Zäher Juni – zögerliche Aufholjagd

Dem Aufschwung im Automarkt fehlt es an ... Schwung. Die Juni-Zahlen liegen nur um 6.2 Prozent über dem Vorjahr. Die Halbjahresbilanz ist immerhin um 20.7 Prozent besser als 2020. Stark wie nie sind die Steckerfahrzeuge.

Autor: Daniel Riesen

Plus 20.7 Prozent. Das ist in einer Zahl zusammengefasst die Bilanz der Neuwagenverkäufe im ersten Halbjahr 2021. Ein Fünftel mehr Autos wurden eingelöst als in Corona-Jahr 1. Nun haben wir Corona-Jahr 2, und die Stimmung in der Schweiz und weltweit ist deutlich entspannter und auch optimistischer als auch schon.

Plus 20.7 Prozent klingt gut, doch das ist nur ein Teil der Wahrheit. Zum einen ist der Weg zurück zu normalen Verhältnissen zäher, als manche gedacht haben mögen. Im Juni betrug das Plus im Vergleich zum Vorjahresmonat nur 6.2 Prozent. Das wiederum ist dann doch nicht allzu schlecht, denn der Juni 2020 war ein Monat der Erholung nach dem Frühlings-Lockdown. Um die Verkäufe in ein Verhältnis zu setzen: Im Juni 2021 wurden 26 000 Autos immatrikuliert, im sehr umsatzstarken Juni 2019 waren es etwas mehr als 28 000. Den Eindruck eines knapp halb vollen Glases, wenn man auf die Gesamtzahlen blickt, vermittelt auch Christoph Wolnik, Sprecher des Importeurverbands Auto-Schweiz: «Wir sind beim Marktvolumen noch nicht da, wo wir gerne wären. In den kommenden sechs Monaten liegt noch ein ganzes Stück Arbeit vor uns, damit unsere Jahresprognose von 270 000 neuen Personenwagen überhaupt Realität werden kann.» Dass die Erholung keinem Boom gleicht, hat nicht nur mit vorsichtigen Konsumenten zu tun. Längere Wartezeiten für gewisse Modelle sind nicht selten, die Zulieferketten sind nach wie vor angespannt. In die Schlagzeilen haben es vorab die fehlenden Halbleiter geschafft, es kann aber auch andere Komponenten treffen.

Elektroboom dank Tesla-Nachschub

Ein breites Echo verursachte der Elektroschub im Juni. Mit 14.2 Prozent erzielten die Elektroautos einen höheren Marktanteil als Dieselfahrzeuge (13.5 %). Vor fünf Jahren lag der Dieselanteil noch dreimal so hoch. Das Juni-Hoch der Elektroautos entspricht zwar dem Trend, wurde in diesem Monat aber durch einen Sonderfaktor Tesla erzielt. Dort lag man bis Ende Mai deutlich hinter dem Vorjahr und hatte unter den E-Autos einen Anteil von lediglich 11.3 Prozent. Im Juni aber konnten Bestellungen abgearbeitet werden, der Anteil von Tesla am Markt der Vollelektrischen betrug rund ein Drittel. Erklärungen zu dieser Aufholjagd waren innert nützlicher Frist bei den Schweizer Tesla-Sprechern nicht erhältlich.

Steckerfahrzeuge, also Vollelektrische plus Plug-in-Hybride, schafften im Juni einen Marktanteil von fast einem Viertel, übers erste Halbjahr insgesamt immerhin 18.2 Prozent. Rechnet man konventionelle Hybride und Mild-Hybride dazu, schafften die elektrifizierten Antriebe beinahe 40 Prozent. Da passt es gut, dass hierzulande der Zubau an Fotovoltaikanlagen allmählich stärker in Fahrt kommt (plus rund ein Drittel im Vergleich zum vergangenen Jahr).

VW vorn, Audi legt zu

Verschiebungen gibt es, wie immer, in der Markenlandschaft. Branchenleader VW lag nach vier Monaten noch auf dem ungewohnten zweiten Platz, konnte im Juni aber dann doch wieder mehr Luft zwischen sich und Verfolger Mercedes bringen. Die Marke Volkswagen ist die einzige in der Schweiz mit einem zweistelligen Marktanteil. Auf Platz drei folgt BMW, im ersten Halbjahr 2021 rund 2000 Exemplare hinter dem Rivalen aus Stuttgart. Mächtig aufgeholt hat Audi (+58.4 % im Vergleich zum ersten Halbjahr 2020), bis zu den Münchnern fehlen aber wiederum rund 2000 Fahrzeuge.

Ein Blick auf andere Hersteller, die sich das Label Premium anstecken dürfen: Volvo, zuletzt sehr erfolgreich, verliert 2021 ein bisschen Volumen und deutlich an Marktanteil, Land Rover hält sich gut, Alfa Romeo fällt zurück, und Lexus kommt überhaupt nicht von Fleck.

Japan und Korea im Plus

Unter den Anbietern, die hierzulande gemeinhin als Volumenmarken gelten, machte Suzuki mit plus 58 Prozent den kräftigsten Satz. Ebenfalls Zuwächse deutlich über dem Schnitt verbuchten weitere Fernost-Marken wie Kia, Mazda, Hyundai und Toyota.

Selbst Honda kommt allmählich wieder in die Gänge. Mit 1279 Einheiten setzt man beinahe dreimal mehr Autos ab als im ersten Halbjahr 2020, steht damit wieder bei 1.0 Prozent Marktanteil.  Die Jahre 2020 und 2021 sieht man bei Honda als Übergangsjahre hin zur Elektrifizierung. «Zum erfreulichen Ergebnis im zweiten Quartal dieses Jahres hat vorab der neue Honda Jazz Hybrid beigetragen. Ende Jahr startet in Europa der neue HR-V Hybrid, und 2022 folgt der neue Civic, mit dem wir die Ära der Verbrennungsmotoren abschliessen», erklärt Sprecher Romeo Eugster.

Ein Kleinwagen macht den Unterschied

Kräftig vorwärts im Vergleich zum Vorjahr macht Peugeot. Auch die Franzosen sind noch ein Stück von einstiger Grösse entfernt, konnten aber im ersten Halbjahr um satte 50.6 Prozent zulegen. Dies sei teils auch auf Effekte schwankender Lieferbarkeit zurückzuführen, führt Marketingdirektor Tobias Dilsch aus. Kräftigste Säule des Umsatzwachstums bildet der Peugeot 208. Der Kleinwagen ist schon ein Weilchen auf dem Markt, aber erst seit einem Jahr bedarfsgerecht lieferbar. 25 bis 30 Prozent aller verkauften 208 fielen auf die Elektrovariante, so Dilsch. 

Am anderen Ende der Skala stehen derzeit die Marken der Allianz von Renault, Nissan und Mitsubishi. Alle drei Marken verzeichnen rückläufige Verkäufe im Vergleich zum schon argen Jahr 2020. Kumuliert schrumpfte der Marktanteil der Allianz-Marken von 7.7 auf 5.5 Prozent.

Mit einem Minus von 34.4 Prozent sticht dabei Mitsubishi heraus. Ein Resultat, das nicht erstaunt angesichts der Ankündigung vom Sommer 2020, vorläufig in Europa keine neuen Modelle zu lancieren. Was wie ein Rückzug vom Kontinent auf Raten klingt, soll es nicht sein. Inzwischen gibt es bereits Pläne für neue Mitsubishi-Modelle mit Zeithorizont 2023.

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