Hyundai i20 N: Korea-Kracher

Mit dem i20 N bringt Hyundai echtes Sportwagen­feeling ins Kleinwagensegment. ­Vorsicht: bissig!

Es ist nicht immer einfach, Marketing­behauptungen von harten Tatsachen zu unterscheiden. Wird etwa ein belangloses Mild-Hybridsystem als «Technik aus der Formel 1» angepriesen, ist für viele Kunden nicht erkennbar, ob da wirklich etwas dran ist. Im Zweifelsfall werden viele den Beteuerungen der Hersteller Glauben schenken – genau deshalb sind solche Marketingfloskeln erfolgreich.

Doch manchmal, manchmal spürt man es einfach. Wenn Hyundai beim i20 N davon spricht, der Powerzwerg sei «auf Augenhöhe mit dem Rallyefahrzeug, das bei seiner Entwicklung Pate stand», so mag man das als dreiste PR-Phrase abtun. Doch wenn man in dem Kleinwagen sitzt, den Startknopf drückt, den N-Modus aktiviert und den ersten Gang einlegt, die Kupplung kommen lässt und in gefühlten Sekundenbruchteilen die ersten Kurven vernascht, verfliegen die Zweifel rasch.

Klar, Augenhöhe ist natürlich Quatsch – das WRC-Auto feuert 380 PS und 400 Nm über ein sequenzielles Getriebe auf alle vier Räder, spurtet in unter vier Sekunden auf 100 km/h und sorgt mit mechanischen Sperren an beiden Achsen dafür, dass der Bolide in allen möglichen und unmöglichen Querlagen durch Kurven pflügt. Daneben sieht der i20 N mit Frontantrieb, 204 PS und 275 Nm Drehmoment mager aus. Zumindest auf dem Papier. Doch wenn man in den bequemen Sportsitz gedrückt wird, den nächsten Gang hineinknallt, wenn auf der Bremse das Heck leicht wird und willig beim Eindrehen hilft, dann spürt man sie, die Rallyegene. Genauso wie das Grinsen im Gesicht.

Nordschleifen-Gene

Doch nun schön der Reihe nach. Unter dem Label N entwickelt Hyundai besonders sportliche Modellvarianten. N steht dabei für das Entwicklungszentrum Namyang in Südkorea, aber auch für die Nordschleife des Nürburgrings, auf dem die N-Modelle abgestimmt werden. Der i30 N machte Ende 2017 den Anfang und wurde sogleich von der Presse abgefeiert – zurecht. Der sportliche Kompaktwagen überflügelte die etablierte Konkurrenz wie den VW Golf GTI in manchen Bereichen, insbesondere beim Fahrgefühl.

Nun also wenden die Koreaner die N-Formel auf den Kleinwagen i20 an. Und da dieser (als Coupé) die Basis für den WRC-Boliden bildet, schliesst sich der Kreis. Anders als beim Toyota GR Yaris, der direkt von der Rallyeversion abgeleitet wurde und sich grundlegend vom herkömmlichen Yaris unterscheidet, ist der i20 N eine modifizierte Variante des Basis-i20. Modifiziert heisst: Unter der kurzen Haube werkelt eine besonders leistungsstarke und drehfreudige Ausbaustufe des 1.6-Liter-Vierzylinder-Turbobenziners, die Karosserie kauert zehn Millimeter tiefer über der Strasse, und Aerodynamik-Anbauteile wie ein auffälliger Heckspoiler an der Dachkante, Diffusor-Andeutungen in der Heckschürze oder eine Spoilerlippe an der Front sorgen für einen dramatischen Auftritt.

Vor allem aber wurde das Fahrwerk modifiziert. Das Chassis wurde an zwölf Punkten verstärkt, der Querstabilisator, die Federn und die Stossdämpfer vorne wurden geändert. Die Ingenieure stimmten die McPherson-Federbeine vorne sowie die doppelt geführte Kurbellenkerachse hinten deutlich straffer ab und ersetzten die vorderen Bremsen durch Hochleistungsmodelle mit um 40 Millimeter grösseren Scheiben. Hinzu kommen ­eine direktere Lenkübersetzung, ein grösserer negativer Sturz der Vorderräder und eine angepasste Abstimmungen des knackigen Sechsgang-Schaltgetriebes. Noch ein mechanisches Sperrdifferen­zial mit Schlupfbegrenzung dazu – und fertig ist ultimative Fahrmaschine made in Korea.

Wie ein kleiner Terrier

Das Resultat lässt sich sehen beziehungsweise fahren. Der Winzling jagt den Kurven nach wie ein aufgeregter Welpe dem geworfenen Stöckchen, verbeisst sich voller Inbrunst in die Radien und will die gefundene Ideallinie so schnell nicht wieder hergeben. Dass der Hyundai dabei nicht noch freudig bellt, ist geradezu ein Wunder – doch knurren kann er, und zwar böse. Denn der Klappenauspuff sorgt während der Kurvenhatz für eine angemessene Geräuschkulisse, brabbelt, knallt und brüllt, was das Zeug hält. Ein Soundgenerator verstärkt das Ganze im Innenraum, ein Feature, auf das wir verzichten können, doch die vorwiegend junge Käuferschaft des i20 N wird es mögen.

