Auffälliger Giftzwerg

Der Hyundai Kona N sieht böse aus, hört sich böse an und fährt sich auch genauso. Ein Driftkönig ist der ­Giftzwerg dennoch nicht. Dazu fehlt im etwas ­Entscheidendes.

Die SUV sind die grossen Stars bei Hyun­dai: Schaut man die Schweizer Verkaufszahlen an, so liegt der Tucson auf Platz eins mit 2442 verkauften Exemplaren im Jahr 2021. Platz zwei belegt der Kona mit 1933 Neuzulassungen, und dann erst folgen, weit abgeschlagen, i20 und i30 mit je 930 verkauften Fahrzeugen. Es macht also durchaus Sinn, dass Hyundai auf SUV setzt und auch die Modellpalette des Kona ausbaut. Einen Benziner gibt es bereits, eine Hybrid- und eine Elektroversion auch. Vom Diesel haben sich die Koreaner in diesem Segment grösstenteils verabschiedet. Was also tun, um die Leitkuh noch etwas mehr zu melken? Die Antwort ist: der Kona N. Damit kann Hyundai auch die erfolgreiche N-Reihe um ein weiteres Modell ergänzen. Eine Win-win-Situation – sofern der Kona N denn auch ein echter N ist. Nur zu oft sind SUV mit solchen N- oder R- oder S-Badges nicht viel mehr als geschicktes Marketing. Nicht so der Kona N. Bei ihm wurde ganz offensichtlich auch die Entwicklungsabteilung miteinbezogen.

Während für den Antrieb auch im Kona N wie im i30 N der bekannte Theta-2-Motor und ein Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe zum Einsatz kommen, war fahrwerksseitig einiges mehr an Individualisierung nötig. So wurde die Karosserie an allen relevanten Stellen verstärkt, um das erwünscht harte Fahrgefühl zu erreichen. Unter anderem sind die Domlager und die Motor- und Getriebeaufhängung verstärkt ausgeführt. Dazu gibt es geschmiedete 19-Zoll-Leichtmetallfelgen, Sportsitze und einen Sportauspuff. Klingt alles wie aus einem Tuning-Magazin? Auf jeden Fall gibt es keinen Grund mehr für die abfällige Bemerkung aus dem Film «The Fast and the Furious – Tokyo Drift»: «Denkst du, ich lass dich in einem Hyundai herumgurken?» Das ist jetzt 16 Jahre her, in der Zwischenzeit sind sieben weitere Teile der Fast- and-Furious-Reihe erschienen, und Hyundai hat sich zu einer ernstzunehmenden Marke entwickelt. Dass von herumgurken keine Rede mehr sein kann, weiss man spätestens, seit die Koreaner 2017 mit dem i30 N die Reihe der gestandenen Hot Hatches aufgemischt haben.

Viel Vorwärtsdrang

Dafür, dass es beim Viertelmeilenrennen auf dem Dragstrip – oder halt beim Ampelstart – ordentlich vorwärts geht, sorgt ein Zweiliter-Turbobenziner. Es ist der gleiche wie im i30 N, er leistet ebenfalls 206 kW (280 PS) und liefert ein maximales Drehmoment von 392 Nm. Damit beschleunigt der Kona N offiziell in 5.5 Sekunden auf Tempo 100, im Test bei kalten Temperaturen und auf Winterreifen waren es immer noch gute 5.8 Sekunden. Damit schlägt er seine Konkurrenten wie Ford Puma ST und VW T-Roc R klar. Und trotzdem fehlt es ihm etwas an Reaktionsschnelligkeit, jeder Tritt aufs Pedal wird gefolgt von einem kleinen Augenblick des Nichtstuns, bis der Turbolader auf Drehzahl ist. Hyundai hat sich da aber etwas Nettes einfallen lassen, damit das Fast-and-Furious-Gefühl nicht verloren geht: den N-Grin-Shift-Knopf auf dem Lenkrad. Damit wird während 20 Sekunden die Leistung angehoben und das Schaltverhalten des Achtgang-Doppelkupplungsgetriebes angepasst, sodass die Gangwechsel noch etwas schneller und härter erfolgen. Gerade bei kurzen Zwischenspurts und beim Überholen macht sich die Mehrleistung bemerkbar. Fast ein bisschen wie die Lachgaseinspritzung in «The Fast and the Furious». Dazu passen auch die maschinengewehrartigen Salven aus dem Auspuff beim Schalten und Schliessen der Drosselklappe – man mag sie oder eben halt nicht.

