Perfekt für die Schweiz

Der Allradantrieb verhilft dem BMW M3 gerade in der Schweiz zu ungeahntem Erfolg. Ob er trotzdem auch weiterhin seine ­traditionellen Werte wird vertreten können?

Wann immer das Gespräch auf den BMW M3 kommt, gibt es eigentlich nur ein Thema: seine prägnante Niere. Dass sich die Aufmerksamkeit ganz polemisch immer auf diesen einen Punkt richtet, ist schade, weil die eigentliche, wichtigere Frage dabei viel zu kurz kommt: Als das M-Logo vor 35 Jahren eingeführt wurde, stand es für Kompaktheit, für Leichtigkeit und natürlich  für Fahrspass. Bleibt der neue M3, intern als G20 bezeichnet, den Prinzipien seines Vorfahren treu? 

Zuerst einmal: Es gibt nicht mehr einfach «den M3», und dabei meinen wir noch nicht einmal, dass es zusätzlich zur Limousine auch einen M3 Kombi geben wird. Nein, es gibt auch mehrere Motorisierungen. Das Einstiegsmodell ist mit einem Biturbo-Reihensechszylinder mit drei Litern Hubraum ausgestattet. Der intern als S58 bezeichnete Motor bringt eine Leistung von 353 kW (480 PS) und 550 Nm Drehmoment. Diese Version der Limousine bleibt der bayerischen Tradition des Standardantriebs treu und schickt die gesamte Kraft über ein manuelles Getriebe an die Hinterräder. Noch etwas mehr geht beim M3 Competition, der über denselbenMotor wie die Basisvariante verfügt, aber mit mehr Leistung. Der Motor, der bereits im X3 und X4 M Competition zum Einsatz kommt, entwickelt eine Leistung von 375 kW (510 PS) und ein Drehmoment von 650 Nm. Der M3 Competition ist ausschliesslich mit einem Achtgang-Automatikgetriebe mit Drehmomentwandler erhältlich, das das Doppelkupplungsgetriebe des bisherigen M3 ablöst.

Driften im Schnee

Wir wären keine echte Schweizer Zeitung, wenn wir nicht die Version mit Allradantrieb testeten. Diese Variante ist aber nicht nur aus verkaufstechnischer Sicht spannend, sondern auch weil der Allradantrieb eine Premiere in der Geschichte eines Modells ist, das sich bisher immer mit Hinterradantrieb begnügte. Der Allradantrieb, der mit demjenigen des M5 identisch ist, besteht aus einer elektronisch gesteuerten Lamellenkupplung, die von einem elektronisch gesperrten Hinterachsdifferenzial unterstützt wird, das für eine variable Verteilung des Drehmoments zwischen den Hinterrädern sorgt.

Es werden drei Antriebsmodi angeboten. Im Standardmodus 4WD schickt das Getriebe Drehmoment an die Vorderräder, sobald die Hinterachse an Traktion verliert. Im 4WD-Sport-Modus wird mehr Drehmoment an die Hinterräder geleitet, auch wenn die Bodenhaftung verloren geht, was beim M3 elegantes Driften zulässt – wir werden darauf zurückkommen. Der 2WD-Modus schliesslich schaltet die Vorderräder komplett ab, sodass das Fahrzeug nur über die Hinterachse angetrieben wird. Ausserdem kann der BMW M3 Competition xDrive mit der Option M-Traction-­Control ausgestattet werden, die die Traktion in zehn Stufen fein abstimmt.

Im Vergleich zum herkömmlichen xDrive-Getriebe wurde die Ölversorgung der Lamellenkupplung optimiert, sodass die variable Kraftverteilung unter allen Bedingungen, auch bei sportlicher Fahrweise auf der Rennstrecke, wirksam bleibt. Ausserdem erfolgt die Kraftübertragung auf die Vorder- und Hinterräder durch speziell für das Allradmodell entwickelte Antriebswellen. Das sind aber nicht die einzigen technischen Änderungen, die die Limousine zu bieten hat: Vorne besitzt der Wagen neu entwickelte Federbeine, um Platz für die Kardanwellen zu schaffen. Ausserdem verfügt er über eine überarbeitete Fahrwerksgeometrie und eine angepasste Lenkübersetzung. Und überhaupt: Vom Serien-3er hat der M3 eigentlich nur die Türen und den Kofferraumdeckel übernommen, alles andere ist neu.

