«Wer jetzt schläft, verliert das Rennen»

Die zahlreichen Veränderungen in der Autoindustrie haben auch ­Auswirkungen auf Händler und Autogaragen. Sie müssen aber nicht nur negativ sein.

Elektromobilität, City-Stores und Autoabos: Mit dem Wandel der Mobilität verändert sich auch das Umfeld für die Autohändler. Wieso das gerade für die kleinen Händler eine Chance sein kann und weshalb wir noch lange zum Garagisten unseres Vertrauen gehen werden, erklärt Andreas Block.

Automobil Revue: Die Mobilität verändert sich, die Autohersteller positionieren sich vermehrt als Mobilitätsdienstleister. Was hat das für Auswirkungen auf die Händler?

Andreas Block: Der Händler kann nicht mehr sein ganzes Handeln dem absoluten Gewinnstreben unterstellen, sondern muss dem Kunden einen echten Mehrwert bieten und letztlich sein Mobilitätspartner werden. Die Komplexität rund um die Mobilität steigt und damit auch der Beratungsbedarf. Aber daraus ergibt sich auch eine riesige Chance für den Händler, neue Geschäftsfelder zu betreten, beispielsweise mit E-Bikes oder Fotovoltaik. Wer innovativ ist, der hat auch Zukunft. Herausfordernd ist, die notwendigen finanziellen Polster für künftige Investitionen bilden zu können. Darum benötigt ein Händler heute nicht mehr nur Kompetenz in Verkauf und After-Sales, sondern sehr stark auch in Betriebswirtschaft.

Ein weiterer Megatrend ist die Elektrifizierung. E-Autos benötigen weniger Wartung als Verbrenner. Werden die Werkstätten das spüren?

Da kommen definitiv Veränderungen. Zum Glück gibt es eine Übergangsfrist, während der sich die Händler vorbereiten können, gleichzeitig jedoch auch hohe Investitionen tätigen müssen. Problematisch sind insbesondere die Ölumsätze, die sukzessive wegfallen. Und sie müssen sich auch damit auseinandersetzen, wie in Zukunft ihre Werkstatt aufgestellt sein muss. Macht es beispielsweise Sinn, dass ein teurer Mechatroniker den Hol-Bring-Service macht, oder kann das auch ein pensionierter Mitarbeiter? Ein Betrieb muss im Schnitt bis 2030 Kosten einsparen in der Höhe von 3.85 Prozent des Umsatzes! Der Importeur ist demnach gefordert, seine Händler zu unterstützen.

Inwiefern?

Der Importeur braucht einen starken Partner, über den er seine Teile verkaufen kann. Ich bin überzeugt, dass diejenige Marken das Rennen machen werden, die es auf die Reihe bringen, dass sich Händler und Importeur als Partner sehen.

Kann eine kleine Garage alle diese Veränderungen überhaupt stemmen?

Das Spannende ist, dass man nicht pauschal sagen kann, dass die Grossen überleben werden und die Kleinen nicht. Wenn es die Kleinen schaffen, echten Mehrwert zu bieten, dann haben sie definitiv eine Überlebenschance. Aber sie brauchen Instrumente, mit denen sie zumindest eine Grundanalyse durchführen können, womit sie Geld verdienen. Wenn man heute zum Beispiel in einem Betrieb banale Fragen zum Kundenstamm stellt, dann haben diese oftmals kein genaues Verständnis darüber, wer ihre Kunden sind. Auch redet heute jeder von Digitalisierung, aber das kann kein Selbstzweck sein: Wenn jemand regelmässig einen Newsletter verschickt, ist das zwar gut, aber es braucht auch die Kapazität, diesen nachzubearbeiten. Und es braucht eine klare Strategie und ein funktionierendes Führungssystem. Wenn beispielsweise ein Verkaufsleiter stolz erzählt, dass er mehr Fahrzeuge verkauft als sein bester Verkäufer, dann würde ich ihn nicht unbedingt beglückwünschen. Er müsste sich vielmehr um die Strategie kümmern. Denn die Veränderungen werden kommen, und wer jetzt schläft, verliert das Rennen.

Immer mehr Hersteller setzen auf eigene Showrooms in den Innenstädten. Inwiefern werden das die Händler zu spüren bekommen?

Grundsätzlich ist das eine gute Sache, und es ist spannend, weil es für die Importeure und für die Händler ein Experimentierfeld ist. Aber es stellen sich einige Fragen: Für wen sind diese Showrooms eigentlich gedacht, und was wird damit wirklich bezweckt? Wenn es vor allem um Brand-Reputa­tion gehen soll, dann stellt sich wieder die Frage: Wie binde ich den Händler mit ein? Soll der Kunde jetzt die Probefahrt im Stau in der Stadt Zürich machen, oder soll er dafür zum Händler? Das sind alles Fragen, die geklärt werden müssen. Und ob das akzeptiert wird, entscheidet nicht der Importeur, sondern der Kunde.

Gibt es da einen Unterschied bei der Akzeptanz zwischen den gestandenen Marken und den neuen Marken?

