Eigentlich hätte es bis in die Mongolei gehen sollen. Zurück an den Ursprung der Idee quasi. Nun wird die Reise etwas kürzer, Deutschland, Österreich, Ungarn, Rumänien, Moldawien, Ukraine und wieder zurück. Doch einfach schauen, wohin die Reise so führt, ist nicht mehr. Alles muss geplant sein. Corona, die alte Leier.
Vielleicht ist es in einem ersten Schritt aber auch vernünftig, sich auf Anhieb nicht zu viel zuzumuten. Schliesslich sind weitere Expeditionen geplant. Schliesslich handelt es sich dabei nicht nur um Reisen durch den Raum. Sondern auch durch die Zeit. Und schliesslich ist bereits die Fahrt durch Zürich ein wahrhaftes Abenteuer. «Der fünfte Gang ist fast auf dem Beifahrersitz, der erste rastet nicht immer gleich ein und fliegt ab und an raus. Zudem ist das Anfahren am Berg der blanke Horror», erzählt Isabel mit einem Schmunzeln. Sie und ihr Partner sahen den UAZ 452 vor vielen Jahren auf einer Zugreise durch die Mongolei und verliebten sich sofort in ihn. Er ist ihr erstes eigenes Auto. Fortan soll es möglichst jedes Jahr mit dem Buchanka auf eine grössere Reise gehen.
Irgendwie gleich und doch ein Einzelstück
Eingedeutscht bedeutet Buchanka so viel wie Kastenbrot, wie die Russen den UAZ 452 halb liebevoll, halb respektlos so schön nennen. Der Name rührt nicht nur vom Aussehen des hochgebockten Kleintransporters, sondern auch daher, dass der UAZ zwar ab der Stange kommt, oftmals aber noch selbst nachgebessert werden muss. Oder wie es Dimitri Schwab, Geschäftsführer von Made in Russia in Deutschland und damit spezialisiert auf den Import und die Zulassung russischer Fahrzeuge, gegenüber «Auto Bild» treffend beschrieb: «Die Russen liefern die Geometrie. Den Rest machen wir. Es gibt da dieses Motto: Wenns nicht passt, dann nimm den Hammer und mach es passend.» Und so ist es eben wie beim Bäcker: Jedes Kastenbrot ist irgendwie gleich und doch ein Einzelstück.
In der Schweiz nimmt sich Fritz Vogel von Auto Vogel und Partner im luzernischen Rothenburg als einer der wenigen der Herausforderung der Importwünsche für spezielle Fahrzeuge an: «Es gibt immer eine Möglichkeit, solche Fahrzeuge auf Schweizer Strassen zu bringen. Die Frage ist mehr, wie viel Geld und vor allem Geduld man investieren will.» Zusätzlich zum Basispreis kamen für den UAZ rund 10 000 Franken für den Transport und vor allem die Zulassung zusammen, die Gesamtkosten beliefen sich auf rund 40 000 Franken. «Wir beziehen die Autos meist aus Deutschland. Das hat den grossen Vorteil, dass die E-8-Papiere, also die europäische Einzelabnahme, bereits gemacht ist. Ansonsten wird die Schweizer Zulassung nochmals komplizierter und teurer», sagt Fritz Vogel.
Tausend Tode sterben
Uljanowski Awtomobilny Sawod, kurz UAZ, ist ein russischer Autohersteller aus Uljanowsk an der Wolga. Er gehört zum Sollers-Konzern, der eigene Werke unterhält, Lizenznehmer von Ford und Mazda in Russland ist und diese Fahrzeuge direkt in Russland herstellt. Der Rest ist einigermassen undurchsichtig. Und auch nicht sonderlich spannend.
Interessanter: «Es ruckelt, ist grob und macht erstmal gar nicht das, was man will. Doch daran gewöhnt man sich schnell. Trotzdem glaube ich, Fritz starb tausend Tode auf dem Beifahrersitz während der ersten Testfahrt», erzählt Isabel.
