Wenn es um die Elektromobilität geht, hält sich die Speerspitze der deutschen Automobilindustrie auffallend stark zurück. Einzig Audi fährt mit Vollgas in Richtung Elektroantrieb – mit inzwischen vier verschiedenen Plattformen für Elektroautos, drei davon dedizierte E-Plattformen. Bei BMW herrscht noch immer ziemliche Funkstille. Und Mercedes beginnt unter dem EQ-Label erst so langsam, die Elektropalette hochzufahren. Mit EQA, EQB, EQC, EQS und EQV sind inzwischen fünf Modelle erhältlich, die sich eng an den entsprechenden Verbrennermodellen orientieren. Der EQC als Pendant zum GLC ist somit wenig überraschend der meistverkaufte Stromer von Mercedes mit relativ grossem Abstand vor dem EQA. Ähnlich wie das kompakte SUV GLA soll der EQA eine junge, urbane Kundschaft ansprechen. Die Verwandtschaft zwischen den beiden Modellen ist auch auf den ersten Blick sichtbar, und das Gefühl, einen «ganz normalen Mercedes» zu fahren, zieht sich durch den gesamten Test. Die Gemeinsamkeiten gehen mit weniger offensichtlichen Komponenten wie beispielsweise dem Unterbau über die Abmessungen und die Optik hinaus. Anstatt eine eigene Elektroplattform zu entwickeln, nutzt Mercedes-Benz für den EQA die W177-Plattform, auf der auch die A-Klasse und der GLA aufbauen. Das hat einerseits den Vorteil der eingesparten Entwicklungskosten – Volkswagen soll einen Milliardenbetrag in die Entwicklung der MEB-Plattform investiert haben – und ermöglicht andererseits die Nutzung von Synergien in der Fertigung. So wird der EQA im Werk in Rastatt (D), rund 50 Kilometer nördlich von Strassburg (F), parallel zum GLA gebaut.
Einfach ein Mercedes
Die Nutzung einer Verbrennerplattform hat einige bauliche Konsequenzen. So sitzen Motor, Getriebe und ein Teil der Leistungselektronik vorne im Motorraum über der Vorderachse. Somit ist der EQA ein Fronttriebler – oder ein Allrad, je nach Ausstattungsvariante. Auf jeden Fall bedeutet es: kein Skateboard. Und damit auch, dass die baulichen Vorteile, die ein Elektroauto bieten kann, nicht genutzt werden.
Die W177 wurde aber so weit angepasst, dass die Batterien nicht zerstückelt im Auto verteilt werden müssen, sondern in drei Elementen im Unterboden des Fahrzeuges Platz finden, ähnlich wie in einer echten Elektroplattform. Aber das Fahrzeug ist halt doch irgendwie ein GLA, sodass die relativ massiven Batterien im Unterboden Einschränkungen im Innenraum zur Folge haben, namentlich im Fond. Dadurch dass der Einbau der Rückbank wenig Freiheit bietet, ohne dass die Kopffreiheit arg eingeschränkt würde, ergibt sich auf den Rücksitzen eine wenig natürlich Sitzposition. Sie ist niedrig, und Erwachsene werden nur mit eng angezogenen Beinen sitzen können. Es muss aber auch erwähnt werden, dass sich für Kinder auf der Rückbank dieses Problem nicht stellt.
Auch im Kofferraum müssen Einschränkungen in Kauf genommen werden, da ein Teil der Elektronikkomponenten noch dort verbaut wird. Mit einem Ladevolumen von 340 Litern hinter der zweiten Reihe bietet der EQA knapp 100 Liter weniger als ein GLA, was einigermassen unverständlich ist, da bereits der gesamte Motorraum vorne durch Antriebskomponenten besetzt ist, sodass es auch keinen Frunk gibt. Immerhin lässt sich die Rückbank zweifach geteilt abklappen, was viele Möglichkeiten bietet, das Auto zu beladen.