Erstaunlich schwer tut sich der Kona N dabei, Traktion aufzubauen. Das beginnt bereits bei der Launch-Control, die nicht wie bei der Konkurrenz einfach über Gas und Bremse aktiviert wird, sondern mühsam im Infotainment. Gameification nennt Hyundai das, alles soll einem Videospiel gleichen. Der Antrieb erfolgt ausschliesslich über die Vorderachse, eine Version mit Allradantrieb gibt es nicht. Nicht selten sind die Reifen damit überfordert, die Kraft zu übertragen – wobei die Winterreifen auf unserem Testwagen natürlich auch nicht geholfen haben. Mit den eigens für den Kona N entwickelten Michelin-Pneus wäre dieses Problem sicher weniger prominent. Das elektronisch geregelte Sperrdifferenzial greift offensiv ein und führt dazu, dass die Vorderachse unter Last auf weniger ebenen Strassen nervös nach den Seiten zieht, anstatt sauber in Laufrichtung weiterzugehen. Auf kurvigen Strässchen braucht dieses Auto somit besondere Konzentration, um es schön in der Spur zu halten. Auch wer am Kurvenausgang zu beherzt aufs Gaspedal tritt, muss seine Sinne beisammen haben: Die Kombination aus Sperrdifferenzial, Winterreifen und hartem Fahrwerk sorgt für klares Untersteuern. So wird es auf jeden Fall nicht langweilig am Lenkrad, schliesslich muss dauernd hart gearbeitet werden.

Hart abgestimmt

Das Attribut hart trifft auch auf die Aufhängung zu. Für den N haben die Entwickler von Hyundai nicht nur die Aufhängung des Kona verstärkt, sondern auch härtere Federn verbaut. Bereits im Normal-Modus für den Alltag ist das Fahrwerk des Kona N sehr straff ausgelegt, die Federn absorbieren nur wenige Schläge. Langstreckenkomfort geht definitiv anders, eine etwas breitere Spreizung zwischen den verschiedenen Fahrmodi wäre der Vielseitigkeit des Autos nicht abträglich. Der Kona N ist – wie der i30 N auch – fahrwerksmässig eine Rennmaschine. Wem dieses Nervöse, stets Fordernde gefällt, für den ist das perfekt. Absurderweise führt diese Art der Fahrwerksabstimmung aber dazu, dass auch in sportlichen Situationen der Sport-Modus nicht die beste Wahl ist, weil durch das Springen des Fahrzeugs einiges an Bodenhaftung verloren geht. Die Lenkung ist bereits im Normal-Modus sehr direkt und nicht zu leichtgängig, wobei sich die Härte etwas gar synthetisch anfühlt. Noch etwas härter und direkter wird es im Sport- und N-Modus. Bezeichnenderweise verzichtete die N-Abteilung von Hyundai darauf, dem Kona einen Komfort-Modus zu verpassen, obwohl diverse Wählschalter für Fahrmodi vorhanden wären: Zusätzlich zu den beiden N-Knöpfen und dem NGS-Satellitenknopf am Lenkrad, die man schon aus dem i30N kennt, erhält der Kona N noch den Drehschalter auf der Mittelkonsole. Auf die Knöpfe am Lenkrad können individuell programmierte Fahrzeug-Setups gelegt werden, die sozusagen on the fly umgeschaltet werden können, ohne dass die Hände das Lenkrad loslassen müssen. Da hat sich Hyundai zweifellos bei den M-Knöpfen von BMW Inspiration geholt.

Mit dem Drehschalter auf der Mittelkonsole werden die Offroad-Modi gewählt: Sand, Schnee, Kies. Doch diese bleiben im Kona N wohl meist ungenutzt, das Fahrzeug ist offensichtlich nicht für fast and furious Rallycross gebaut, wovon der Verzicht auf Allradantrieb zeugt. Das ist insofern schade, als dass ein Allradantrieb hätte mithelfen können, die Traktionsprobleme an der Vorderachse zu vermindern und für ein ausgewogeneres Fahrverhalten zu sorgen. Oder den Kona N zu ­einem noch fahraktiveren Giftzwerg hätte machen können, der gerne auch mal quer kommt. So bleibt fürs Driften – auf abgesperrtem Gelände natürlich – nur die Methode mit dem Vorschlaghammer beziehungsweise mit der Handbremse. Dafür gibt es im Kona N noch einen echten Handbremshebel anstelle der elektrischen Parkbremse. Der Verzicht auf eine angetriebene Hinterachse schlägt sich auch im Verbrauch nieder: 6.3 l/100 km waren es auf der AR-Normrunde. Hyundai verzichtet im Kona N noch auf jegliche Elektrifizierung, nicht einmal einen Mildhybrid gibt es. Und wie der Test beweist, geht es auch ohne ganz gut. Im Konkurrenzvergleich muss sich der Koreaner auf jeden Fall nicht verstecken.

