Zurück im Geschäft

Dieses Wochenende beginnt die Hypercar-Ära. Damit verspricht die Langstrecken-WM endlich wieder mehr Spannung.

Wenn dieses Wochenende in Spa-Francorchamps (B) die Langstrecken- WM 2021 beginnt, steht schon vor dem ersten Rennen fest, dass die neue Hypercar-Ära ein eindeutiger Erfolg ist.  Ganz einfach deshalb, weil sie wieder das Interesse der Hersteller weckt. Seit dem Ausstieg von Audi 2016 und Porsche im Jahr darauf war Toyota die einzige verbliebene Marke in der Königskategorie, der LMP1, die Ende letzten Jahres zu Grabe getragen wurde. Die neue Langstrecken-WM ist neben wesentlichen Kosteneinsparungen für die Hersteller – der Autoweltverband FIA schätzt sie im Vergleich zur Vergangenheit auf ungefähr 80 Prozent – mit ihren neuen Hypercars auch eine ausgezeichnete Plattform, um ihre Technologie und Leistungsfähigkeit in der Automobilbranche unter Beweis zu stellen.

«Um die Zukunft der Kategorie ist es mit der Rückkehr führender Hersteller wie Peugeot, Audi, Porsche, dem Einstieg von Ferrari und vielleicht sogar Bentley oder McLaren gut bestellt», meint der Waadtländer Sébastien Buemi, Rennfahrer des Toyota-Werkteams, begeistert. Das Reglement der Hypercar-Kategorie ist jedoch nicht ganz einfach, denn im Lauf der Zeit wurden von den verschiedenen Instanzen und Herstellern zahlreiche mehr oder weniger signifikante Richtungs- und Regeländerungen vorgenommen. So fahren innerhalb der Königskategorie in naher Zukunft statt bisher nur einer zwei Klassen: die LMH, eben die Le Mans Hypercars, sowie die LMDh, die Le Mans Daytona Hybride, die ab nächster Saison mit am Start sein werden.

Die Kategorie Hypercar

Während dieser Saison dürfen lediglich die Rennwagen an der Langstrecken-WM teilnehmen, die dem technischen Regelwerk der Le Mans Hypercars entsprechen. Das technische LMH-Reglement basiert mehr auf der Leistungskontrolle als auf diversen Einschränkungen bei Design und Geometrie. Das lässt den Herstellern die Möglichkeit, sich für sparsame Lösungen zu entscheiden, denn massive Mehrausgaben lohnen sich nicht, sie bringen kaum ein Plus an erhöhter Fahrzeugperformance.  Diese Autonomie erlaubt es, die Markenidentität und die originale Architektur wiederzugeben und eine gewisse Übereinstimmung mit dem Konzept der Serienfahrzeuge anzustreben. Darüber hinaus kann das gesamte Potenzial an Kreativität sowie Innovation zum Ausdruck gebracht werden. Die weniger strengen Aerodynamikvorgaben bieten ausserdem die Möglichkeit einer individuelleren Designsprache. Wie bereits in der bisherigen LMP1-Klasse sind Motoren mit und ohne Hybrid­aggregat, Heck- oder Allradantrieb erlaubt.

Die Kategorie LMDh

Ab 2022 öffnet sich die Hypercar-Kategorie den Herstellern, die gemäss LMDh-Reglement antreten wollen. Dieses Regelwerk sieht als Rückgrat, sprich Fahrzeugplattform, vier Chassis-Lieferanten vor: Dallara, Multimatic, Ligier und Oreca. Antriebsstrang und Karosserie werden von den Herstellern selbst konstruiert. Das ist ein wesentlicher Vorteil, der es ermöglicht, den Stylingcode der Serienmodelle zu übernehmen. In der Kategorie LMDh haben sich Acura, Audi und Porsche angemeldet.