Im Innenraum ist alles typisch Mercedes. Der EQA ist auch hier mehr ein GLA mit Elektroantrieb als ein komplett neues Modell. Eigentlich lässt sich der Unterschied bloss an den Anzeigen festmachen, die elektrospezifisch angepasst wurden. Und das ist alles andere als eine Kritik, schliesslich gibt es auch am GLA wenig zu kritisieren, was Innenraumgestaltung, Qualität und Verarbeitung angeht. Serienmässig gibt es die mehrfarbige Ambientebeleuchtung im gesamten Interieur mit einer zusätzlichen Beleuchtung des Armaturenbrettes. Wer es ausgefallener mag, kann die Lüftungsdüsen in Rosé haben, wem der Elektroantrieb nicht ausreicht, um das Gewissen zu beruhigen, kriegt Sitze aus rezykliertem PET.
Die Anzeigen bestehen serienmässig aus zwei Sieben-Zoll-Bildschirmen, der Aufpreis für die Zehn-Zoll-Screens sollte auf jeden Fall in Kauf genommen werden. Die Bedienung des MBUX über das Touchpad auf der Mittelkonsole und den Touchscreen funktioniert wie gewohnt, und die Sprachsteuerung von Mercedes gehört nach wie vor zu einer der besten – beziehungsweise einer der wenigen, die wirklich funktionieren.
Äusserst sparsam unterwegs
Neben der von uns getesten Version EQA250 mit Frontantrieb mit 140 kW (190 PS) hat Mercedes auch noch den EQA300 4Matic mit Allradantrieb und 168 kW (228 PS) und den EQA350 4Matic, ebenfalls mit Allradantrieb, mit 215 kW (292 PS) im Angebot. Unabhängig von der Antriebsvariante kommt eine Lithium-Ionen-Batterie mit einer Nettokapazität von 66.5 kWh zum Einsatz.
Gemäss Werksangabe soll das dank eines sehr niedrigen Verbrauch für eine Reichweite von 406 Kilometern nach WLTP ausreichen. In der Praxis dann die Überraschung: Der Stromverbrauch des Elektronen-Sterns ist tatsächlich äusserst zurückhaltend und die Reichweite entsprechend grosszügig. Auf der AR-Normrunde stand die Uhr nach den rund 120 gefahrenen Kilometern im Mischverkehr bei einem Durchschnitt von 17.9 kWh/100 km. Damit positioniert sich der Mercedes-Benz EQA im Konkurrenzvergleich auf einem sehr guten Platz in seinem Segment. Und wer rechnet, merkt: Eine im Alltag realistische Reichweite liegt – ein zurückhaltender Gasfuss vorausgesetzt – bei rund 370 Kilometern pro Ladung.
Und der Gasfuss kann dabei fast vollständig ein Gassfuss bleiben. Über die Schaltpaddels hinter dem Lenkrad lässt sich die Stärke der Rekuperation mehrstufig verstellen, sodass das Bremspedal bei vorausschauender Fahrweise nur zum Abbremsen bis zum Stillstand bemüht werden muss. Denn anders als beispielsweise Ford im Mustang Mach-E lässt sich der EQA nicht komplett stoppen, solange das Bremspedal nicht gedrückt wird, die Elektronik verzögert nur bis zu einem langsamen Kriechen. Wenn die Batterie leer ist, lässt sich diese an einer entsprechenden Schnellladestation mit bis zu 100 kW wieder auffüllen. Für die Ladung von zehn auf 80 Prozent gibt Mercedes eine Standzeit von einer halben Stunde an.
Apropos schnell: Die Fahrt auf der Autobahn bei mehr als Tempo 100 zehrt dann ordentlich an der Batterie, die maximale Reichweite fällt auf deutlich unter 300 Kilometer. Und das Auto wird laut mit dominant wahrnehmbaren Windgeräuschen. Gegen dieses typische Elektroproblem hat auch Mercedes keine gescheite Lösung gefunden, trotz all der aerodynamischen Optimierungen. An der Front, da wo beim Halbbruder GLA der Kühlergrill sitzt, trägt der EQA eine Kunststoffabdeckung, und die Air-Curtains leiten die Luft durch die Frontschürze um die Vorderräder herum. So werden Verwirbelungen verhindert, was den Luftwiderstand verringert und Komfort und Reichweite verbessert. Abgesehen vom fehlenden Kühlergrill gibt es indes wenig, was den EQA als Stromer kennzeichnet, genauso gut könnte er ein aufgehübschter GLA sein. Einziges markantes Stilelement, vor allem im Dunkeln: die durchgezogenen LED-Streifen vorne in Weiss zwischen den Scheinwerfern und hinten in Rot zwischen den Rückleuchten. Ausserdem gibt es für den EQA neue Felgen, wahlweise in 18 bis 20 Zoll, die aerodynamisch optimiert sind.