Wenn die harte Fahrwerksabstimmung dem Langstreckenkomfort abträglich ist, so wird zumindest ein Teil davon durch den – wie von Hyundai gewohnt – hohen Ausstattungsstandard des Kona N kompensiert. Sogar Sportsitze aus Leder und Alcantara kommen serienmässig mit Sitzheizung und Belüftung, sind elektrisch verstellbar inklusive Lordosestütze. Für die beiden äusseren Rücksitze gibt es bloss eine Sitzheizung. Abgesehen von den Sitzen besteht der Innenraum fast ausschliesslich aus Plastik, teilweise hart und weder angenehm anzufassen noch hochwertig. Das ist allerdings im Segment der kleinen SUV keine Seltenheit, der Kona N bewegt sich durchaus auf Augenhöhe mit der Konkurrenz. Aber noch etwas mehr Alcantara hier und dort hätte die sportliche Atmosphäre auf ein neues Niveau heben können. So bleibt es bei den diversen N-Logos auf den Sitzen, am Lenkrad und auf dem Schaltknauf. Für die Bedienung setzt der Kona noch auf viele echte Knöpfe, die auf der Mittelkonsole verteilt sind. Im 10.25-Zoll-Infotainment spiegelt sich der verspielte Ansatz wieder. So lassen sich in der N-spezifischen Anzeige diverse Angaben wie beispielsweise die Rundenzeit, der Bremsdruck oder auch ein Streckenplan ablesen. Das System kommuniziert ausserdem (kabelgebunden) mit Apple Carplay und Android Auto. Vor dem Fahrer sitzt das ebenfalls 10.3 Zoll grosse Kombiinstrument, dessen rechteckige Form sich nicht gerade elegant ins Gesamtbild des Cockpits einfügt.

Typisch kurz und bündig fällt die Preisliste des Hyundai Kona N aus. Der Basispreis beträgt 44 490 Franken. Dazu kommen einige Extras sowie das Ausstattungspaket N Lux, sodass das Auto am Schluss bei 48 990 Franken zu liegen kommt. In so einem Hyundai liesse Han vielleicht Sean auch in «Tokyo Drift» herumgurken. Wenn er bloss Hinterradantrieb hätte.

Testergebnis

Gesamtnote 81/100

Antrieb

Dank 280 PS kommt beim Hyundai Kona N der Fahrspass nicht zu kurz. Das Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe haut die Gänge reaktionsschnell rein. Nur den Allradantrieb vermisst man gelegentlich …

Fahrwerk

Hart, härter, Kona N: Das Farhwerk ist sehr straff abgestimmt und nicht für die Langstrecke geeignet. Auch sonst verlangt das Auto dem Fahrer einiges ab.

Innenraum

Keine Überraschungen: Die Sportsitze sind mit Leder und Alcantara bezogen, ansonsten gibt es den bekannten (Hart-)Plastik. Sitzheizung und -belüftung gehören zum Programm.

Sicherheit

Der Spurassistent arbeitet etwas gar nervös, ansonsten überzeugt aber die Vielzahl an gut funktionierenden Assistenzsystemen.

Budget

Mit einem Preis von zwischen knapp 45 000 und 50 000 Franken bewegt sich der Kona N im Mittelfeld seines Segments.

Fazit 

Ein SUV mit eingeschränktem Alltagsnutzen. Man fragt sich bisweilen, ob das Konzept des Kona N wirklich Sinn macht. Aber das Auto ist nun einmal da und ein Bedürfnis vielleicht auch. Seine Aufgabe als Sport-SUV erledigt das schnelle und harte Kompakt-SUV (fast) einwandfrei.

Die technischen Daten und unsere Messwerte zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

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