Autor: Martin Sigrist
Der MQB A0, die Adaption des Modularen Querbaukastens für Wagen des A0-Segments, dient manchem Volkswagen-Produkt als Grundlage. Der VW Polo etwa nutzt die Bodengruppe genauso wie jenes Auto, das es als brasilianische Spezialität geschafft hat, auch auf dem alten Kontinent künftig adaptiert und vertrieben zu werden.
Mehr und weniger
Erster Eindruck: Der Taigo gefällt. Als kompakter Crossover, den es nur mit Vorderradantrieb geben wird, wirkt er grösser, als er eigentlich ist. Gelungen ist etwa die Dachlinie, die dem Auto zu einer gestreckten Form verhilft. Technisch stellt sich der Taigo kaum anders dar als sein nächster Verwandter, der Polo. Der Taigo wird denn auch auf demselben Band wie dieser im Werk Pamplona in Spanien gebaut.
Das Design verantwortet Marco Pavone, Leiter Design Exterieur von Volkswagen, mit seinem Zwillingsbruder José Carlos Pavone, Leiter Volkswagen Design Südamerika, es ist also eine transatlantische Koproduktion. Und wo andernorts viele Köche den Brei verderben, hat sich hier dieses Doppelpack als Glücksfall erwiesen. Innen allerding gibt es weniger Samba als aussen, vielleicht hat auch schlicht nur jemand die Musik etwas leiser gedreht. Im Klartext: Das ist ein lustvolles, zwar volldigitales, aber erfreulich leicht zu handhabendes Tableau. Alles findet sich da, wo man es erwartet, und der Taigo neckt einen nicht mit zwar verspielten, aber auf Dauer mühsamen Details. Die Sitzposition stimmt, auch die Passagiere hinten dürfen trotz abfallender Dachlinie noch mit akzeptablen Verhältnissen rechnen. Dank der schmalen C-Säule mit Seitenfenster gibt es hinten auch keinen Scheuklappeneffekt – als ob dies die Kinder öfter dazu brächte, einen Blick vom iPad zu nehmen …
Ordentlich ist gut
Für den Anfang wurden wir mit dem 1.5-Liter-Vierzylinder eingestimmt. Er ist neben dem Einliter mit 70 kW (95 PS) oder 81 kW (110 PS) die einzige Wahl. Seine 110 kW (150 PS) scheinen im Taigo gerade richtig. Gekoppelt an das bekannte Siebengang-Doppelschaltgetriebe sorgt er für adäquaten Vortrieb. Etwas überraschend ist, dass es noch keinen Mildhybrid oder dergleichen dazu gibt. Was liess doch Herbert Diess im Frühling verlauten? Noch gibt es gute Gründe, klassische Benziner anzubieten. Das Fahrwerk des R-Line, der uns als höchste Ausstattungsversion zur Verfügung stand, wird mit dieser Konfiguration auf alle Fälle fertig. Einzig das DSG könnte sich das Temperament aus Südamerika etwas mehr zu Herzen nehmen und mit etwas schnelleren Reaktionen aufwarten, aber es gibt, was es gibt, und auch die Box entspricht dem, was der VW-Fundus zu bieten hat. Wer ein Schaltgetriebe sucht, muss sich mit dem 95- oder 110-Pferder und drei Zylindern mit total 999 Kubikzentimetern begnügen. Die Fahrwerksabstimmung ist freundlich, bei schnellen Kurvenwechseln wie auf unserer Route im Schwarzwald mag es manchem Passagier vielleicht etwas zu stark schaukeln. Der Lenkung fehlt womöglich ein Quentchen an Rückmeldung, aber der Taigo soll schliesslich kein Sportwagen sein. Gerade mit dem laufruhigen Vierzylindermotor könnte der Neue durchaus als ein Auto des nächsthöheren Segments durchgehen. Wer, und da eröffnet sich eine Kernfrage, braucht denn unbedingt einen Golf?
Potenziell erfolgreich
Keine Frage, Polo und Co. gehören zu den besten ihres Segments, das lässt auch für den Taigo einiges erwarten. Seine Form ist sehr ansprechend geraten. Alles Übrige scheint bekannt, aber das muss kein Fehler sein. Und der Kofferraum von doch 438 Litern Stauraum ist erstaunlich gross für ein Coupé. Dass der Taigo mit einer Fülle an Assistenzsystemen, ab dem zweithöchsten Ausstattungslevel Style mit Matrix-LED-Scheinwerfern, und generell einem hochwertigen Auftritt daherkommt, wird ihm auch nicht schaden. Wie Volkswagen respektive Amag vermutet, hat der Taigo in der Schweiz gute Karten. Einziges Handicap ist der nicht lieferbare Allradantrieb. Aber vielleicht gedeiht auch da langsam die Erkenntnis, das Schnee an drei Tagen des Jahres kein Kaufgrund ist. Der Taigo kann sowieso mit genügend anderen Qualitäten aufwarten.
Die technischen Daten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.