Skoda Octavia RS im Test: die tschechische Dreifaltigkeit

Die sportlichste Variante des Škoda Octavia, den RS, gibt es gleich mit drei verschiedenen Motorisierungen: Benzin, Diesel und als Plug-in-Hybrid. Welche davon ist jetzt der echte RS? Versuchen wir doch, das herauszufinden.

Die Marke Škoda, einst mit einer gewissen Herablassung betrachtet, löst heute vielerorts Furcht aus. Sogar innerhalb des Volkswagen-Konzerns, zu der die tschechische Marke gehört. Die deutsche Presse berichtete über internen Unmut, da das Management von VW (die Marke, nicht die Gruppe) neidisch auf die hohen Erträge von Škoda sei. Volkswagen kassierte von seinem Schützling 2017 in der Schweiz gar eine satte Ohrfeige, als der Octavia den Golf als beliebtestes Auto ablöste.

Die Sportversion, der RS, hat entscheidend zu diesem Erfolg beigetragen. Gerade in der Schweiz gehört die leistungsstärkste Version zu den Kundenlieblingen. Der Druck, der auf den Schultern dieser vierten RS-Generation lastet, ist deshalb gross. Allerdings verteilt sich diese Last auf drei Beteiligte, denn es gibt den RS als Benziner, Diesel und als Plug-in-Hybrid.

Zwillingsbrüder

Optische Unterschiede sucht man zwischen den drei Modellen vergebens – es gibt so gut wie keine. Sehr aufmerksame Beobachter werden aber beim Plug-in-Hybrid das iV-Logo hinten und die Klappe auf dem linken Frontflügel entdecken. Der Benziner und der Diesel sind in allen Punkten identisch. Egal, wo man hinschaut, die Octavia RS hinterlassen einen guten Eindruck. Die Scheinwerfer – neu mit Matrix-LED – sind wieder in einem einzigen Block verbaut, allerdings wird niemand die vier Augen des Octavia der dritten Generation sonderlich vermissen. Die eckigen Linien unterstreichen die kriegerischen Absichten des Tschechen, seine grosszügige Länge von 4.70 Metern verleiht ihm ein stattliches Aussehen und zeugt von Selbstbewusstsein.

Im Innenraum sucht man ebenfalls vergebens nach Unterschieden, die drei Cockpits sind Kopien in Karbonoptik. Die Version RS iV (Plug-in-Hybrid) sticht im Vergleich zu den anderen beiden natürlich aufgrund der spezifischen Instrumentierung ein wenig hervor. Die Dieselvariante hat in der Nähe des Gangwahlschalters ein kleines «4×4» eingraviert, das daran erinnert, dass es die einzige Variante des Trios mit Allradantrieb ist.

Diese Unterschiede sind nicht überwältigend, da stimmen Sie sicher zu. Dennoch möchten wir die Sorgfalt hervorheben, mit der das Cockpit konzipiert wurde. Die Materialien sind allesamt schmeichelhaft, wenn man den Blick nicht zu sehr auf die unteren Bereiche des Cockpits richtet. Das Armaturenbrett wird durch Alcantara-Einsätze aufgewertet, wobei der untere Rand zusätzlich durch eine LED-Beleuchtung betont wird.

Das Infotainmentsystem kommt einem bekannt vor, schliesslich ist es das gleiche, das unter anderem im VW Golf und im Seat Leon sein Unwesen treibt. Der Ausdruck Unwesen ist nicht zufällig gewählt, denn diese Vorrichtung ist, da sind sich alle Tester einig, einfach zu wenig durchdacht: Es gibt zu viele Menüs und Untermenüs. Man muss zum Beispiel bis zu fünf Schritte durchgehen, um das Head-up-Display einzustellen. Ausserdem sind im Zehn-Zoll-­Touchbildschirm sämtliche Befehle integriert, aber immerhin hat Škoda die Bedienung der Klimaanlage schlauer gelöst als VW, denn die Temperatureinstellungen sind jederzeit unten am Bildschirm zugänglich. Die tschechische Firma hat sogar ein paar der guten alten physischen Knöpfe als Schnellzugriffe beibehalten. Die Temperatur der Belüftung können die hinteren Passagiere selbständig regeln. Sie werden sich auch nicht über den verfügbaren Platz beschweren – zumindest, solange sie nur zu zweit sind. Anderenfalls ist die Schulterfreiheit eingeschränkt, und der dritte Beifahrer muss sich mit dem Mitteltunnel herumschlagen. 

Hinter der Rückbank gibt es reichlich Platz fürs Gepäck. Der Kofferraum zeichnet sich durch eine praktische Möglichkeit für das Herunterklappen der Sitze sowie durch eine herausnehmbare Taschenlampe, einen versenkbaren Doppelboden, Haken und Zurrösen aus. Sein Kofferraumvolumen gehört ebenfalls zu den grosszügigen in seinem Segment: Der Kofferraum fasst mindestens 640 Liter, sofern es ein Benziner oder ein Diesel ist. Bei der Version iV verliert das Kofferraumvolumen durch die Batterie 150 Liter. Der fehlende Platz kann auch nicht mit einem Anhänger kompensiert werden, denn am Octavia RS Plug-in-Hybrid kann keine Anhängerkupplung montiert werden.

