Der Paradesprint von 0 bis 100 km/h entwickelte sich nicht ohne Grund zur Königsdisziplin des automobilen Kräftemessens. Denn dieser Wert sagt nicht allein etwas über die Power, sondern auch über die Traktion des jeweiligen Modells aus. Allradantriebe sind hier klar im Vorteil. Wird nur die Hinterachse angetrieben, ist es bei nicht optimalen Bedingungen kaum möglich, die Herstellerangaben zu erreichen. Bestes Beispiel dafür ist der Lexus LC 500 Cabriolet. Schon die Herstellerangabe ist mit 4.7 Sekunden für den Sprint von null auf 100 ernüchternd, wenn man bedenkt, dass diese Zeit bereits sportliche Kompaktwagen unterbieten und so auf ihre ganz eigene Art begeistern. Die auf Winterreifen von uns gemessenen 5.4 Sekunden für den Lexus wiederum erscheinen in Anbetracht seiner fünf Liter Hubraum, 464 PS und 530 Nm wie eine halbe Ewigkeit. Aber da sind eben auch der Hinterradantrieb und das massiv hohe Leergewicht. Und doch: Während einige Autos zwar wieselflink sind, hält sich ihr Charme stark zurück. Sie sind gut, faszinierend, aber eben doch nicht so prickelnd. Der offene Lexus wiederum surft auf einer Welle allerhöchster Emotionalität. Absolute Zahlen rücken hier spätestens dann in den Hintergrund, wenn der pure V8-Saugerklang durch Mark und Bein geht. Der Motor ist unweigerlich der Star in einem Fahrzeug, das auch sonst keineswegs mit Reizen geizt.
Der Motor und das Getriebe
Toyota will keine langweiligen Autos mehr bauen und setzt dies fulminant in die Tat um. Egal ob super-sparsam, super-technologisch oder super-sportlich, bei Toyota ist derzeit einiges los. Die sportlichsten Beweise dazu tragen bei Toyota den Zusatz GR oder hören bei Lexus auf Namen wie RC (radikales Coupé) oder LC (luxuriöses Coupé). Egal ob radikal oder luxuriös, beide Modellreihen sind in ihren Topvarianten mit einem frei saugenden Fünfliter-V8 bestückt.
Dessen Klangbild wurde bereits angetönt, wobei der Sound ab 4000 U/min dank ab da offener Auspuffklappen nochmals eine mächtige Schippe drauflegt und die richtige Balance zwischen wohlwollenden Klängen und feuriger Lautstärke findet. Wobei: Ganz natürlich ist die Geräuschkulisse auch hier nicht. Der vordere Lufteinlass ist mit einem Soundgenerator bestückt, der dafür sorgt, dass Frequenz und Level wie (von den Ingenieuren) gewünscht erreicht werden. Und da ist noch mehr: Jeden Gasstoss beantworten die längs verbauten Zylinderbänke im 90-Grad-Winkel beinahe mit Jubelklängen ob der Tatsache, dass die Ansaugluft zunächst nicht noch zwangsverdichtet werden muss. Dadurch muss der Sauger sein Drehmoment erst aufbauen, das maximale Drehmoment von 530 Nm liegt erst bei 4800 U/min an, Hochdrehen bis 7100 Touren ist dank Titanventilen und geschmiedeter Pleuelstangen aber natürlich alles andere als eine Qual. Der Kurzhuber (Bohrung × Hub 94 × 89.5 mm) arbeitet nach dem Atkinson-Prinzip. Das, die doppelte Einspritzung, eine optimierte Nockenwellenverstellung (VVT-i) und die hohe Verdichtung von 12.3:1 erlauben effizientes Atmen. Geräusche und Vibrationen wurden durch den Einsatz von Doppeltorsionsschwingungsdämpfern auf der Kurbelwelle reduziert.
Gekoppelt ist der Brocken an ein zehnstufiges Automatikgetriebe mit Drehmomentwandler und Sperrkontrolle. Es basiert auf der bekannten Achtgang-Lösung und ist um eine zusätzliche Fahrstufe zwischen dem zweiten und dritten Gang sowie oberhalb des höchsten Gangs erweitert. Lexus wollte ein Getriebe mit kurzen Abstufungen und schnellen Schaltzeiten. Beides wird zwar erfüllt, die Fahrstufen werden blitzschnell und meist sanft durchgewechselt, in der Summe allerdings stellt sich eine etwas nervöse Schaltstrategie ein. So gut der LC bei klaren Fahrkommandos den richtigen Gang bereitstellt, so schwer tut er sich manchmal mit der Entscheidung bei Halbgas. Besser geht es ohnehin manuell über die Schaltwippen – bei Lexus angenehm gross und aus Metall –, wobei der Japaner mit Freude bis in den Begrenzer schiesst. Mit einem wohligen Ruck wird der nächste Gang eingelegt, dazu kommt eine extrem kurze Verschnaufpause des V8. Wunderbar.