Für Perfektionisten

Als echtes Fahrzeug für Ingenieure glänzt der M3 mit unzähligen Einstellungsmöglichkeiten. Neben der Taste M Mode, mit der man aus den drei Fahrmodi (Road, Sport und Track) auswählt, können mit der Taste Setup auf der Mittelkonsole die Einstellungen für Lenkung, Motor, Getriebe und sogar die Bremsen konfiguriert werden. Letzteres funktioniert, weil die Limousine über ein Brake-­by-­wire-System verfügt, bei dem keine direkte hydraulische Verbindung zwischen dem Bremspedal und den Bremszangen besteht. Der M3 kann somit das Ansprechverhalten seiner Pedalerie beliebig verändern. Insgesamt kann so ein gutes halbes Dutzend Parameter in unzähligen Stufen verändert werden.

Im Alltag mag so etwas völlig überflüssig sein. Die Kunden werden sich wohl entweder endlos in diesen Set-up-Möglichkeiten des Systems vertiefen – oder aber heillos damit überfordert sein. M-­Drive-­Professional wurde aber auch speziell für das Fahren auf Rennstrecken entwickelt. So beinhaltet es die Software M Drift Analyser, die es ermöglicht, die Zeit und den Schräglaufwinkel aufzuzeichnen und mittels eines Bewertungssystems auszuwerten. Darüber hinaus kann ein M-Lap-
timer die Rundenzeit und alle anderen nützlichen Informationen, die während der Fahrten auf der Rennstrecke gesammelt wurden, anzeigen. Schliesslich können zwei Datensätze vollständig personalisierter Fahrzeug-Set-ups gespeichert und mit den M-Tasten oberhalb der Lenkradnabe aktiviert werden. All diese Technologien zeigen, wie weit die Münchner bei der Entwicklung ihres Rennwagens gegangen sind.

Der Perfektionismus, den BMW an den Tag legt, gilt auch für den Innenraum. Der M3 ist angenehm gepolstert und geräumig – die Innenräume sind natürlich die gleichen wie beim Standardmodell – und verwenden edle Materialien wie Leder und Karbon. Der M3 ist ein technisch ausgereifter Wagen und bietet weiterhin physische Tasten für die Steuerung des Infotainmentsystems an. Das Fahrzeug besitzt eines der besten Systeme auf dem Markt. Ein Manko gibt es jedoch: Die Seriensitze neigen dazu, den Fahrer etwas zu hoch zu positionieren, was schade ist, da BMW in der Regel mit einer hervorragende Sitzposition glänzt. Beheben lässt sich dieses Manko recht einfach, wenn auch teuer: mit Schalensitzen aus Karbon.

Der Antrieb glänzt

Der M3 Competition glänzt in vielerlei Hinsicht. Das beginnt schon beim Motor. Der Sechszylinder-Reihenmotor hat den explosiven Charakter des Vorgängermodells abgelegt und ist nun sehr linear in seinem Drehzahlanstieg (von 2700 bis 6200 
U/min steigt das Drehmoment crescendoartig an) und fühlt sich in allen Drehzahlbereichen sehr wohl. Das Geräusch, das der Motor von sich gibt, ist – wohl wegen des Partikelfilters – nicht gerade genial, aber auch nicht enttäuschend. Das Automatikgetriebe mit Drehmomentwandler lässt sich in sechs Stufen einstellen und ist wahlweise komfortabel oder sportlich. Richtig gut gelungen! Auch wenn der Münchner vor allem durch seinen hervorragenden Allradantrieb besticht. Er sorgt für ein enormes Beschleunigungsvermögen und katapultiert die Sportlimousine in nur 3.5 Sekunden (Werk) von 0 auf 100 km/h. Das sind 0.4 Sekunden weniger als beim Pendant mit Heckantrieb. Auch bezüglich Höchstgeschwindigkeit lässt BMW nichts anbrennen: 250 km/h sind es seienmässig und bis zu 290 km/h mit dem optionalen M-­Driver’s-­Paket. Auffallend bis störend ist dabei die sehr laute Geräuschkulisse im Innenraum bei (sehr) hohen Geschwindigkeiten.

Wir haben das Fahrzeug auch auf den verschneiten Strassen des Schweizer und französischen Juras getestet, und es hat die Skeptiker endgültig überzeugt: Der Wagen fährt sich spielerisch und macht Spass, wenn die Modi 2WD und 4WD Sport aktiviert sind. Noch nie war es so einfach, auf Schnee kontrolliert zu driften. Aber der Wagen, der eine nahezu perfekte Gewichtsverteilung besitzt (53:47 nach unseren Messungen), kann auch ernster und handfester zur Sachen gehen, wenn das Profil 4WD aktiviert ist. Dies ist von Vorteil, wenn das Wetter schlecht ist und das Ziel nur noch darin besteht, im Schnee oder Regen von A nach B zu kommen. Gerade im Schnee zeigte sich der unschlagbare Vorteil des Allradantriebs. Sobald das Auto im Schnee allein mit der Hinterachse nicht mehr vorwärtskommt, wird der Allradantrieb zugeschaltet. Der BMW kämpft sich weiter durch den Schnee und zaubert ein Lächeln auf die Gesichter seiner Passagiere.

