Maserati Levante Trofeo: mit einem Herz aus Maranello

Schnelle SUV bauen können auch andere. Aber um diesen auch noch die italienische Seele einzuverleiben, dazu braucht es schon etwas mehr. Etwa einen Motor aus Maranello.

Es gibt auch andere Konzerne, die potente SUV bauen, aber FCA kann das irgendwie noch eine Stufe besser. Ja, der Konzern heisst inzwischen Stellantis, aber dessen bessere Hälfte trägt reichlich wenig zum sportlichen Charakter bei. Deshalb: FCA. Da gibt es den Jeep Grand Cherokee Trackhawk, dem man in Detroit anstelle eines zivilisierten Pentastars den Hellcat-Hemi mit 717 PS eingepflanzt hat. Dann ist da der Alfa Romeo Stelvio QV. Das hübsche, italienische SUV wird dank 510 PS aus einem Ferrari-Motor in die Topliga der SUV beschleunigt.

Und eben: der Maserati Levante Trofeo. Bei manch anderem SUV-Testbericht würden wir jetzt erst über die Stärken und Schwächen von Verarbeitung und Ergonomie lamentieren. Nicht bei diesem Auto. Da stürzen wir uns direkt auf das Herzstück, darauf, was den Trofeo ausmacht. Das, was unter der Haube steckt. Und noch bevor überhaupt der Start-Knopf gedrückt ist, wird klar, dass der Trofeo kein Kind von Traurigkeit sein kann. Unter einer Hochglanz-Karbonabdeckung blitzen die Ansaugbrücken in Ferrari-Rot hervor. Der 3.8-Liter-V8 mit 427 kW (580 PS) ist der gleiche Basismotor wie im Alfa Romeo Stelvio, nur mit zwei Zylindern und 70 PS mehr.

Motor aus Maranello

Während sich seit einigen Jahren die Gerüchte halten, dass die Motoren-Liaison zwischen Ferrari und Maserati ein Ende nehmen wird – und Maserati mit dem Nettuno erst kürzlich wieder ein eigenes Aggregat vorgestellt hat –, ist der F154 des Levante entwickelt und gebaut von Ferrari und wird von Maranello nach Turin geliefert. Ferrari setzt selber auf einen ähnlichen Motor, zuletzt beispielsweise im SF90, jedoch mit einem markanten Unterschied: Während die hochdrehenden Ferrari-­Motoren mit einer Flatplane-Kurbelwelle arbeiten, kommt bei Maserati wie auch bei Alfa Romeo die Crossplane-Kurbelwelle zum Einsatz.

Der Intensität des Antriebs tut das aber keinen Abbruch. Die 730 dröhnenden Newtonmeter liegen bei 2500 U/min an. Wenn man es darauf anlegt und die Launch-Control aktiviert, prügelt der Twinturbo ordentlich vorwärts. Ab 5000 U/min zeigt sich ein kleiner Durchhänger, da das Leistungsmaximum erst bei 6250 U/min anliegt. Aber das alles geht schnell. Bis Tempo 100 dauert es gemäss Maserati 4.1 Sekunden, knappe 4.4 Sekunden waren es bei unseren eigenen Messungen – was auch der unglücklichen Getriebeabstimmung geschuldet ist, die kurz vor Tempo 100 noch einmal einen Wechsel in den dritten Gang nötig macht.

Begleitet wird das ganze von einem infernalischen Trompeten, und wer den Stelvio mag, wird den Levante lieben. Ja, wir wissen, dass Lärmbelästigung heute nicht mehr cool ist, aber in gewissen Fällen ignoriert man das dann halt doch, denn einen derart grossartigen Sound will man nicht – nein, kann man nicht – mit konstantem Eco-­Drive bei 2000 U/min abwürgen. Auch wenn das fürs Portemonnaie zweifellos besser wäre, denn bei motiviertem Fahrstil sind die acht Zylinder halt einfach durstig. Bei sportlicher Fahrt steht die Nadel jenseits der 20-Liter-Marke, und auf unserer vernünftig gefahrenen AR-Normrunde waren es immer noch 9.2 l/100 km.