Das Fahrverhalten
Auch das Cabrio des LC steht auf der GA-L-Plattform (globale Architektur für Luxusfahrzeuge) von Lexus. Der Motor sitzt leicht hinter der Vorderachse, was bezüglich Fahrdynamik, Aerodynamik und Design gleich mehrere Vorteile bringt: je zentraler die Masse, desto besser das Kurvenverhalten. Weil das Gewicht näher zum Zentrum rückt, lenkt der Lexus LC 500 besser ein. Vorne und hinten wurden Mehrlenkerachsen mit doppelten Kugelgelenken an den beiden oberen und unteren Querlenkern verbaut. Das ermöglicht eine bessere Kontrolle selbst kleiner Einflüsse des Fahrerinputs und der Fahrbahnoberfläche. Die Lenkung selbst ist leichtgängig, aber mit einer angenehmen Gewichtung und stets präzise und direkt.
Das Sperrdifferenzial an der angetriebenen Hinterachse sorgt beim Herausbeschleunigen für viel Traktion, bei schlechteren Strassenverhältnissen jedoch meldet sich die Hinterachse unweigerlich. Das ESP lässt gar leichte Driftwinkel zu. Wird die Stabilitätskontrolle ausgeschaltet – die Drehregler für ESP und Fahrmodi befinden sich direkt neben dem Cockpit –, beginnt der heisse Tanz. Im Wesentlichen ist das Dynamic Handling System allerdings so ausgelegt, dass es sowohl einem Über- als auch einem Untersteuern effektiv entgegenwirkt. Gemeinsam mit anderen Fahrassistenzprogrammen wird die Kraft an den Hinterrädern und des Lenkmoments zusätzlich zu den Bremsen kontrolliert. Wer aber wirklich auf der letzten Rille fährt, kämpft am Kurveneingang mit der gegen aussen schiebenden Masse und beim Herausbeschleunigen mit dem Heck.
Fahrwerkseitig dürfte die Spreizung der sechs zur Verfügung stehenden Fahrmodi (Eco, Komfort, Normal, Individual, Sport, Sport+)
etwas ausgeprägter sein. Bodenwellen werden komfortabel, aber nicht vollends weggeglättet, dafür fehlt die Direktheit etwas, wenn sich der Lexus in der Kurve geringfügig aufschaukelt. Gemäss Toyota ist der LC 500 eine moderne Interpretation in der klassischen Tradition eines Grand Tourers, der für die Landstrasse und nicht für die Rennstrecke entwickelt wurde. Handling, Rückmeldung und Komfort wurden auf der Landstrasse getestet und fein geschliffen. Hierhin gehört der LC 500 Cabrio mit einem Gewicht von über zwei Tonnen, was nochmals 100 Kilogramm mehr sind als beim Coupé, definitiv.
Trotzdem hat der LC stark von den Entwicklungen und Erfahrungen des LFA-Supersportwagens profitiert. Die Aerodynamik wurde ganzheitlich optimiert. Ziel waren hohe Handling- und Fahrqualitäten, aber auch die Reduktion der Windgeräusche. So wird ein linearerer, ununterbrochener Luftfluss über und unter dem Auto gewährleistet, Lufteinlässe leiten den Strom und erhöhen die Stabilität an der richtigen Stelle, also vorwiegend über der Hinterachse.
Und selbst bei geöffnetem Dach – überdies das erste Mal, dass Lexus ein Stoffverdeck verbaut – kommt es bei geschlossenen Seitenscheiben zu nahezu keinen Verwirbelungen der Luft. Durch den Mechanismus für das Dach, das sich während der Fahrt bis Tempo 50 in rund 15 Sekunden öffnen und schliessen lässt, bleibt allerdings kein Platz mehr für die im Coupé erhältliche Allradlenkung.
Das Design
Zurück zur Platzierung des Motors. Diese war für die flache Linienführung der Motorhaube und den Einsatz der 21-Zoll-Räder unerlässlich. Ganz so wie es bereits bei der LF-LC-Konzeptstudie 2012 der Fall war. An dieser orientiert sich der LC stark und hat den formschönen Diabolo-Grill mit dominanter Gitterstruktur und Chromumrandung beinahe unverändert übernommen. An den Seiten des LC 500 Cabrio gibt es grosse Schweller, die Radkästen sind weit ausgestellt, die Lufteinlässe meist funktional. Der flache Heckdeckel läuft im Spoiler aus, überall gibt es Ecken und Kanten.
