Persönlicher Kontakt bleibt zentral – auch wenn er seltener wird

Die Showrooms sind wieder offen. Für viele Betriebe ein Segen. Doch zu einem gewissen Grad haben sich Kundschaft und Verkäufer in den letzten Monaten an kontaktlosen Handel gewöhnt.

Jetzt können die Händler ihre Kunden wieder persönlich im Showroom begrüssen. Das sorgt für eine andere Dynamik.

Seit 1. März sind die Showrooms der Autohäuser im Land wieder geöffnet. Es kann wieder ein ordentlicher Verkauf mit Gesprächen mit Augenkontakt, Vorführung von Fahrzeugen, Aushandeln von Eintauschofferten, Probefahrten und so weiter stattfinden. Grossartig für die Branche, keine Frage, allein schon im Hinblick auf das wichtige Frühlingsgeschäft. Phil Jegge von Auto Jegge in Mumpf AG, ein Peugeot-­Händler, sagt: «Für uns als Familienbetrieb ist es wichtig, die Leute im Geschäft begrüssen zu können.» Oft kenne man sich oder kenne jemanden aus dem Umfeld. So können sich etwas ausschweifendere Gespräche ergeben als solche, die sich allein auf die harten Fakten wie Preis, Zubehör oder Lieferfristen beschränken. Schön, kann ich wieder zu dir kommen, heisse es dann etwa. «Die Kunden können und wollen häufig sehen und spüren, mit wem und womit sie es zu tun haben. So wissen sie, dass sie auch nach einem Kauf gut aufgehoben sind.» Schliesslich haben Menschen auch noch ­eine Ausstrahlung, Charisma und eine Wirkung auf andere, und diese kommen just im Handel real und live viel besser zur Geltung als digital. Kunden wollen den Ausdruck und den Kontakt spüren, ehe sie bereit sind, den einen oder anderen Hunderter mehr zu bezahlen als im Grosshandel, wo letztlich viel über den Preis geht.

Aber, sagen fast alle, mit denen man spricht, die Kunden, hätten sich zu einem gewissen Grad an kontaktlose Beratung gewöhnt. Thomas Bauder von der gleichnamigen Mercedes-Garage in Oberburg BE stellt fest: «Facetime- oder Skype- Termine werden heute viel öfter nachgefragt.» Noch vor eineinhalb Jahren sei das unvorstellbar gewesen. Die Kunden liessen sich Angebote und Modelle via Smartphone zeigen und sparten sich so erst einmal den Gang ins Autohaus. Das Unschöne daran sei, dass man «danach leider oft nichts mehr hört, weder ein Ja noch ein Nein», so Bauder. Aus einem virtuellen Erstgespräch entsteht definitiv eine gefühlt viel kleinere Verpflichtung seitens des Interessenten. Das ist gänzlich anders, als wenn dieser mit dem Anbieter am Tisch gesessen ist, einen Kaffee und ein Guetzli offeriert bekommen, von Mitarbeitern einen Gruss und ein Lächeln geerntet und die Ambiance des Showrooms mit allen Sinnen aufgenommen hat. Virtuelle Beratungen sind Massenware, eine Live-Beratung hingegen ist ein Massanzug.

Keine Menschenmassen 

Es ist aber nicht so, dass die Showrooms nach der Wiedereröffnung von Menschenmassen geflutet worden wären. Abgesehen davon, dass nach wie vor Corona-Restriktionen gelten, «muss sich zuerst wieder eine Normalität einstellen», sagt Phil Jegge. «Die Leute müssen sich wieder daran gewöhnen, unbekümmert ins Restaurant, in den Laden oder eben in den Showroom zu gehen.» Negativ formuliert könnte man hier von Social-Life-­Movement-Haltungsschäden sprechen, die sich durch das aufgezwungene Regime der letzten Monate ergeben haben. Positiv kann man von einer Entwicklung sprechen, die coronabedingt stattgefunden hat und definitiv auch nach Corona weiter bestehen wird. Ein Frontprofi einer Grossgarage berichtet, dass in deren Betrieben heute ein von A bis Z kontaktloser Handel problemlos möglich ist und immer öfter auch praktiziert wird. Live-Kontakte gebe es definitiv weniger als früher. Wobei kontaktlos wohlverstanden nicht heisst, dass der Kunde nie mit dem Verkäufer spricht, im Gegenteil. Das ist wie bei den E-Mails. Seit es diese gibt, hat man viel mehr Post zu beantworten als früher, als man noch Briefe schreiben oder faxen musste. Die Gespräche finden jedoch vermehrt via Videokonferenz übers Handy oder via Laptop statt. Je teurer das Auto und je opulenter die Optionsvarianten sind, desto öfter ist das der Fall. Was nicht funktioniert, ist Autokauf via Click and Collect wie bei einem Bikini auf Zalando.

Viele Kunden schätzten das kontaktlose Gespräch, weil es für sie praktisch sei und sie so Zeit sparten. Anderen falle es interessanterweise leichter, virtuell mit Verkäufern in Kontakt zu treten. Gewisse Hemmungen und Unsicherheiten fielen so offenbar weg. Das leuchtet ein, wenn man an die boomenden Kuschelrockplattformen wie Friend­ship, Swissfriends oder was auch immer für Verkehrstreffpunkte denkt. Insofern sei es «ein Dazulernen», wie es der Verkaufschef des Grossbetriebes ausdrückt, und durchaus eine Chance für die Branche, neue Kunden zu gewinnen. Einerseits solche, die unter Anflügen sozialer Phobie leiden, und andererseits solche aus grösserer Distanz und nicht nur aus der Umgebung. Selbstverständlich werden so aber auch bestehende Kunden komfortabel bedient und betreut. Abgesehen davon wäre es falsch zu glauben, dass das Kapitel Pandemie nach Corona für immer passé sei. Corona hat diverse Brüderchen und Schwesterchen, die irgendwann auf uns zukommen werden.

E ist stark nachgefragt

Die Umfrage zeigt, dass die grosse Corona-Nachholeinkaufswelle noch nicht eingesetzt hat. Das könnte freilich noch kommen, sobald die Impfung mehr Sicherheit – auch Planungssicherheit – ins Volk zurückbringt. Jetzt aber ist die Pandemie, die ihre wirtschaftlichen Folgen notabene erst verzögert in vollem Ausmass entfalten wird, noch zu aktuell. Aber: Die Leute kommen, wollen sich etwas Gutes tun und bestellen wieder Autos. In erster Linie nachgefragt sind klar Elektroautos. Hier besteht ein ausgeprägtes Informationsbedürfnis, es stellen sich noch ein paar Fragen mehr als zum seit 100 Jahren bekannten Verbrenner. Fragen, die sich natürlich auch via Videocall, am Handy oder Laptop besprechen lassen, schliesslich können hier dank Corona inzwischen auch Oma und Opa problemlos mithalten. Am Tisch freilich, mit Kaffee und Kuchen, macht es weiterhin mehr Freude – und es bleibt erst noch mehr hängen.

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