschdämmung sorgt auch auf der Autobahn für entspannte Ruhe im Inneren – solange sich der Verbrennungsmotor nicht zuschaltet. Dieser arbeitet in bekannter CVT-Manier mehrheitlich losgelöst von der Fahrzeuggeschwindigkeit, sodass die Drehzahl bisweilen hoch ist und die Geräuschkulisse entsprechend laut, auch bei konstanter, entspannter Autobahnfahrt. Solange aber beide Herzen gemeinsam arbeiten können, herrscht eine angenehme Stille im Innern des Fahrzeugs. Auch das ist ein grosser Schritt im Vergleich zum Vorgänger, bei dem der bodenständige Toyota-Einfluss eben noch klar zu erkennen war. Der Gedanke des komfortablen Reisens ist klar spürbar, und auch das Fahrwerk ist nicht besonders straff abgestimmt. Wer keine sportlichen Ambitionen hegt, wird mit dem Lexus NX äusserst zufrieden sein.

Noch einige Worte zum Platzangebot: Aussen ist das Kompakt-SUV deutlich grösser geworden und dem C-Segment eigentlich entwachsen. Im Innenraum schlägt sich das aber nur bedingt nieder. Es ist nicht beengt, aber doch gemütlich. Auf den Rücksitzen sind Kinder gut aufgehoben, auf kürzeren Strecken haben auch Erwachsene keinen Grund zu klagen. Der Kofferraum fasst ordentliche 545 Liter, mit umgelegter Rückbank sind es bis zu 1436 Liter.

Der Premiumanspruch von Lexus schlägt in Teilen auch auf den Preis durch. Die Basisversion des NX gibt es ab knapp 50 000 Franken, was ein mehr als fairer Preis ist. Wer etwas mehr möchte, beispielsweise einen Plug-in-Hybrid, den stärkeren Motor und Allradantrieb, bringt es locker auf über 87 000 Franken. Positiv dabei: Die Optionsliste hält sich sehr kurz, und bereits die Basisversion beinhaltet eine umfangreiche Ausstattung mit hübschem Leder und vielen Assistenzsystemen.

Testergebnis

Gesamtnote 78.5/100

Antrieb

Der 2.5-Liter-Benziner und der Elektroantrieb arbeiten im Lexus NX 450h+ effizient zusammen. Mit 309 PS ist er sportlich unterwegs, bei geladener Batterie auch sehr sparsam. Einzig die Geräuschkulisse kann bisweilen stören.

Fahrwerk

Ausgelegt für komfortbales Reisen, eignet sich das weich abgestimmte Fahrwerk des NX vor allem für lange Fahrten.

Innenraum

Dem Premiumanspruch werden die hochwertigen Materialien und die saubere Verarbeitung gerecht. Das Bedienkonzept mit den Touchpads am Lenkrad ist Gewöhnungssache.

Sicherheit

Eine breite Palette an Assistenzsystemen sorgt für sichere Fahrt. Dazu gehören auch der Abbiegeassistent und die Fussgängererkennung. Eine Nachtsichtkamera gibt es nicht.

Budget

Mit einem Basispreis von unter 50 000 Franken und einer übersichtlichen Aufpreisliste kratzt der NX am Premiumsegment. Unser Testwagen kostet rund 86 000 Franken.

Fazit 

Der NX hat mit der zweiten Generation einen grossen Sprung nach vorne – beziehungsweise nach oben – gemacht. Lexus will Oberklasse sein, und das kompakte SUV wird diesem Anspruch gerecht. Einzig der Antrieb dürfte noch etwas mehr premium sein.

Die technischen Daten und unsere Messwerte zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

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