Kurzum: Der LC500, speziell das Cabrio, lebt von seinem Design, langweilig ist er definitiv nicht. Umso bedauernswerter sind kleine Details wie der Umstand, dass die Endrohre der vierflutigen Abgasanlage hinter einer Blende versteckt sind oder der 3-D-Effekt der Heckleuchten durch eine billig wirkende Plastikabdeckung erzielt wird.
Der Innenraum
Wer nach weiteren Elementen aus Kunststoff sucht, muss wirklich genau hinsehen. Das äussere Spiel aus Rundungen, Ecken und Kanten zieht sich weiter in den Innenraum, beispielsweise über die fliessenden Linien in den Türverkleidungen. Zugegeben, das muss man mögen, unbestreitbar ist allerdings die Tatsache, dass sich wirklich alles wunderbar anfasst. Der Lexus LC 500 wird im japanischen Werk Motomachi mit viel Liebe zum Detail produziert, also dort, wo dereinst der LFA-Supersportwagen von Hand gebaut wurde. Die extrem hohe Qualität der Verarbeitung spürt, fühlt und erlebt man. Klassischer Autobau trifft auf moderne Elemente wie das grosse Head-up-Display oder den digitalen Tacho, dessen mechanischer Mittelteil für Zusatzinformationen effektvoll zur Seite fährt.
Beinahe der gesamte Innenraum ist mit Leder ausgelegt, die Verkleidungen sind strukturiert und sämtliche Knöpfe graviert. Das gilt selbst für die Rücksitze, die aber in etwa denselben Mehrwert bieten wie in einem Porsche 911 – also nahezu keinen, ausser als Erweiterung des mit 149 Liter doch sehr kleinen Kofferraumes.
Ebenfalls stark eingeschränkt ist die Funktionalität des Infotainmentsystems. Zwar schmiegt sich der nicht berührungssensitive Bildschirm formschön ins Gesamtbild ein und bietet die Möglichkeit zur umfassenden Smartphone-Einbindung. Allerdings gleicht die Bedienung über die Touchfläche in der Mittelkonsole und die verschachtelten Untermenüs einem Albtraum. Hinzu kommen die schlechte Reaktivität und die bescheidene Grafik, was die Verwendung während der Fahrt beinahe unmöglich macht. Und wenn wir schon bei den grössten Schwachstellen des Lexus LC 500 Cabrio sind: Auch die schlecht auflösende Rückfahrkamera ist in der Zeit stecken geblieben, als man im Auto noch CD hören konnte.
Doch wen interessiert das, wenn man bei offenem Dach in den Sonnenuntergang reiten kann? Cabriolets sind zum Geniessen da, statt dem Autoradio lauscht man dem Klang des Motors – zur Not steckt man im Lexus LC500 tatsächlich eine CD ein, sympathisch! Und Zahlen wie der Preis (ab 139 000 Franken) oder der Verbrauch (gute 8.7 l/100 km auf der AR-Normrunde) spielen dann auch keine Rolle mehr. Bei offenem Dach bleibt die Zeit stehen. Im gleichermassen archaischen wie wunderschönen Gesamtpaket Lexus LC 500 Cabriolet ist das erst recht der Fall. Und das ist genau richtig so.
Testergebnis
Gesamtnote 85/100
Antrieb
Herzstück: Der Lexus LC 500 Cabrio lebt von der ausgeprägten Emotionalität des frei saugenden V8. Dass er dabei keine absoluten Spitzenleistungen erbringt, ist schnell vergessen.
Fahrwerk
Auslegungssache: Der Komfort und der Spirit eines waschechten GT stehen für Lexus an erster Stelle. Allzu sportlich ist der LC 500 Cabrio deshalb nicht, was bei dem hohen Gewicht aber auch besser ist.
Innenraum
Prunkstück: Es gibt kaum Autos, die besser und geschmeidiger verarbeitet sind. Abzüge gibt es für das altbackene Bedienkonzept.
Sicherheit
Alles dabei: Lexus hat viel unternommen, um das Chassis des Cabrio so steif wie das des Coupés zu machen. Assistenzsysteme sind in Hülle und Fülle vorhanden, arbeiten teilweise aber nur bedingt zuverlässig.
Budget
Angemessen: Der Preis von rund 140 000 Franken relativiert sich in Anbetracht des V8 und der Liebe für die Materialien und die Details ziemlich schnell. Wer nicht rast, verbraucht auch nicht übermässig viel.
Fazit
Mit dem LC 500 Cabrio zelebriert Lexus die Tradition des grossvolumigen GT und begeistert in beinahe sämtlichen Belangen. Man wagt es kaum zu glauben: Trotz seines Leistungsausweises wirkt der Lexus auf eine Art entschleunigend. Abzüge gibt es für das komplizierte Bedienkonzept und die teilweise nicht ganz so souveränen Fahrassistenzen.
Die technischen Daten und unsere Testdaten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.