«Wir können und wollen nicht wachsen»

Während der Autosalon Genf in einer tiefen Krise steckt, profitiert die Auto Zürich. Es gehe ihm aber gar nicht um den Wettkampf mit Genf, sagt Organisator Karl Bieri.

Zwei Jahre. So lange konnten wir keine Schweizer Automesse besuchen. Mit der 34. Ausgabe der Auto Zürich von 4. bis 7. November 2021 ist diese Durststrecke jetzt zu Ende. Aber wieso ist Zürich wieder auf den Füssen, während Genf noch ums Überleben kämpft? Haben es kleinere Messen grundsätzlich leichter? Im Interview mit der AUTOMOBIL ­REVUE gibt Karl Bieri, Präsident der Auto Zürich, Auskunft.

AUTOMOBIL REVUE: Mit wie vielen Besuchern rechnen sie für die kommende Auto Zürich?

Karl Bieri: Vor Corona konnten wir bis zu 60.000 Besucher an unserem Anlass begrüssen. Im Jahr 2021 sind wir eine der ersten Automobilmessen nach der pandemiebedingten Unterbrechung und müssen nicht zuletzt aufgrund der neu eingeführten Sicherheitsvorkehrungen entsprechende Unsicherheiten akzeptieren. Uns fällt es schwer, belastbare Prognosen abzugeben. Unser Anspruch jedoch ist klar: Wir möchten bei den Besucherzahlen die Grössenordnung von 2019 erneut erreichen. Und dafür bieten wir auch das umfangreichste Portfolio an Inhalten in der Geschichte der Auto Zürich. Wir sprechen von 45 Ausstellermarken und 80 Premieren und damit einem echten Feuerwerk an Neuheiten!

Denken sie, dass Corona den Bedarf nach wirklichen, realen Veranstaltungen erhöht, oder eher geschwächt hat?

Das ist ein zweischneidiges Schwert. Es gibt Leute, die nur ausgehen, wenn dies ohne Einschränkungen möglich ist. Andere wissen die Sicherheit der Vorkehrungen zu schätzen und haben Vertrauen in die von den Bundesbehörden erlassenen Verfügungen. Ich glaube, der 3-G-Ansatz macht viel Sinn. Die Leute wollen wieder mit anderen zusammen sein, der zwischenmenschliche Kontakt hat uns allen während der Selbstisolierung gefehlt. Es besteht ein Bedarf und wir haben eine grosse Chance: Die Auto Zürich ist die erste grosse Ausstellung seit langem. Ich meine auch, dass intelligent aufgezogene Anlässe den Beweis erbringen können, dass die virtuelle Realität nicht genügt. Ein Fahrzeug stellt für die meisten Menschen eine grosse Investition dar und es muss gesehen, gefühlt und angefasst werden. Das Auto auf dem Computerbildschirm anzuschauen ist nicht das gleiche!

Machen ihnen die Sicherheitsauflagen die Arbeit schwieriger?

Ja, die Vorbereitungsarbeiten waren ungemein schwierig. Wir mussten ein System aufziehen, um an allen Eingängen die Zertifikate prüfen zu können. Wir wollen alles absolut gewissenhaft machen, was das Vorgehen verkompliziert. Nicht zuletzt sind die Kontrollen sehr teuer! Unsere Organisation muss zudem ein gewisses finanzielles Risiko eingehen, denn es könnte auch zu einem späten Zeitpunkt noch zur Absage kommen. Gewisse Aufwendungen mussten schon vor einem halben Jahr getätigt werden. Aber jetzt freuen wir uns, denn da ist Licht am Ende des Tunnels. Wir müssen den Schweizer Garagisten und Importeuren danken. Ohne ihre Teilnahme könnte die Auto Zürich nicht stattfinden.

Wie gross ist der Mehraufwand, den die Kontrolle der Covid-Zertifikate verursacht?

Unsere Schätzungen gehen davon aus, dass wir dieses Jahr etwa 10% Mehrkosten haben werden, aber das muss sich noch bestätigen. Ein Teil der Aufwendungen stammt vom Aufbau einer Testanlage vor dem Gelände der Auto Zürich.

Macht ihnen der aktuelle Infektionentrend zusätzlich Sorgen?

Nein, ich bin zuversichtlich. Die Zahl der Neuansteckungen ist dem Vernehmen nach recht gering. Wir müssen unterscheiden zwischen den Daten und der Stimmungsmache sowie dem Bild in manchen Medien. Am wichtigsten ist, dass die Situation in den Spitälern beherrschbar bleibt und das scheint derzeit der Fall zu sein. Das beruhigt mich.

Karl Bieri ist seit 25 Jahren Organisator und Präsident der Auto Zürich. Die grösste Deutschschweizer Automesse zieht jährlich bis zu 60 000 Besucher nach Zürich-Oerlikon.

