Überarbeitung der Spitze

Die Alpine-A110-Palette wird durch eine GT-Version erweitert, die sich zwischen der Basis und dem Spitzenmodell S positioniert. Letzteres wird nebenbei auch noch verschärft.

Sie ist einer der Letzten ihrer Art. Seit dem Verschwinden des Alfa Romeo 4C und der Lotus Elise und Exige ist die Alpine A110 einer der letzten Vertreter jener Art von Autos, die von Puristen vergöttert werden – die leichten, nicht zu teuren Mittelmotorsportwagen. Die Erschwinglichkeit ist ein zentrales Merkmal ihrer Beliebtheit, denn sie machen den Traum von hohen Leistungen für viele Menschen ein wenig greifbarer. Die Alpine A110 wird ab 64 750 Franken verkauft und ist bei Weitem kein günstiges Auto, dennoch bleibt sie erschwinglicher als ihr nächster Rivale, der Porsche Cayman (ab 72 100 Fr.).

Die deutsche Variante ist der Alpine zwar in preislicher Hinsicht ähnlich, verfügt aber nicht über das nötige Format: Mit einem Gewicht von 1100 Kilogramm in der Basisversion ist die A110 265 Kilogramm leichter als das Coupé aus Zuffenhausen. Seit der jüngsten Überarbeitung der Palette bringt der 1.8-Liter-Turbomotor der Französin maximal 300 PS, also acht mehr als zuvor. Die Ingenieure von Alpine erklären uns, dass eine Neukalibrierung des Motors das Erreichen dieser runden Zahl ermöglichte – «eine symbolische und psychologische Schwelle», wie man uns sagt. Tatsächlich haben sich die angegebenen Leistungen mit Ausnahme derjenigen der A110S kaum entwickelt, dennoch haben die Ingenieure der Alpine unter der Voraussetzung, dass sie mit einem optionalen Aerodynamikset ausgerüstet ist, eine Höchstgeschwindigkeit von neu 275 km/h ermöglicht (zuvor 260 km/h). Die Lippe und der Spoiler aus Karbon, die bei Maximaltempo 141 Kilogramm aerodynamischen Abtrieb generieren, sind übrigens die offensichtlichste Neuheit der überarbeiteten Palette. Aber nicht die wichtigste, diese Ehre ist der neuen Variante GT vorbehalten. Diese entstand aus ­einer Kreuzung zwischen dem Chassis der Basis-A110 und des 300-PS-Motor der A110S – eine Kombination, die es ermöglicht, die zuvor zwischen den beiden Extremen der Palette bestehende Lücke zu füllen. «Der GT richtet sich an Kunden, die den Komfort beibehalten, aber keinen Kompromiss bei der Leistung eingehen möchten», so Xavier Sommer, Alpine A110 Program Director.

Allerdings ist die Idee, ein A110-Chassis mit einem A110S-Motor zu kreuzen, nicht neu. Sie wurde bereits durch die limitierte Serie Légende GT im Jahr 2021 vorweggenommen. Innert dreier Monate fanden die 300 vorgesehenen Exemplare einen Abnehmer. «Dieser Erfolg hat uns in unserer Idee bestärkt, dass wir in der Palette dauerhaft einen GT brauchen», fährt Xavier Sommer fort. Auf dem Papier verspricht die Version, das Beste aus beiden Welten zu vereinen. Es gibt jedoch nichts Besseres, als dies eigenhändig zu überprüfen. Da trifft es sich gut, dass uns Alpine nach Südfrankreich auf den Circuit Paul Ricard eingeladen hat.

Ungünstiges Gelände

Mit ihren langen, schnellen Kurven verfügt die Rennstrecke in Le Castellet über ideale Eigenschaften, um der A110S das Leben zur Hölle zu machen: Das Fahrzeug aus Dieppe mit kurzem Radstand sehnt sich eigentlich nach einer Strecke mit engeren Kehren. Trotz dieser widrigen Bedingungen bewies die A110S in den langen Kurven eine bemerkenswerte Stabilität. Natürlich sollte man abrupte Lenkradbewegungen unterlassen, sonst schert die Französin aus. Doch selbst wenn es provoziert wird, zeigt sich das Fahrzeug aus Dieppe nachsichtig und ist leicht aufzufangen. In den wenigen langsamen Teilen der Strecke kann die A110S hingegen ihre Stärken ausspielen. Dort schlängelt sie sich zackig durch und reiht die Kurven mit Leichtigkeit aneinander. Am Ende der Kurve verfügt der Vierzylinderturbo mit seinen 340 Nm (+20 Nm) über ausreichend Drehmoment, um die 1109 Kilogramm der A110S wieder in Schwung zu bringen. Nach dem anfänglichen Tritt in den Hintern beginnt ein unaufhörlicher Ritt, dem es jedoch ab 180 km/h an einer gewissen Linearität fehlt. Die nächste Kurve ist schnell da: Man steht auf den Bremsen, die eine bemerkenswerte Kraft haben. Die vielen Runden wirken sich in keiner Weise auf die Ausdauer der Verzögerung aus, und die Reifen halten der harten Beanspruchung gut stand.