Spielerisch und leichtfüssig tänzelt der Korea-Kracher durch schnelle Richtungswechsel – schliesslich bringt er leer nur 1190 Kilogramm auf die Waage, was exakt zehn Kilogramm unter dem von der FIA vorgegebenen Minimalgewicht für WRC-Fahrzeuge liegt. Im Sport-Modus lässt die elektronische Stabilitätskontrolle dem Heck etwas mehr Spielraum, und die Traktionskontrolle greift weniger ein. Das System lässt sich auch komplett ausschalten, was sich im Strassenverkehr aber nicht empfiehlt. Wer Spitze-Hacke oder Fussabkippen nicht beherrscht, kann über einen Button am Lenkrad die Rev-Matching-Funktion zuschalten: Dann gibt der i20 N selbständig Zwischengas und sorgt so dafür, dass einem beim Einkoppeln keine unliebsame Überraschung erwartet. Sogar über eine Launch-Control verfügt der Kleine, was man in dieser Fahrzeugklasse nicht erwarten würde.

Dass dieses Set-up mit Tieferlegung, straffer Fahrwerksabstimmung und 18-Zoll-Pneus Abstriche beim Fahrkomfort bedeutet, ist klar – ein gewisses Holpern und Poltern muss man da in Kauf nehmen. Allerdings will der i20 N erstaunlicherweise gar nicht so richtig holpern und poltern. Auf normalen Strassen rollt er manierlich ab, nur bei richtigen Unebenheiten rüttelt und schüttelt der Kleine seine Insassen etwas durch. Unangenehmes Nachwippen oder Ähnliches haben wir nicht festgestellt.

Ausgestattet wie ein Grosser

Richtig schick ist der Innenraum des Powerzwergs. Das Interieur ist in Schwarz gehalten und wird von hellblauen Akzenten aufgepeppt. Da, wo die Hände in der Regel hinkommen, sind haptisch angenehme Materialien verbaut, das Hartplastik an der Mittelkonsole oder im unteren Bereich der Türinnenverkleidungen verzeiht man in dieser Preisklasse gerne. Der grosse Bildschirm des Infotainmentsystems ist gut im Blickfeld, die grafische Oberfläche einladend, die Bedienung recht einfach – das hat Hyundai gut gelöst. Auf dem Performance-­Driving-Data-System können diverse Fahrdaten wie Leistung, Drehmoment, Ladedruck oder G-Kräfte angezeigt werden, und auch ein Lap-­Timer ist verfügbar. Doch Vorsicht vor zu grosser Ablenkung – der Blick gehört auf die Strasse, nicht auf den Bildschirm.

Bezüglich Ausstattung lassen sich die Koreaner nie lumpen, auch nicht beim i20 N: Hübsche Sportsitze mit Lederakzenten und blauen Ziernähten, LED-Scheinwerfer und Sicherheitsfeatures wie Spurhalteassistent, automatisches Notbremssystem mit Fussgänger- und Fahrraderkennung oder die Verkehrszeichenerkennung mit automatischer Geschwindigkeitsregelung sind serienmässig an Bord. Optionen wie Sitz- und Lenkradheizung, Navi mit 10.25-Zoll-Bildschirm, ein Soundsystem von Bose sowie zusätzliche Assistenzsysteme wie der Totwinkelassistent, der Querverkehrswarner hinten mit Bremsassistent oder der Spurfolgeassistent sind in einem preiswerten Paket für 4200 Franken zusammengefasst.

Mit einem serienmässigen Feature lässt sich der Charakter des i20 N gut auf den Punkt bringen. Die Koreaner haben den Fahrmodusschalter «Grin Control», also Grins-Kontrolle, getauft. Damit kann von Normal auf Eco, Sport, N und N Custom umgeschaltet werden, womit die Parameter für Motormanagement, Stabilitätskontrolle, Auspuffklang und Lenkung entsprechend angepasst werden können. Oder sich eben die Gesichtszüge von einem zufriedenen Lächeln beim Cruisen in ein hingerissenes Grinsen auf der Passstrasse verwandeln. So oder so, Spass bereitet der kleine Hot Hatch in jedem Fall – und das zu einem fairen Preis.

Testergebnis

Gesamtnote 83/100

Antrieb

Guter Antritt zwischen 1500 und 5500 U/min, darunter und darüber etwas träge. Das Zusammenspiel mit dem knackigen Getriebe passt. Ebenfalls stimmig ist die Soundkulisse, auch wenn wir auf den (unaufdringlichen) Soundaktuator verzichten könnten.

Fahrwerk

Sehr straff, aber nicht knüppelhart – das Set-up ist sehr gelungen. Die umfangreichen Modifikationen der Vorderachse sind deutlich zu spüren und zahlen sich aus. 

Innenraum

Gute Sportsitze vorne mit schönen Farbakzenten, hinten etwas viel Hartplastik. Die Verarbeitung wirkt solide. Lobenswert ist die sehr gute Ausstattung für die Preisklasse. 

Sicherheit

Die vielen Assistenzsystemen sind nicht selbstverständlich in diesem Segment – leider sind einige davon aufpreispflichtig.

Budget

Gemessen an der Ausstattung, dem Fahrspass und an den Preisen der Konkurrenz ist der i20 N absolut fair positioniert.

Fazit 

Das Styling des i20 N mit den auffälligen Anbauteilen ist sicher nicht jedermanns Sache. Doch wer einen kleinen Hot Hatchback sucht, der ein tolles Fahrverhalten, ansprechende Fahrleistungen und eine gute Ausstattung bietet, sollte sich den Hyundai unbedingt ansehen. Fahrspass garantiert.

Die technischen Daten und unsere Messwerte zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.