Autor: Theo Uhlir
Das noch aus den 1950er-Jahren stammende Rezept für die Formel V (auch «Formel Vau» geschrieben) war simpel: Man zerlege einen VW Käfer und baue den Motor, das Viergang-Getriebe sowie die Vorder- und Hinterachse in einen einsitzigen Gitterrohrrahmen ein. Zuzüglich weiterer Serienteile des damaligen VW Typ 1, wie Lenkgetriebe, Bremsanlage und originale 15-Zoll-Räder. Am Motor waren nur geringfügige Modifikationen erlaubt, vorgeschrieben war zudem ein Mindestgewicht von 375 Kilogramm – ohne Fahrer und Benzin. Dieses simple Reglement machte Bau und Betrieb dieser kleinen Boliden nicht nur ausgesprochen günstig, sondern sorgte auch für eine enge Leistungsdichte zwischen den Fahrzeugen und somit für spannende Rennen.
Anders als man vielleicht denken könnte, hatte die VW-Käfer-basierte Rennformel ihre Ursprünge nicht in Deutschland, sondern in den USA – und dies schon in den 1950er-Jahren. Erst 1964 brachten Ferdinand Porsche und sein Rennleiter Huschke von Hanstein die ersten zehn «Volksrennwagen» nach Europa und präsentierten diese anlässlich des Bergrennens im süddeutschen Eberbach dem Publikum. Rasch erkannten Rennsportklubs in mehreren europäischen Ländern – auch in der Schweiz – den Wert dieser kleinen Rennautos für den Motorsport-Nachwuchs und schrieben Rennen für die Formel V aus. Bereits 1967 fuhr man auf vielen berühmten Strecken, die Zeiten konnten sich durchaus sehen lassen. Und die Zuschauer fanden Gefallen daran. Denn die Favoriten lagen meist so nahe beieinander, dass um jeden Meter gekämpft werden musste. Je nach Rennstrecke erreichten die kleinen VW-Flitzer dabei Durchschnittsgeschwindigkeiten von bis zu 150 km/h.
Schweizer Formel V von Zarp
Noch heute steht das krude, ungeschminkte Fahrgefühl in einem Formel V für Adrenalin pur, wie sich die AUTOMOBIL REVUE anlässlich einer Probefahrt auf dem Flugplatz Dübendorf ZH selber überzeugen konnte. Das absolut minimalistische Konzept der Formel V erzeugt aufgrund seiner Direktheit und mechanischen Unbestechlichkeit ein ruppig-romantisches Fahrerlebnis und ist auch heute noch ein Spektakel für die Zuschauer.
Für die Probefahrten standen zwei Modelle zur Verfügung, die von den Spezialisten von Amag Classic zu neuem Leben erweckt worden waren: Ein Schweizer Formel V Zarp und ein Fuchs Formel V (Details zu den beiden Fahrzeugen s. Box). Die Tatsache, dass die beiden charmanten «Volksrennwagen» wieder fahrbereit sind, verdanken wir übrigens Amag-CEO Helmut Ruhl, der für ein Interviewfoto ins Cockpit des Formel V Zarp geklettert war und dabei die Lust verspürte, das Museumsstück um ein paar Kurven zu scheuchen. Die spontane Idee stiess bei Konzernkommunikationsleiter Dino Graf auf überaus offene Ohren, und schon bald machte sich ein Team von Amag Classic an die Arbeit.
Noch bevor die AUTOMOBIL REVUE vor einigen Tagen in Dübendorf ins Formel-V-Cockpit steigen durfte, drehte Amag-CEO Helmut Ruhl einige ausgiebige und schnelle Runden auf dem Flugplatz. Ein breites Lächeln auf seinem Gesicht war der schönste Beweis für das gelungene Experiment der zu neuem Leben erweckten Formel-V-Boliden.
Die zwei Formel V von Amag Classic
Formel V Zarp
Der Schweizer Rennfahrer Jürg Dubler gründete zusammen mit zwei Kollegen die Zürich Automobile Racing Partnership (Zarp). Mit den Teilen eines verunfallten VW Käfers 1300 begannen die Zürcher im Herbst 1965 in einer Garage in Oberhasli mit dem Bau eines eigenen Formel-V-Rennwagens. Bei der Präsentation erhielt der Schweizer Bolide gute Presse. Der damalige Direktor der Amag, der ehemalige Rennfahrer Hans Stanek, kam in Oberhasli vorbei, schaute sich den Formel V Zarp genauer an und kaufte vorerst sechs Kits. Dubler hatte deutlich mehr erwartet, daher verfolgte er die Produktion nicht mehr weiter und widmete sich wieder seiner Rennkarriere. So wurde die Produktion des Formel V Zarp nach nur elf Fahrzeugen (ein Teil davon Baukästen) nach rund einem Jahr wieder eingestellt.
Fuchs Formel V
Heinz Fuchs arbeitete bei Porsche in der Versuchsabteilung. Als Ferdinand Porsche und Huschke von Hanstein 1965 die ersten zehn Formel V aus den USA im Werk in Zuffenhausen zwischenlagerten, nahm Fuchs unbemerkt Masse und entwickelte heimlich in seiner Garage ein eigenes Formel-V-Rennfahrzeug – zusammen mit seinem Freund, dem Porsche-Versuchsfahrer Günther Steckkönig. Bei der grossen Präsentation der Formel V von Porsche war Fuchs mit seinem Modell ebenfalls vor Ort – zum Missmut von Porsche und von Hanstein. Er wurde nicht nur des Rennplatzes verwiesen, sondern am darauffolgenden Montag entlassen. In der Folge konzentrierte sich Fuchs auf den Bau seiner eigenen Fahrzeuge, welche Ende der 1960er- bis Mitte der 1970er-Jahre viele Rennen und Titel gewannen.