Der Innenraum des Octavia RS verbindet Zweckmässigkeit mit sportlichen Akzenten. Die Alcantara-Einsätze auf dem Armaturenbrett und die schönen Halbschalensitze stechen ins Auge. 

Die Assistenten sind besser, aber …

Das Gepäck ist eingeladen und die elektrische Heckklappe zu – wir setzen uns nach vorn. Die Halbschalensitze umfassen den Körper gut, ohne dass man sich hineinquetschen müsste – auch mit ein paar Kilo zu viel auf den Hüften. Die Fahrposition ist in Ordnung, mehr aber auch nicht. Wir hätten uns gewünscht, etwas weniger hoch oben zu sitzen und die Beine etwas lockerer zu haben. Das RS-Lenkrad ist dank einer dritten Speiche gelungener als beim Basis-Octavia. Und die echten Knöpfe sind viel praktischer zu bedienen als die kapazitiven Oberflächen der VW-Lenkräder.

Bevor wir die wirklichen Unterschiede unserer drei Octavia RS hervorheben, kommen wir noch auf die letzten Ähnlichkeiten der Modelle zu sprechen. Die Fahrassistenten funktionieren zum Beispiel zufriedenstellend. Der Spurhalteassistent hält den Kurs zuverlässig, zeigt sich aber schroff, sobald eine Linie berührt wird. Ist der Tempomat aktiviert, hält der Octavia nur die geltenden Geschwindigkeitsbegrenzungen ein, aber seine Funktions­logik ist unbeständig: Manchmal erfasst der Octavia dank GPS-Daten eine kommende Geschwindigkeitsreduktion. Woanders bremst er unmittelbar nach dem Schild ab, sofern er das entsprechende Signal gesehen hat. Die Vorrichtung täuscht sich noch regelmässig: Der Octavia bremst auf der Autobahn plötzlich, wenn er eine tiefere Geschwindigkeit bei einer Ausfahrt erfasst. Das System hat aber im Vergleich zu den ersten Anwendungen in Fahrzeugen der VW-Gruppe deutliche Fortschritte gemacht.

Überraschung und Bestätigung

Es ist an der Zeit, unter die Motorhaube der Octavia RS zu schauen. Die Benzinversion übernimmt den bekannten Zweiliter-Benziner der VW-Gruppe und entwickelt 180 kW (245 PS). Daran angeflanscht ist ein Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe. Ein Handschaltgetriebe gibt es in der Schweiz bei dieser Motorisierung nicht mehr. Als leistungsschwächste Version erweist sich der Diesel. Der 2.0 TDI entwickelt bloss 147 kW (200 PS), was er teilweise mit seinem Drehmoment von 400 Nm auszugleichen vermag. Auch die Plug-in-­Hybrid-Version kommt mit insgesamt 400 Nm daher und hält auch hinsichtlich Motorleistung mit ebenfalls 245 PS Schritt.

Beim Fahren erleben wir eine Enttäuschung, ­eine schöne Überraschung und eine Bestätigung. Beginnen wir mit der Enttäuschung, dem RS iV. Auch wenn die Übergänge zwischen dem thermischen und dem elektrischen Motor kaum wahrnehmbar sind, ist der sportliche Charakter dieses Antriebs fragwürdig. Drückt man voll aufs Gas, tendiert das kleine 1.4-Liter-Triebwerk dazu, zu überdrehen und macht viel Lärm um (fast) nichts. Somit ist er auch klar der Langsamste der drei, den Sprint von 0 auf 100 km/h absolviert er in 7.7 Sekunden. Und dies auch nur dann, wenn die Batterie ein wenig geladen ist. Die Leistung verschlechtert sich, sobald der Akku leer ist. Die Plug-in-Hybrid-Version macht ausserdem des öfteren unpassende Gangwechsel. 

Auch beim Kurvenfahren wird die Bilanz nicht besser, denn der RS iV wiegt 170 respektive 100 Kilogramm mehr als seine beiden Brüder mit Benzin- und Dieselmotor. Batterie und Tank sind ungünstig positioniert und führen bei hoher Geschwindigkeit in den Kurven zu Momenten, die die Stabilität auf der Vorderachse stören.

Im Vergleich dazu ist die Bodenhaftung bei den Diesel- und der Benzinvarianten besser, und sie zeigen sich ausgeglichener. Der Benziner hat in diesem Vergleich dank der schärferen Vorderachse und der beherrschteren Fahrzeugbewegungen allerdings klar die Nase vorn. Die Dieselversion leidet bei schnellen Radlastwechseln unter einem leichten Aufschwingen.