«Man muss sich an den UAZ gewöhnen, und das Auto muss sich an dich gewöhnen, dann kommt man gut miteinander aus», erwidert Fritz Vogel. Der grösste Vorteil des rudimentären UAZ sei seine Zuverlässigkeit, die entschädige für viele Macken. «Im sibirischen Winter machen sie beim Diesel ein Feuer unter dem Tank und warten, bis er startet. Fahrspass ist auch, insbesondere auf Reisen, keine Angst vor dem Liegenbleiben zu haben», sagt Fritz Vogel. Was für die neuen Besitzer auch das entscheidende Argument zugunsten des UAZ war. «Bekannte sind mit einem VW T6 in Kirgistan gestrandet, weil ein eigentlich banales Teilchen niemand reparieren konnte. Dieses Problem hat man mit dem UAZ kaum», sagt Isabel.
Vom Rührteig zum Kastenbrot
Was in östlicheren Ländern normal ist, wirkt auf Schweizer Strassen nicht nur aufgrund der kyrillischen Beschriftungen wie ein Exot. «Dort, vor allem auf dem Land und in ärmeren Gebieten, sieht man den UAZ an jeder Ecke. Sie fahren als Kleinbusse, Krankenautos oder Steppenmobile», erzählt Isabel. Ursprünglich fürs Militär entwickelt, wird der 452 seit 1965 beinahe unverändert gebaut. Alles daran ist, sagen wir, zweckmässig. Der schier unverwüstliche 2.7-Liter-Vierzylindermotor mit 112 PS und 198 Nm sitzt zur besseren Erreichbarkeit und der Maximierung des Platzes zwischen den Vordersitzen. Der Fahrer klebt beinahe im seitlichen Schiebefenster. Eine Heizung gibt es, vor allem im Sommer übernimmt deren Funktion aber der Motor, dessen Wärmeabdeckung zugleich als riesige Mittelarmlehne dient. Klimaanlage? Fehlanzeige. Schliesslich wird es in weiten Teilen Russlands auch im Hochsommer nicht sonderlich warm. Airbags sind ebenfalls keine mit an Bord, dafür gibt es eine Servolenkung und ABS. Sämtliche Schläuche und Kabel liegen frei, der Tacho sitzt mittig, darunter ein paar Schalter und Knöpfe für die wichtigsten Bedienelemente. Die Sitze sind mit einer wasserabweisenden Teflonbeschichtung bezogen, als Komfort-Highlight gibt es eine Sitzheizung. Kaum jemals traf die Beschreibung, bei den Schaltvorgängen mit viel Kraft in einem Teig zu rühren – Kastenbrot, da haben wir es wieder –, besser zu. Zwei weitere, lange Hebel für das Allradgetriebe mit Differenzialsperre hinten und einer Untersetzung, die technische Voraussetzung für sämtliche Expeditionsfahrer, welche die 30 Grad Böschungswinkel im Gelände erfahren wollen, vermitteln das Ambiente eines Lastwagens. Ziemlich hochgebockt erinnert auch das Fahrverhalten im normalen Strassenverkehr daran.
Besser in der Steppe als im Dschungel
«Der überwiegende Teil der Passanten hat Spass an unserem Gefährt, lacht, winkt, wenn sie uns sehen», erzählt Isabel. Das sympathische Gesicht mit den Glubschaugen, der auffälligen Form und den russischen Beschriftungen weckt freudige Aufmerksamkeit, selbst in der Stadt. «Wenn sich nicht gerade wieder der erste Gang verselbstständigt. Dann wird gerne gehupt, falls man an einer Ampel nicht sofort losfährt. Manchmal hupe ich zurück, sie funktioniert schliesslich wie in einem ganz normalen Fahrzeug», erzählt Isabel lachend. Vom Grossstadtdschungel sind die beiden Besitzer des russischen Reisemobils derzeit aber ohnehin weit entfernt. Mit dem Ziel, baldmöglichst in die mongolischen Steppe, an den Ursprung der UAZ-Idee also, zurückzukehren.
Wir bedanken uns bei den Besitzern und Auto Vogel und Partner AG in Rothenburg LU für die Bereitstellung des Testfahrzeugs.