Der gemeinsame Nenner

LMH und LMDh schlagen verschiedene Wege ein, die aber zum selben Ergebnis führen. So ist die Höchstleistung beider Kategorien auf 500 kW (680 PS) begrenzt, genauso sind Abmessungen und Gewicht (mindestens 1030 kg) strenger reguliert als im LMP1-Reglement. Das soll den Wettbewerb unter den Konkurrenten beleben. Diese Politik hat natürlich Auswirkungen auf die Performance, wobei der Automobil-Weltverband FIA das Ziel verfolgt, die Rundenzeiten in Le Mans auf ungefähr 3:30 Minuten zu begrenzen, zehn Sekunden mehr, als ein LMP1-Auto für die Strecke brauchte. Für Sébastien Buemi macht diese Differenz keinen grossen Unterschied: «Die Autos sind langsamer, da technisch weniger ausgereift. Aber ist das so wichtig? Was zählt, sind der Wettbewerb und der Kampf zwischen den Konkurrenten.» Und davon wird es in den nächsten Jahren reichlich geben, auch aus den USA.

Knackpunkt Homologation?

Während des Homologationsverfahrens werden die Rennwagen im Windkanal bewertet, die Karosserie wird analysiert und die Motorleistung von der FIA mit Hilfe von Drehmomentmessgeräten direkt auf der Strecke geprüft. Dieser Aufwand erfolgt mit dem Ziel, sicherzustellen, dass sich die Boliden auch effektiv in ihren Leistungsfenstern bewegen. Danach wird die Konstruktion der Autos für ihren Homologationszyklus eingefroren. Für die neuen Hypercars, welche dieses Jahr am Start stehen, sind es fünf Jahre. Dies gewährleistet, dass die Boliden während ihrer Lebensdauer unverändert bleiben. Ausnahmen gibt es nur bei Zuverlässigkeitsproblemen oder andauernden Leistungsdefiziten. Sébastien Buemi sieht die «grosse Gefahr» der neuen Hypercar-Ära in gerade dieser Homologation: «Wenn du dich jetzt irrst, begleitet dich dieser Irrtum die nächsten fünf Jahre. Aber das haben sie aus Gründen der Kostenkontrolle so gemacht». Bemerkung am Rande: Aus Homologationsgründen hat die Scuderia Cameron Glickenhaus beschlossen, dieses Wochenende beim Rennen in Spa-Francorchamps noch nicht anzutreten.

Die Hypercar-Ära starten dieses Wochenende mit den 6 Stunden von Spa-Francorchamps.

Bloss keine Kostenexplosion mehr

In der Tat lautet eines der wesentlichen Ziele der LMH, eine Kosteneskalation zu vermeiden. So ist der Einsatz von Technologie mit teuren Werkstoffen stark begrenzt. Das Getriebe darf nicht weniger als 75 Kilogramm wiegen, die Benutzung von Kupplungsglocken und Gehäusen aus Aluminium oder Magnesium ist zwingend vorgeschrieben. Das vereinfachte Fahrwerk mit obligatorischen Dreieckslenkern darf keine aktiven Assistenzsysteme oder Massenstossdämpfer enthalten. Zur weiteren Begrenzung der Entwicklungskosten werden die Reifen nur von Michelin geliefert und zwar mit unterschiedlichen Dimensionen für Rennautos mit Heck- oder Allradantrieb. Eine geringere Energieerzeugung bedeutet gleichfalls einen geringeren Aufwand bei den Entwicklungskosten der Leistungseinheiten.

«Die Hypercar-Kategorie ist eine Wende im Langstrecken-Motorsport. Die Rückkehr der grossen Hersteller verspricht spannende Duelle auf der Rennstrecke», lautet das Fazit von Pierre Fillon, Präsident des Automobile Club de l’Ouest (ACO). Erste Resultate gibt es dieses Wochenende beim Auftakt zur Langstrecken-WM. Darüber hinaus wird die Zukunft aber zweifellos noch mehr Spannung (und Teilnehmer) bringen.

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