Angesichts der erreichten Geschwindigkeiten war es nicht möglich, den Beitrag der aerodynamischen Ergänzungen zu überprüfen. Sicher ist aber, dass sich die A110S als würdig erweisen wird, wenn ihr Fahrer die Leistung ausreizen will. Die progressiven Reaktionen der A110S machen sie zwar nicht zur absoluten Waffe beim Sprint, aber sie sind unwiderstehlich, wenn es um den Spass geht.

Ein idealer Kompromiss

Wir wechseln vom Mikrofaser-Innenraum der A110S zum gesteppten Leder des GT, und wir tauschen auch den perfekten Asphalt des Circuit Paul Ricard gegen den zuweilen beschädigten Belag der Strassen oberhalb der Rennstrecke in Le Castellet ein. Auf diesem abgenutzten Asphalt wirkt das komfortablere Fahrwerk des GT Wunder, und Unebenheiten werden geschmeidig absorbiert. Die A110 GT liegt in den Kurven allerdings keinesfalls träge – die Bewegungen der Karosserie sind zwar stärker als beim S, bleiben aber auf einem minimalen Niveau. Vielmehr geniesst man das subtile Hin- und Herschaukeln der Französin, wenn sich die Haftung in immer schneller werdenden Kurven langsam dem Limit nähert. Der GT ist somit verspielter und zuvorkommender als der S, er schmeichelt dem Sonntagsfahrer, der keine übertriebenen Risiken eingehen muss, um sich eine Freude zu machen. Er wird sich an der wunderbaren Ausgeglichenheit erfreuen, zwischen einer Vorderachse, die vom Scheitelpunkt magnetisch angezogen wird, und einer Hinterachse, die nachkommt und sogar den nötigen Schub gibt, um den Kurs wieder zu schliessen. Die Lenkung ist präzise und direkt und rundet das idyllische Bild ab – etwas weniger Servounterstützung allerdings wäre perfekt gewesen. Da wir gerade bei den kleinen Beschwerden sind: Wir bedauern, dass die Alpine den alten Renault-Tempomaten beibehalten hat, dessen Bedienung alles andere als intuitiv ist.

Insgesamt ist diese GT-Variante, die ab 75 900 Franken verkauft wird, eine sehr sinn­volle Ergänzung der A110-Reihe und tatsächlich die ideale Mischung aus Leistung und Komfort. Für alle, die nie vorhaben, sich auf ­eine Rennstrecke zu begeben, ist sie zweifel­los sogar die begehrenswerteste Variante der ­Alpine-Palette.

Der Gran-Turismo-Look

Abgesehen von einem Badge auf dem Heck unterscheidet den GT äusserlich fast nichts vom Einstiegsmodell der A110. Vergleicht man aber den Innenraum, besteht kein Zweifel mehr daran, dass es sich um einen GT handelt: Braunes oder schwarzes Leder mit blauen Nähten ziert das Armaturenbrett, die Türverkleidungen und die Sitze. Die bequemen, sechsfach verstellbaren Sitze ersetzen die Halbschalensitze des S-Modells.

Der GT hat auch einige technische Neuerungen wie den Sportauspuff und die serienmässigen 320-Millimeter-Brembo-Bremsen vorne und hinten. Das Fahrwerk – das die Abstimmung des A110-Basismodells übernimmt – wurde nicht verändert, die Ingenieure versichern, dass es die 300 PS des 1.8-Liter-Turbomotors verkraften kann.

Alpine nutzte diese Überarbeitung der Palette, um ein neues Infotainmentsystem in die gesamte Modellreihe zu integrieren. Die Bildschirm-grösse bleibt unverändert bei sieben Zoll, doch die Grafiken sind feiner und die Menüs intuitiver. Wer mit Renault-Produkten vertraut ist, wird sich hier schnell zurechtfinden. Die Ingenieure von Alpine versprechen eine höhere Rechenleistung, was der Schnelligkeit der Navigation zwischen den Funktionen zugutekommen soll. Die Anzeigemöglichkeit von Telemetriedaten an Bord wird ausgebaut. Bei der A110S ist die Spielerei serienmässig, bei den verwandten Modellen hingegen optional.

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