Hinsichtlich Schnelligkeit müssten der Benziner und der Diesel gemäss technischem Datenblatt trotz der 45 PS weniger gleichauf sein. Allerdings zeigen unsere Ergebnisse ein anderes Bild: Wir haben bei den zwei RS-Versionen Beschleunigungen von 7.5 Sekunden (Diesel) und 6.9 Sekunden (Benziner) gemessen. Der Diesel macht aber die schlechtere Fahrleistung mit einem sehr guten Verbrauch wieder wett. Auf der AR-Normrunde begnügte sich dieser mit 4.6 l/100 km. Die Benzinversion gönnte sich – auch nicht schlechte – 6.1 l/100 km.

Der Octavia RS TDi erweist sich demnach als schöne Überraschung, die sportliche Fahrer für sich gewinnen wird. Einige Tester sahen in diesem Fahrzeug den besten Kompromiss, aber für die Mehrheit der Redaktion bleibt der echte Octavia RS die Version der Wahl. Zumal der Basispreis von 46 420 Franken rund 3000 Franken günstiger ist als der des Diesels. Der RS iV stellt mit einem Basispreis von 39 990 Franken klar die günstigste Variante des Trios dar, doch dieser Preisunterschied allein macht ihn nicht zu einer attraktiven Option. Wer ein PHEV will, könnte sich auch mit dem normalen Octavia iV mit 204 PS (ab 36 990 Fr.) zufriedengeben.

Testergebnis Škoda Octavia RS TSI

Gesamtnote 78/100

Antrieb

Der Zweiliter-Benziner gibt sich trotz 245 PS zurückhaltend und linear. Emotional ist anders, aber es gibt nichts Grundsätzliches zu kritisieren am Antrieb des Octavia RS TSI.

Fahrwerk

Trotz seiner Grösse ist der Škoda Octavia RS überraschend agil unterwegs. Klar gibt es Verspielteres und Charakterstärkeres auf dem Markt, aber der Tscheche ist der perfekte Alltagssportler.

Innenraum

Das Platzangebot ist grosszügig, und das Alcantara macht sich gut. Einzig die ergonomischen Schwächen sind unverzeihbar.

Sicherheit

Die Assistenzsysteme machen zwar immer noch (zu viele) Fehler, sind aber klar weiterentwickelt worden.

Budget

Der Benziner ist immer noch der Octavia RS schlechthin. Und das nicht ohne Grund. Preislich liegt er mit 46 420 Franken zwischen dem Plug-in-Hybrid und dem Diesel, und auch sein Verbrauch ist Mittelmass. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist durchaus überzeugend.


Testergebnis Škoda Octavia RS TDI

Gesamtnote 77/100

Antrieb

Der Zweiliter-Diesel kombiniert ein ordentliches Drehmoment von 400 Nm mit einem vernünftigen Verbrauch. Ein echter RS ist er aber irgendwie nicht.

Fahrwerk

Der Allradantrieb vermittelt ein solides Gefühl der Sicherheit. Das zusätzliche Gewicht bringt aber das Fahrwerk spürbar an seine Grenzen.

Innenraum

Der Inneraum des Diesel-Octavia unterscheidet sich nicht von dem seiner Brüder und besticht mit seinem grosszügigen Platzangebot. Negativ ist auch hier die Ergonomie

Sicherheit

Der Bremsweg ist nicht übermässig kurz, und die – reichhaltig vorhandenen – Assistenten zicken hin und wieder.

Budget

Mit einem Basispreis von 49 540 Franken ist der Škoda Octavia RS TDI das teuerste Modell des Trios – aber auch das einzige, das einen Allradantrieb bietet.


Testergebnis Škoda Octavia RS iV

Gesamtnote 74/100

Antrieb

Der Plug-in-Hybrid macht seinen Job zwar gut, passt aber nicht in ­einen RS. Der 1.4-Liter-Benziner fühlt sich etwas überfordert an.

Fahrwerk

Die Batterie im Kofferraum trägt nicht wirklich zu einem guten Fahrverhalten bei. Das schlägt sich auch auf die Kurvendynamik und auf den Fahrspass nieder.

Innenraum

Abgesehen von ein paar hybridspezifischen Anzeigen unterscheidet sich das Cockpit des Octavia RS iV nicht von dem seiner Benzin- und Dieselbrüder – im Guten wie im Schlechten.

Sicherheit

Die – reichhaltig vorhandenen – Assistenten zicken hin und wieder, der Bremsweg könnte durchaus kürzer sein.

Budget

Dank des günstigen Einstiegspreises von 39 990 Franken kommt der Octavia RS iV gut weg, schliesslich ist er der günstigste der drei Brüder. Wer aber um jeden Preis sparen will oder einfach einen Plug-in sucht, kommt mit dem 204 PS starken normalen Octavia iV noch günstiger weg.


Fazit 

Das Testteam der AUTOMOBIL REVUE ist sich einig: Wer sportlich unterwegs sein möchte, ist mit dem PHEV nicht gut bedient. Der TDI macht seinen Job gut, überzeugt mit Allradantrieb und gutmütigem Charakter, ist aber auch nicht wirklich sportlich. Somit bleibt nur einer: der Benziner. Da lässt auch die neuste Generation nichts anbrennen und überzeugt mit dem für den Octavia RS typischen Kompromiss des Alltagssportlers.

Die technischen Daten und unsere Testdaten zu diesen Modellen finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

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