Ford Mustang Mach-E im Test: das Streitross

Der Ford Mustang Mach-E ist ein sehr solides Elektroauto, zeigt im Test wenig ­Schwächen. Ausser vielleicht bei seinem Namen.

Ford schickt sein bestes Pferd in die Elektroschlacht. Dass auf dem ersten Elektroauto der Marke, dem Mach-E, tatsächlich das weltberühmte Mustang-Logo prangt, ist ein grosser Vertrauensbeweis von Ford in das Produkt. Und trotzdem wirft die Wahl des Namens Fragen auf: Der Mach-E ist ein Elektro-SUV und so ziemlich das komplette Gegenteil des berühmten Pony-­Cars, eines Coupés mit riesigem V8-Motor. Es sieht nacht Marketingakrobatik aus, aber Ford versichert, den Esprit des Muscle-Cars umfassend in das SUV integriert zu haben.

Beginnen wir also beim Stil. Der Mustang Mach-E weist tatsächlich zahlreiche ästhetische Anspielungen auf das berühmte Coupé auf: rebellische Scheinwerfer, Heckleuchten mit drei vertikalen Leisten, muskulöse Radhäuser und eine (Pseudo-)Fastback-Dachlinie. Sollte das noch nicht offensichtlich genug sein, dann wird es auch am Pferd ersichtlich, das Ford mitten auf dem Kühlergrill positioniert hat.

Überdimensionales Tablet

Im Vergleich zur Karosserie erscheint das Cockpit wesentlich schlichter. Dass die Verarbeitungsqualität gut ist und die Materialwahl gelungen, fällt nicht auf den ersten Blick auf. Schuld daran ist das riesige zentrale 15.5-­Zoll-­Tablet, das den Blick unweigerlich auf sich zieht. Es steht etwas unproportional in der Mitte des Armaturenbretts, seine Integration ist nicht ganz geglückt. Das Vorhandensein eines solchen Bildschirms bedeutet, man kann es bereits erahnen, das Verschwinden sämtlicher physischer Bedienelemente – mit Ausnahme eines Drehreglers für die Lautstärke des Radios. Das Gute daran ist, dass diese grosszügige Touch-­Oberfläche in der Lage ist, zahlreiche Optionen gleichzeitig anzuzeigen.

So werden die Bedienelemente für die Klimaanlage und die Lüftung permanent im unteren Bereich des Tablets angezeigt. Die Schnellwahl für Telefon oder Navigation sind in der Mitte angeordnet, während der obere Teil des Bildschirms das gewünschte Menü im Grossformat anzeigt. Dank seiner Reaktivität, Verständlichkeit und der klaren, schlichten und einfachen Grafiken findet man sich schnell zurecht in Sync 4. An einigen Stellen ist es etwas zu bescheiden und eine etwas weniger minimalistische Darstellung, beispielsweise im Navi, wäre wünschenswert gewesen.

Personalisierung in Hülle und Fülle

Technologiefans werden so oder so begeistert sein, denn die Einstellungsmöglichkeiten sind äussert umfassend. Wer sich am adaptiven Tempomaten stört, kann auf einen klassische Version wechseln, die Empfindlichkeit des Spurhalteassistenten kann eingestellt werden, ebenso die Stufe der Energie­rekuperation und das One-Pedal-Driving. Lädt man die App Ford Pass herunter, lässt sich das Fahrzeug auch aus der Ferne mit dem Smartphone ansteuern, um beispielsweise den Batteriezustand zu prüfen, das Wiederaufladen zu planen oder das Auto zu starten. Besser noch: Sobald das Smartphone in der Garage geortet wird, entriegelt sich das SUV. Alle persönlich bevorzugten Einstellungen – Radiosender, Sitzposition, Umgebungsbeleuchtung – werden wieder aufgenommen. Man kann diesen ganzen Schnickschnack aber auch einfach ignorieren und den guten alten Funkschlüssel benutzen.

Neben dem riesigen Tablet in der Mitte erscheinen die Bordinstrumente vor dem Fahrer ziemlich klein. Nur das Wichtigste wird angezeigt: Geschwindigkeit, Batteriezustand und der Status der Fahrhilfen. Im Vergleich zum Überangebot an trendigen Anzeigen bei einigen Konkurrenten ist dieser Minimalismus willkommen. Schade, dass es (bis jetzt noch) kein Head-up-Display gibt.

