Lotus Elise: auf Wiedersehen und Dankeschön!

Nach 25 Jahren ist das Ende der Lotus Elise gekommen. Wir sind die Final Edition gefahren und blicken schon fast wehmütig auf einen der letzten Verteidiger der alten Garde des puristischen Fahrspasses.

Vorab eine Warnung: Dies ist mehr ein subjektiver Fahrbericht als ein nüchterner Test. Denn zum ersten Mal mit einer aussterbenden Spezies in Berührung zu kommen, ist vor allem eines: eine Erfahrung. 25 Jahre hat es sie gegeben, das ist fast so lang, wie ich mich für Autos interessiere. Kaum zu glauben, dass ich nie näher in Kontakt gekommen bin mit der Elise, um deren Existenz und Mythos ich allerdings nur zu gut wusste. Und jetzt kommt es doch noch so weit. Auf den letzten Drücker sozusagen, denn nach 25 Jahren verabschiedet Lotus die Elise. Wir haben das in der AR-Ausgabe 21/2021 bereits gebührend getan und zurückgeblickt auf ihre Geschichte, die geprägt war von wenigen neuen Generationen und vielen Sondervarianten.

Nach der Serie 1 von 1996 folgte im Jahr 2001 die Serie 2 mit neuer Optik, neuer Karosserie und neuem Fahrwerk. Ab 2004 wurden die veralteten Rover-Motoren schrittweise durch die Toyota-Motoren abgelöst. 2010 folgte dann die Serie 3, die von vielen eher als Facelift denn als echte neue Generation angesehen wird. Und die Serie 3 ist geblieben, bis heute. Diese hier ist die Final Edition. Also wirklich: die letzte Elise.

Es beginnt bei den Pedalen

Wir nehmen die Elise an einem regnerischen Samstagmorgen in Empfang. Oder besser gesagt: Frank Ammann von Importeur Kumschick nimmt uns in Empfang, gleich nachdem er einem Kunden, der eine Elise für das Wochenende gemietet hat, erklärt hat, wie man die Füsse richtig positioniert, um sich nicht in den Pedalen zu verheddern.

Ob er denn viele Kunden habe, die eine Elise mieten, wollen wir wissen. Einige schon, meint Ammann. Und ob sich das finanziell lohne? Eigentlich nicht, aber vielleicht könne man sie zu ­einem Kauf bewegen, wenn sie Spass hätten. Aber die Elise ist doch ausverkauft, schliesslich wird die Final Edition nur noch in limitierter Auflage gebaut? «Das Kontingent für die Schweiz ist ausgeschöpft. Wir führen eine Warteliste und hoffen, dass Käufer in einem anderen Markt abspringen, sodass wir noch das eine oder andere Fahrzeug erhalten.» Und das alles für ein Auto, das kaum mehr kostet als ein gut ausgestatteter VW Golf.

Viel geändert hat sich nicht mit der Final Edition. Aus der Sport 220 wurde die Sport 240, dank einer geänderten Motorelektronik hat sie also 20 PS mehr. Dazu gibt es einige neue Farben und zum ersten Mal einen digitalen Instrumentencluster. Dieser ersetzt die bisherigen zwei Rundinstrumente. Ein simples, rechteckiges Display mit simplen Anzeigen. Man mag den klassischen Uhren ja nachtrauern, aber irgendwie passt das ganz gut zur Reduce-to-the-Max-Philosophie von Lotus.

Gefühl ist alles

Wir erhalten dieselbe Lektion über die Positionierung der Füsse auf den viel zu eng beieinander liegenden Pedalen. Wird schon gehen, andere schaffen das auch. Die Elise ist weiterhin ein wendiges, kleines Auto für wendige Menschen. Das Ein- und vor allem Aussteigen über die monströsen Schweller braucht einige Anläufe, bis es auch nur halbwegs elegant klappt. Gescheite Ablagen für Telefon, Schlüssel und Portemonnaie gibt es weiterhin keine, mit Ausnahme der Regenrinne vor dem Beifahrer, wo das Zeugs in jedem Bogen hin- und herfliegt, und der beiden Minifächer bei den Türanschlägen. Auf der Beifahrerseite gibt es optional sogar einen USB-Anschluss – aber da ein Kabel hineinzufingern hat auch der Kollege mit den längsten und dünnsten Fingern nicht geschafft.

Der Mittelmotor ist der bekannte 1.8-Liter-­Vierzylinder von Toyota. Der 2ZR-FE wurde mit einem Kompressor versehen und liefert in der Final Edition 179 kW (243 PS) bei 7200 U/min sowie ein Drehmoment von 244 Nm zwischen 3000 und 7000 U/min. So viel zu der Theorie – wir wollen Praxis. Der Motor erwacht überraschend zurückhaltend. Aufdringliche Lautstärke war noch nie das Ding der Elise, dieser Devise bleibt sie treu bis zum Ende. Kein Going out with a bang.