Diese Kombination aus lockerem Fahrspass auf der einen und todsicherem Fahrverhalten auf der anderen Seite, ist die absolute Stärke des M3 mit Allradantrieb. Denn bei der Konkurrenz gibt es entweder das eine, wie im Alfa Romeo Giulia Quadrifoglio, oder das andere, wie im Audi RS4, aber nie beides zusammen vereint in einem einzigen Fahrzeug.

Der Preis ist – hoch

Mit einem Gewicht von 1800 Kilogramm ist der M3 Competition xDrive gut 200 Kilogramm schwerer als die Vorgängergeneration. Das wiegt umso schwerer, als die Sportlimousine sich nicht mit dem Hinweis auf irgendeine Art von Elektrifizierung entschuldigen kann. Beim Fahren macht sich das Übergewicht bemerkbar: Der Wagen kommt zwar nicht ins Wanken, aber in Kurven und beim Bremsen spürt man die zusätzlichen Kilos. Glücklicherweise trägt der phänomenale Grip der Winterreifen von Michelin (275/35 R19) dazu bei, das Auto auf der Strasse zu halten. Darüber hinaus ist der M3 auch deutlich grösser als der normale 3er: Er ist 8.5 Zentimeter länger, 7.5 Zentimeter breiter, aber 0.2 Zentimeter weniger hoch als der Standard-3er. Beim Fahren vermitteln diese Abmessungen dem Fahrer das Gefühl, in ­einem Fahrzeug der Oberklasse zu sitzen und nicht in einem der oberen Mittelklasse, wie dies beispielsweise im kompakteren und weniger starken M340i der Fall ist. Um die Wank- und Nickbewegungen der grossen und schweren Limousine in Grenzen zu halten, hat BMW die Federung bewusst verschärft. Selbst wenn die Fahrwerksabstimmung auf Komfort eingestellt ist, bleibt das Auto sehr, sehr hart. Das ist jedoch nichts, was die Fans des Modells abschreckt, von denen viele genau einen solchen echten Sportwagen wollen.

Kommen wir zum Schluss noch auf das leidige Thema des Geldes zu sprechen: Mit einem Grundpreis von 114 100 Franken ist der M3 schon in der Basisversion nicht gerade billig. Noch weniger trifft dies auf die Competition-Version mit ­einem Preis von 118 400 Franken zu. Und der Competition xDrive kostet stattliche 123 200 Franken – ohne Sonderausstattung, denn wie es sich für einen echten Deutschen gehört, bietet der BMW natürlich viele Kästchen, die man auf dem Bestellformular ankreuzen kann. Und der Preis steigt schnell in die Höhe: 3110 Franken für das M-­Driver’s-­Paket, 4020 Franken für das Technologie-­Paket, 5960 Franken für das Paket M Carbon und bis zu 18 900 Franken für das Paket M Race Track. Glücklicherweise ist der Verbrauch (9.2 l/100 km auf der AR-Normrunde) angesichts der enormen Leistung des Fahrzeugs angemessen. Das ist doch auch etwas, oder?

Testergebnis

Gesamtnote 86/100

Antrieb

Der Sechszylinder-Reihenmotor ist das Markenzeichen von BMW, und auch im M3 Competition beweist er, dass er diese Stellung zurecht ­innehat. Das Automatikgetriebe ist schnell und komfortabel.

Fahrwerk

Der M3 besitzt ein sehr straffes Fahrwerk und ist daher nie bequem. Aber das ist auch nicht das, was man von ihm verlangt.

Innenraum

Der Innenraum des M3 ist sehr gut verarbeitet und weist qualitativ hochwertige Materialien (Leder und Karbon) auf. Er ist auch technologisch auf der Höhe, wobei weiterhin physische Tasten verwendet werden.

Sicherheit

Die Fahrerassistenzsysteme sind zahlreich und zuverlässig. Aber eigentlich ist klar: Diesen BMW will man selber fahren.

Budget

Der Preis ist zweifellos das grösste Manko des M3. Er liegt preislich über seinen nächsten Konkurrenten, dem Audi RS4 und dem Alfa Romeo Giulia Quadrifoglio.

Fazit 

Der neue M3 von BMW ist ein grosser Wurf, vor allem in der xDrive-Version mit ihrem fabelhaften Allradantrieb. Leider legt die Limousine aus München im Gegenzug an Gewicht und Volumen zu, was ihre Attraktivität bei gelegentlichen Trackdays erheblich mindert. Trotzdem trägt der Deutsche das M-Logo vollkommen verdient, erst recht in der Version mit dem Allradantrieb. Ach, wenn er nur nicht so teuer wäre …

Die technischen Daten und unsere Messwerte zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.