Tesla hatte es einfach, weil es einfach ihr Konzept war und der Kunde das cool fand, weil es etwas Neues war. Auch Cupra und Polestar sind neue Marken auf dem Markt, die sich als innovativ verkaufen. Eine andere Möglichkeit ist, es wie die Amag zu machen, die den Showroom im ­Circle am Flughafen Zürich klar auf Elektromobilität ausgerichtet hat. Das ist ein anderer Ansatz, der dann auch wieder funktioniert.

Prominente Stimmen wie Ferdinand Dudenhöffer haben schon vor Jahren das Ende der klassischen Autohäuser verkündet. Kann man ein solches Sterben beobachten?

Es sind weniger geworden, aber es ist nicht so, dass jetzt der ganz grosse Exodus kommt. Man muss klar sehen: Der Importeur kann das nicht allein stemmen, er braucht ein qualifizierteres Händlernetz als Partner. Ich bin jedoch überzeugt, dass diejenigen Händler, die nicht mit der Zeit gehen, aussterben werden. Die Karten werden neu gemischt, was aber auch eine grosse Chance für kleinere Händler ist. Diese können manch einen etablierten Betrieb rechts überholen, wenn sie jetzt innovativ sind, auf neue Ideen setzen und auch einmal etwas ausprobieren.

Gerade in den ländlichen Gegenden geht man zum Garagisten seines Vertrauens. Wird das noch lange möglich sein?

Früher hat sich die Mobilität viel mehr um den eigenen Ort bewegt, man ist viel weniger weit weggegangen. Das hat sich verändert. Die Kleinen dürfen sich nicht darauf verlassen, dass sie überleben, bloss weil sie klein und kundennah sind. Wenn der Kunde wegen der gleichen Reparatur fünfmal kommen muss, dann nützt es ihm nichts, dass er jedesmal ganz freundlich begrüsst wird.

Viele Händler und Werkstätten beklagen sich über die Auflagen der Hersteller bezüglich Markenauftritt, die mit horrenden Kosten verbunden seien. Nicht wenige geben irgendwann auf. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Ich glaube, man muss sich zuerst einmal überlegen, wieso denn ein Betrieb überhaupt verkauft oder geschlossen wird. Sind es wirtschaftliche Gründe, oder ist es eine fehlende Nachfolgelösung? Viele Händler beginnen heute viel zu spät damit, über eine Nachfolge nachzudenken. Eine Übergabe dauert fünf bis acht Jahre! Und ja, die Vorgaben für Corporate Identity sind ein grosses Problem. Als Importeur muss man aufpassen, über wie viel Geld des Händlers man hier verfügen kann und will. Ich denke, hier muss zwingend wieder mehr Vernunft walten. Das wird auch ad absurdum geführt, wenn der Importeur den Händler seinen Showroom aufrüsten lässt und parallel dazu beginnt, Autos selbst direkt online zu verkaufen. Diese Vorgaben sind ein heikles Thema, bei dem man sich fragen muss, was man dem Betrieb wirklich noch zumuten kann.

Anfang 2021 haben Sie eine Studie über den Einfluss von Corona auf die Autohäuser durchgeführt. Wie würden Sie die Lage heute einschätzen?

Wir waren sehr überrascht von den Ergebnissen dieser Studie. Es zeigte sich, dass diejenigen, die schon vor Corona eine starke Strategie hatten, ihre Zukunftsfähigkeit deutlich besser beurteilt haben. Und es gibt viele Händler, für die die vergangenen beiden Jahre die erfolgreichsten waren. Man sieht also, dass man durchaus als Gewinner vom Feld gehen kann, wenn man solche Herausforderungen nutzt und wirklich die Hausaufgaben macht. Wir möchten jetzt gerne eine Folgestudie machen, um zu erheben, welche Faktoren aus Sicht der Betriebe zum Erfolg geführt haben.

Jetzt ist die Corona-Pandemie ja praktisch nahtlos übergegangen in die Halbleiterkrise. Da haben die Händler weniger Macht, etwas zu bewirken.

Ja, das ist so. Aber auf der anderen Seite gibt es auch Händler, die genau damit spielen. Die haben jetzt zum Beispiel konsequent die Fahrzeuge, die bei ihnen auf dem Platz stehen, abverkauft. Oder sie gehen Flottenkunden an, bei denen das Leasing in einem Jahr ausläuft, und weisen diese darauf hin, wegen der Lieferproblematik neue Fahrzeuge frühzeitig zu bestellen. Da müssen die Händler jetzt viel proaktiver vorgehen. Hier schliesst sich auch der Kreis wieder zu dem echten Mehrwert, von dem wir am Anfang gesprochen haben. Hier ist es ja wirklich so, dass alle im selben Boot sitzen, was auch eine Chance für den Händler darstellt. Man muss auch sehen, dass sich Gebrauchtwagen viel besser verkauft haben als in den Vorjahren und dass auf Neuwagen viel weniger Rabatte gegeben werden. Es hat für die Händler also durchaus auch positive Aspekte, von denen sie profitieren können.

Zur Person

Andreas Block doziert an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Winterthur, wo er unter anderem den CAS-Lehrgang «Datenbasiertes Autohaus-management» verantwortet. Er ist spezialisiert auf Kundenstammanalysen bei Autohändlern und berät diese auf ihre Zukunftsfähigkeit. Er ist Autor des Buches «Die Quirin-Formel».

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