Dann wollen wir auch noch kurz die restliche Motorenpalette ansprechen, schliesslich ist die Spreizung beim Levante riesig – obwohl der Zweiliter-Diesel bereits 2018 wieder aus dem Programm entfernt wurde. So geht es immer noch von der Global Medium Engine aus dem FCA-Katalog mit zwei Litern Hubraum, Mildhybrid und 330 PS bis zu besagtem Ferrari-Motor, der wohl einem Ferrari-SUV am nächsten kommt, bis der Purosangue voraussichtlich nächstes Jahr vorgestellt werden soll.

Beeindruckend

Die beeindruckende Potenz des Levante Trofeo beschränkt sich natürlich nicht auf den Motor. Mit den drei Fahrmodi Sport, Corsa und I. C. E., was bei Maserati so viel bedeutet wie Komfort, werden das Ansprechverhalten von Motor und Getriebe und das Luftfahrwerk geregelt. Das Fahrwerk ist in jedem Fall sportlich-hart abgestimmt, sodass die Fahrdynamik trotz des SUV-typisch hohen Schwerpunkts der Motorleistung in nichts nachsteht. Einzig die Sitze könnten noch etwas, also deutlich, mehr Seitenhalt bieten, und das Lenkrad würde sich mit kleinerem Durchmesser sportlicher anfühlen und die bereits sehr direkte Lenkung noch einmal direkter machen.

Apropos hoher Schwerpunkt: Im Sport- und im Corsa-Modus duckt sich das Luftfahrwerk des Levante Trofeo noch einmal tiefer auf den Asphalt, sodass Wanken verringert und das Fahrverhalten stabiler wird. Wie von anderen Maserati-­Modellen bekannt, gibt es den Corsa-Modus, der das Ausloten der physischen Grenzen wieder komplett dem Fahrer überlässt und auch die Launch-­Control beinhaltet, exklusiv im Trofeo.

Seine Sportlichkeit zeigt das Über-SUV schon von aussen mit Karbonapplikationen und einer speziellen Motorhaube mit eingelassenen Lüftungsgittern. Und der Levante war noch nie ein Sinnbild für Zurückhaltung, was die Optik angeht. Felgen von bis zu 22 Zoll sind möglich, und mittig auf dem riesigen Kühlergrill – die Lufteinlässe an der Front sind übrigens alle echt – thront ein nicht minder überdimensionierter Dreizack. Flankiert wird das Ganze von zwei Schlitzaugen, deren Tagfahrlichter den bösen Blick bereits verinnerlicht haben. Wer das 2.1-Tonnen-Trumm im Rückspiegel anrauschen sieht, macht Platz.

Auf den ersten Blick schön

Auf den ersten Blick überzeugt die italienische Handwerkskunst mit qualitativ hochwertigem Leder und praktisch perfektem Karbon. Auf den zweiten Blick fallen die analogen Rundinstrumente und die saubere Verarbeitung auf. Auf den dritten Blick sieht man die Problemzonen. So muss auch der Top-Levante als FCA-Produkt zwangsläufig diverse Bauteile aus dem Teilelager des Konzerns übernehmen. Was teilweise eben auch bedeutet: billige Materialien. So zum Beispiel der wackelig montierte Lichtschalter aus billigem Plastik oder die ganze Einfassung des Infotainments. Letzteres ist das Uconnect-System, das man ebenfalls kennt und das mit den bekannten ergonomischen Schwächen kämpft. So wirkt die Benutzeroberfläche stark überladen und ist wenig intuitiv zu bedienen.

Diese Diskrepanz zwischen den super-hochwertigen und den billigen Elementen am Fahrzeug sind denn auch das, was das Gesamtbild stört. Selbstverständlich ist das Nörgeln auf hohem Niveau, aber auf diesem bewegt sich eben auch der Preis unseres Testwagens: Fast 200 000 Franken sind dafür fällig.

Da stellt sich unweigerlich die Frage: Womit will man das Auto vergleichen? Mit einem Porsche Cayenne GTS oder Turbo, einem Mercedes-AMG GLE53 oder einem BMW X6M? Da gibt es typische, makellose, deutsche Präzision auf der einen gegen südländischen Charakter auf der anderen Seite. Kopf gegen Herz sozusagen. Oder will man ihn mit dem Alfa Romeo Stelvio QV vergleichen, mit dem er viele Gene teilt? Emotional und fahrdynamisch sind sich die beiden auf jeden Fall sehr ähnlich. Der Unterschied sind rund 50 000 Franken und das Prestige, Oberklasse zu fahren. Herz gegen Herz – das Portemonnaie entscheidet.

Die technischen Daten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

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