Enorm viel Platz

Diese Schlichtheit der Bordinstrumente und des Cockpits ist nicht zufällig. Sie soll das Raumgefühl im Inneren betonen, und Ford unterstreicht damit die Vorteile des Elektroantriebs in diesem Bereich. Darüber hinaus ist der Innenraum dank eines imposanten, optionalen Panoramadachs (enthalten im Technologie-Paket 2, das zwischen 3400 und 4800 Franken kostet) von Licht durchflutet.

Es braucht keinen Getriebetunnel, um die Leistung auf die Hinterachsen zu bringen, der optionale Allradantrieb wird durch einen Motor auf jeder Achse gewährleistet. Auch die Batterien nehmen den Insassen keinen Platz weg, denn sie sind im Unterboden des Mustang Mach-E verbaut. Das ist der Vorteil, wenn eine Plattform ausschliesslich für den Elektroantrieb konzipiert wird, denn die Akkus sind genau dort platziert, wo sie hingehören, und nicht dort, wo man gerade noch Platz für sie gefunden hat.

Unsere Messungen bestätigen die positiven Auswirkungen des grosszügigen Radstands von 2.98 Metern auf den Platz im Innenraum: Die hinteren Beifahrer haben mindestens 20 Zentimeter Kniefreiheit und finden auch zu dritt problemlos Platz. In Anbetracht der Grösse des Fahrzeugs enttäuscht das Kofferraumvolumen von 402 Litern. Mit seinen 472 Kilogramm Nutzlast ist der Mustang Mach-E 4×4 auch nicht für Umzüge gedacht. 

Die vorderen Fahrzeuginsassen sind am besten dran, und die Fahrposition schafft es sogar, uns ein sportliches Gefühl zu vermitteln, obwohl wir uns in einem SUV befinden. Die Sicht nach vorn ist gut, doch die absinkende Dachlinie führt zu kleineren Glasoberflächen im Heckbereich und damit zu einer reduzierten Sicht nach hinten. Zum Glück ist der Mustang Mach-E mit einer Rückfahrkamera und einer sehr hochwertigen 360-Grad-Anzeige fürs Manövrieren ausgestattet.

Ungestüm, aber kein Wildpferd

Für diesen Test steht uns das Topmodell, die Allradversion mit der Extended-Range-Batterie (Bruttokapazität 98.7 kWh), zur Verfügung. Der Dualmotor liefert 258 kW (351 PS), die Versionen, die nur über einen Heckantrieb verfügen, leisten 198 kW (269 PS).

In der Topkonfiguration zeigt sich der Mustang Mach-E ungestüm, da die 580 Nm Drehmoment ohne Vorwarnung kommen. Im Fahrmodus Un­tamed (engl. ungezügelt) führt dieser plötzliche Leistungsschub zu einem Ausbrechen der Hinterachse, während die Lautsprecher brummende Klänge eines V8-Motors ausgeben. In dieser Hinsicht versucht der Mustang Mach-E, seinem Namen alle Ehre zu machen, was er in gewisser Weise auch schafft. Nur wenige, um nicht zu sagen, kein anderes Elektro-SUV schafft es, so viel Fahrspass zu bereiten. Auch wenn die Beschleunigung rasant ist mit einem Sprintwert von 5.1 Sekunden von 0 auf 100 km/h, verfliegt der Nervenkitzel mit der Zeit. Der Schub bleibt bis 160 km/h sehr linear, erst wenn es auf die bei 180 km/h begrenzte Höchstgeschwindigkeit zugeht, verliert der Mustang Mach-E an Rasse.

Das Fahrverhalten bezahlt den Preis für die 2.2 Tonnen, die der Mustang auf die Waage bringt. Sobald man das Tempo in den Kurven forciert, wird man an das Gewicht erinnert. Der Mustang Mach-E kann nichts gegen seine SUV-Statur ausrichten und hat aufgrund seines hohen Schwerpunkts die Tendenz, sich in den Kurven zu neigen. Einmal mehr konnten die Ford-Ingenieure ihr Know-how hinsichtlich Radaufhängung beweisen, denn das Gleichgewicht des Fahrzeugs bleibt bemerkenswert. Die Lenkung erschien uns angenehm direkt, auch wenn es dem Mittelpunkt an Präzi­sion fehlte. Insbesondere zwischen Dynamik und Komfort konnte ein hervorragender Kompromiss gefunden werden: Es würde wenig Sinn machen, bei einem Familienfahrzeug eine steinharte und straffe Radaufhängung zu verbauen. Allerdings macht es auch wenig Sinn, ein solches Fahrzeug Mustang zu nennen.