Denken sie, dass die lokalen Ausstellungen, wie die Auto Zürich oder der Autosalon von Brüssel bessere Überlebenschancen haben als die grossen internationalen Salons?

Das ist schwer zu sagen. Ich meine aber, dass geschickt aufgezogene Ausstellungen, ob gross oder klein, gute Chancen haben, sich durchzusetzen. Aus dieser Haltung heraus haben wir die Zeit der Pandemie genutzt, um ein neues Konzept auszuarbeiten. Ein Beispiel sind die völlig neu gestalteten Stände für Neuwagen. Dabei verzichten wir aus Umweltgründen künftig auf Teppiche: Das spart uns 20.000m2 Bodenbelag, der nicht produziert, transportiert, verlegt und am Ende entsorgt werden muss. Und das ist nur ein Grund, weshalb sich die Auto Zürich 2021 ganz anders präsentiert als die vorherigen Ausführungen. Dann bieten wir dieses Jahr noch die «ev experience»: Die Besucher können 16 verschiedene Elektroautos fahren und sich zudem zu Fragen der Infrastruktur beraten lassen. Damit wollen wir der Öffentlichkeit die Elektromobilität näherbringen.

2022 fällt der Genfer Salon zum dritten Mal in Folge aus. Was meinen sie zu dieser Entscheidung?

Das ist eine traurige Sache, wie das 2020 gelaufen ist. Und es ist aus meiner Sicht sehr bedauerlich, dass die Organisatoren ihre Veranstaltung ein drittes Mal absagen müssen. Ich kann als Aussenstehender nicht über die Lage urteilen oder ausloten, was die Autohersteller zu ihrer Entscheidung bewogen hat. Es ist aber auch nichts Definitives, vielleicht kommt der Salon 2023 zurück. Der Genfer Autosalon ist eine hervorragende Veranstaltung, es ist immer eine Freude, zum Anlass zu gehen.

Spielen sie mit dem Gedanken, zu wachsen und den Salon von Genf zu ersetzen?

Nein. Vergessen wir nicht, dass die Auto Zürich um vieles kleiner ist als der Genfer Salon. Wir haben hier 30000 m2 Ausstellungsfläche, das kann man mit der Grösse des Palexpo nicht vergleichen (Anm. d. Red.: 106000 m2). Und wir sind primär eine sehr effizient und effektiv strukturierte Verkaufsmesse und das soll im Prinzip auch so bleiben. Daher wird die Auto Zürich an den standardisierten Ausstellungsflächen festhalten, denn damit halten wir die Kosten tief. Insofern gibt es keinerlei Ambitionen, zu einem stark zerfaserten internationalen Salon in Form einer vergleichsweise aufwändigen Medien- und Markenveranstaltung zu mutieren.

War die kleinere Veranstaltungsgrösse von Vorteil für sie?

Unser Vorteil liegt darin, dass wir die passende Grösse haben, um uns voll und ganz auf den Verkauf von Automobilen konzentrieren zu können. Uns fällt auch auf, dass sich bei den internationalen Salons vieles ändert. Vielleicht ist die Zeit der riesigen Markenauftritte – ich denke etwa an Frankfurt – vorbei. Wissen sie, unsere Kunden sind nicht die Hersteller, sondern die hiesigen Importeure und Garagisten; sie können und wollen sich grossen Markenshows nicht leisten.

Da der Genfer Salon im Frühling 2022 ausfällt, könnte die Auto Zürich den Termin im nächsten Jahr vorverschieben?

Wir haben noch nicht für das nächste Jahr geplant. Wir konzentrieren uns voll auf die anstehende Ausführung der Auto Zürich. Terminüberlegungen machen wir uns erst gegen Ende des Jahres. Unser Team hat noch nichts entschieden, wir wollen zusammen mit den Ausstellern sehen, wie die Publikumsreaktionen in den nächsten Tagen ausfallen.

Die Auto Zürich findet von Donnerstag, 4., bis Sonntag, 7. November 2021, in der Messe Zürich statt (Wallisellenstrasse 49, 8050 Zürich-Oerlikon). Für den Eintritt muss ein gültiges Covid-Zertfikat vorgelegt werden, es gibt ein Testzentrum vor Ort. Preis pro Test: 35 Franken.

Öffnungszeiten Donnerstag und Freitag von 10 bis 21 Uhr, Samstag und Sonntag von 10 bis 19 Uhr.

Eintrittspreise Erwachsene 19 Fr. (ab 18 Uhr 12 Fr.), Schüler 10 Fr., AHV/IV 12 Fr., Kinder bis 6 Jahre Eintritt frei.

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