Gemächlich, nicht gemütlich
Und noch einmal wollen wir über das Stichwort «schnell» reden. Das ist der EQA nämlich nicht. Der Anzug auf den ersten Metern ist stark, lässt aber auch stark nach. Beim EQA250 vergehen bis Tempo 100 rund neun Sekunden. In der Elektrowelt ist das schon fast eine halbe Ewigkeit – im Vergleich mit den Verbrennern des gleichen Segments ist das Durchschnitt. Die Elektroautos sind also gewissermassen in der Normaltät angelangt. Beim leistungsstärksten EQA350 mit 292 PS schrumpft der Wert auf ansehnliche sechs Sekunden.
Mit einem Leergewicht von knapp über zwei Tonnen ist der EQA kein Leichtgewicht und wiegt rund 400 Kilogramm mehr als ein GLA. Da zeigt sich auch das grösste – fairerweise muss man sagen: fast das einzige – Problem des EQA. Das Fahrwerk zeigt sich oft überfordert mit der Masse, das Fahrzeug wankt stark in Kurven und wird bei motivierter Fahrweise sehr schnell nervös und unangenehm. Um den Test mit einem positiven Punkt abzuschliessen: Optional gibt es für den EQA eine Anhängerkupplung für bis zu 750 Kilogramm Anhängelast. Bei den Elektroautos ist das immer noch die Ausnahme.
Und was kostet der Stern-Stromer? Der Basispreis für den EQA beträgt 48 900 Franken und damit bloss rund 2000 Franken mehr als für den entsprechenden GLA – kommt aber bereits mit einer besseren Grundausstattung. Die Aufpreispolitik ist, typisch Mercedes, alles andere als zurückhaltend, sodass unser Testwagen auf einen Endpreis von 65 440 Franken zu stehen kommt. Somit ist das Fazit auch klar: Wer einfach ein praktisches Elektro-SUV sucht, bekommt Günstigeres. Wer zwischen GLA und EQA schwankt, hat mit dem Stromer wenigstens preislich keinen Nachteil.
Testergebnis
Gesamtnote 79/100
Antrieb
Der Antrieb des Mercedes EQA ist solide, der Verbrauch erstaunlich bescheiden. Eingeschränkt wird die Reichweite durch die eher kleine Batterie mit 66.8 kWh Bruttokapazität.
Fahrwerk
Eine der wenigen Schwachstellen des EQA ist das Fahrwerk, das mit dem hohen Fahrzeuggewicht zu kämpfen hat. Das führt zu starkem Wanken in den Kurven.
Innenraum
Mercedes setzt auf Bewährtes, der Innenraum könnte genauso gut aus einem GLA sein. Die Sitzposition im Fond ist für Erwachsene unangenehm, da im Fussraum die Batterie Platz beansprucht.
Sicherheit
Die ganze Bandbreite an Sicherheitssystemen und Assistenten ist verbaut und zeigte sich im Test als zuverlässig. Ausserdem: Das Head-up-Display kommt mit Augmented Reality.
Budget
Mercedes ist deutsche Premiumklasse, das will entsprechend bezahlt sein. Positiv ist, dass der Preisunterschied zwischen einem EQA und dem vergleichbaren GLA minimal ist.
Fazit
Der grosser Wow-Effekt stellt sich beim Mercedes EQA nicht ein, letzlich ist er ein elektrifizierter GLA. Aber – und das muss gesagt sein – er überzeugt mit der von Mercedes gewohnt hohen Qualität und einem zurückhaltenden Verbrauch.
Die technischen Daten und unsere Testdaten zu diesen Modellen finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.