Angenehme Reichweite

Der Mustang kann weite Strecken fahren, wobei weit natürlich relativ ist, wenn man von Elektrofahrzeugen spricht. Ford verspricht mit der 98.7-kWh-Batterie eine Reichweite von 610 Kilometern bei der Variante mit einem Motor. Bei der zweimotorigen Variante wie in unserem Testfahrzeug sinkt die Reichweite nach Angaben von Ford auf 540 Kilometer. Gemäss unseren Ergebnissen beträgt die tatsächliche Reichweite ungefähr 420 Kilometer. Mit einem Verbrauch von 20.6 kWh/100 km auf der AR-Normrunde liegt der Mustang Mach-E rund zehn Prozent über den von Ford angegebenen 18.7 kWh/100 km. Dennoch ist eine Reichweite von 420 Kilometern ein komfortabler Wert, Fahrten ausserhalb der Stadt oder von einer Schweizer Stadt in eine andere sind kein Grund
für Schweissausbrüche oder Panikattacken. Beschränkt man sich auf alltägliche Fahrten, kann man während Tagen unterwegs sein, ohne das SUV an eine Ladestation anschliessen zu müssen.

Wenn der Mustang Mach-E aufgeladen werden muss, akzeptiert er an einer Schnellladestation eine Ladeleistung von 150 kW. Es dauert also nur zehn Minuten, um 120 Kilometer Reichweite zu erhalten, oder 45 Minuten, um 80 Prozent der Reichweite wieder herzustellen. Wird das Fahrzeug an einer heimischen Ladestation mit 11 kW geladen, dauert es bei der grossen 98.7-kWh-Batterie etwa acht Stunden, um wieder auf 80 Prozent zu kommen.

Mit der kleinen 75.7-kWh-Batterie geht es etwas schneller, aber die Reichweite beträgt gemäss Angaben von Ford damit auch bloss 430 Kilometer. Der Vorteil ist, dass der Preis ebenfalls deutlich sinkt, wenn man sich mit der kleinen Batterie begnügt. Der Basispreis liegt bei 49 560 Franken, also fast 20 000 Franken tiefer als der Preis, der für unsere Topversion mit der grossen Batterie und Allradantrieb verlangt wird. Addiert man noch 3400 Franken für das Technologie-Paket 2, hat man ein Fahrzeug mit sämtlichen Optionen, dessen Preis dann allerdings über 70 000 Franken beträgt. Das ist zweifellos eine stolze Summe, aber der Mustang Mach-E gehört dennoch zu den Elektro-SUV auf dem Markt, die das beste Preis-Leistungsverhältnis anbieten. Das hinsichtlich Grösse nächstmögliche Angebot, der Mercedes EQC, beginnt bei 77 700 Franken, und da es sich um ein Premiumfahrzeug handelt, hat man schnell die magische Marke von 100 000 Franken erreicht, wenn man ein bisschen Zubehör hinzufügt. Volkswagen bietet den ID 4 an, der zwar bei 39 050 Franken startet, doch zu diesem Preis bekommt man lediglich 148 PS und eine 55-kWh-Batterie. Ausserdem ist der ID 4 fast 15 Zentimeter kürzer als der Mustang Mach-E und bietet dadurch weniger Platz.

Testergebnis

Gesamtnote 81/100

Antrieb

Der Anzug der beiden Elektromotoren ist beeindruckend, und bei übermütiger Fahrweise geht das Auto sofort quer – ein echter Mustang also.

Fahrwerk

Ford hat beim Mustang Mach-E einen cleveren Kompromiss zwischen Sportlichkeit und Komfort erreicht. Das Gewicht von 2.2 Tonnen ist dennoch spürbar.

Innenraum

Der Materialmix ist stimmig und die Verarbeitung ordentlich. Das riesige Tablet ist Geschmackssache. Der Innenraum ist bis auf den Kofferraum sehr grosszügig ausgestaltet.

Sicherheit

Die riesigen Bremsen beissen kräftig zu, und die Fahrassistenten ­arbeiten zuverlässig. Die Bedienung ausschliesslich über den Touchscreen erfordert es, den Blick von der Strasse zu nehmen …

Budget

Während die Testversion über 70 000 Franken kostet, ist die Basisversion mit 49 560 Franken deutlich günstiger. Die Aufpreisliste ist kurz.

Fazit 

Ohne grössere Schwächen, aber mit vielen Qualitäten – nicht zuletzt der grosszügigen Reichweite – ist der Ford Mustang Mach-E zurzeit zweifellos eines der interessantesten Elektroautos auf dem Markt. Die Überschneidungspunkte zum berühmten Namensspender halten sich aber natürlich in Grenzen.

Die technischen Daten und unsere Testdaten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

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