Aber nur weil der Motor keinen Lärm macht, heisst das nicht, dass er nicht gut arbeitet, Lärm ist auch nur Verlust. Der aufgeladene Reihenvierer zieht nahezu verzögerungsfrei an und hat bereits ab 2000 U/min genügend Dampf, um die Elise vorwärtszudrücken. Mit 922 Kilogramm Leergewicht ist die Final Elise etwas schwerer als frühere Varianten und mit einem Leistungsgewicht von rund 3.8 kg/PS weit von Supersportwagen entfernt. Die Beschleunigung auf Tempo 100 dauert laut Lotus 4.5 Sekunden. Selber nachgemessen haben wir nicht, und wenn wir es getan hätten, wären wir wohl enttäuscht gewesen. Wie bei der Exige hat man uns auch bei der Elise davor gewarnt, dass sie wohl die Werkswerte nicht erreichen würde.

Und die 4.5 Sekunden sind ja auch mehr als bei manch einem gut motorisierten SUV heute. Aber, who cares? Gefühl ist alles – und das stimmt. Und wie. Die Schaltung ist knackig und präzise geführt, rastet bei jedem Gangwechsel sanft, aber bestimmt in ihrer Position ein. Die offene Schaltkulisse ist ohnehin ein Traum für jeden der sich auch nur am Rand für Technik interessiert. Als ob es noch ­einen Beweis bräuchte, dass an diesem Auto alles mechanisch ist, alles noch echt eben.

Unbeschwerte Leichtigkeit

Inzwischen sind wir am Klausenpass angelangt und wollen die Kurvenfähigkeit der kleinen Britin spüren. Das Wetter wird immer britischer, es beginnt zu nieseln. Die Elise wäre ja ein Auto, das offen gefahren werden will und soll. Aber die Feuchtigkeit macht das wenig attraktiv, und man fragt sich, wieso zur Hölle die Briten zur Cabrio-Nation geworden sind.

Dass wir fast nahtlos von der Exige auf die Elise umgestiegen sind, bringt das Problem mit sich, dass irgendwo im Unterbewusstsein noch der Vergleich mit der ungleichen grossen Schwester mitschwingt. Ein Vergleich, den es nicht geben sollte, so grundverschieden sind die beiden Autos und vor allem ihre Motoren. Und trotzdem ist da immer das Gefühl der über 400 PS der Exige, der 400 Nm, die brachial auf die Hinterachse einwirken, des 3.5-Liter-V6, der plärrt und faucht. Im Gegensatz dazu ist der kleine Reihenvierzylinder der Elise angepasst und zurückhaltend, ohne grossartige Abgasanlage. Die Kraftentfaltung geschieht linear, beinahe ruhig und ohne Überraschungen.

Aber irgendwie passt das, denn das Auto lebt nicht von seinem Motor, sondern von seinem grossartigen Fahrwerk, von der Agilität, von der Leichtigkeit, der Präzision. Vom ungefilterten Fahrerlebnis. Die Schalensitze sind hart und kaum gepolstert, die Sitzposition eine knappe Handbreit über dem Boden, sodass man jederzeit das Gefühl hat, die Kieselsteine würden am Allerwertesten kitzeln. Und nicht nur das: Auch in den Fingern ist alles ungefiltert. Mit den üblichen, elektrischen Servolenkungen heute ist «direkt» ja beinahe zu ­einem Begriff aus vergangenen Zeiten geworden. Bei der Elise ist er noch aktuell. Das Auto folgt den Bewegungen des – in der Final Edition leicht grösser gewordenen – Lenkrades messerscharf und lässt sich mit unbeschwerter Leichtigkeit über die kurvigen Passstrassen dirigieren.

Trauertränen

Der Regen wird stärker und stärker – traurige Tränen zum Abschied. Auch nach 25 Jahren kämpft die Elise noch mit denselben alten Problemen, und das Regenwasser beginnt zwischen dem Stoffdach und den Seitenscheiben herunterzurinnen, der einzelne Scheibenwischer kämpft gegen die Wassermassen, und die leichte Elise schwimmt auf der gefluteten Strasse auf. Die Fahrgeräusche verunmöglichen jedes Gespräch. Aber das Auto erfordert sowieso die ganze Konzentration. Ein selten gewordenes Gefühl heute. Die Hoffnung bleibt, dass es auch bei den neuen Lotus-Modellen ein Wiedersehen mit diesen klassischen Werten geben wird.

Die technischen Daten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

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