Wochenlang waren alle Museen der Schweiz zwangsgeschlossen. Seit 1. März darf das Publikum wieder zwischen Klimt und Vermeer flanieren, etwas über die Reformation von Zürich lernen und Dinosaurierskelette bestaunen. Kurz: Die Museen sind wieder geöffnet.
Auch das meistbesuchte Museum der Schweiz, das Verkehrshaus in Luzern, konnte seine Türen wieder öffnen. In der grossen Halle für den Strassenverkehr wartet das Verkehrshaus mit einer neuen Themeninsel auf. Unter dem Motto Powerfuel wird den Besuchern nähergebracht, was uns weiterbringt: Treibstoffe.
Die Alternativen kommen
Gleichzeitig mit der immer stärkeren Verbreitung von Elektroautos erhalten auch die Alternativen dazu wieder Aufwind. Noch immer gibt es bezüglich Energiedichte und Einfachheit in der Handhabung nichts, was mit flüssigen Treibstoffen mithalten kann. Die beiden vielversprechendsten sind Wasserstoff und synthetische Treibstoffe, die beide eine CO2-neutrale Alternative darstellen können – eine entsprechende Herstellung vorausgesetzt. Für sie muss keine komplett neue Infrastruktur aufgebaut werden. Dass die bestehende Infrastruktur – also Tankstellen – noch eine ganze Weile ihre Daseinsberechtigung haben wird, wird gerne übergangen, wenn man über die Zukunft der Elektromobilität spricht. Denn allen grossartigen Anteilen der E-Autos an den Neuwagen zum Trotz machen Autos, die ganz ohne Tank auskommen, immer noch weniger als ein Prozent aus.
Wir haben uns die Ausstellung im Verkehrshaus zusammen mit Roland Bilang kurz nach der Eröffnung angesehen und uns mit ihm über die Zukunft der Treibstoffe unterhalten. Bilang ist Geschäftsführer von Avenergy Suisse, dem Branchenverband der Importeure, Hersteller und Vertreiber von flüssigen Treibstoffen in der Schweiz, und einer der Initianten hinter der Ausstellung. «Wir hatten eine ähnliche Ausstellung auch schon am Autosalon Genf, aber ich denke, hier im Verkehrshaus passt es besser. Die Besucher sind neugierig, interessiert und wollen Wissen konsumieren. Das können wir ihnen hier vermitteln», erklärt Bilang.
Wir treffen uns mit den Vertretern von Avenergy vor dem Eingang zum Verkehrshaus und bereiten uns schon auf eine erste Diskussion vor – schliesslich sind wir mit dem Elektroauto angereist. «Wir sind mit dem Zug gekommen, die Verbindungen von Zürich nach Luzern sind wirklich gut», zerlegt Bilang in einem Satz das Klischee, das man von einem Vertreter der Ölindustrie hätte haben können.
Wasserstoff im Zentrum
Blickfang der Ausstellung, die eingebettet ist zwischen historischen Autos aus Schweizer Produktion und Formel-1-Rennwagen von Red Bull, ist ein Hyundai Nexo, das Wasserstoff-Brennstoffzellen-SUV von Hyundai. «Hyundai ist unser Partner für solche Projekte. Dank ihres Engagements im Bereich Wasserstoff passen wir sehr gut zusammen», erklärt Roland Bilang die Kooperation.
Dem Konzept des Verkehrshauses folgend soll auch Powerfuel alle Altersklassen ansprechen. Für die Kleinen gibt es spielerische Unterhaltung, für die Grossen solide Informationen. Die Attraktion für kleine Zappelphilipps und -philippas ist die überdimensionierte Leinwand mit Beamer, die eine virtuelle Wasserstofftankstelle darstellt. Kinder können unter vollem Körpereinsatz aus Wassermolekülen Wasserstoff herstellen, der dann in die virtuellen Autos getankt wird. Oder sie lernen an einer echten Wasserstoffzapfsäule, dass Wasserstofftanken auch keine Hexerei ist – das hätte einem Autotester der AUTOMOBIL REVUE auch gutgetan, der kürzlich mit dem Toyota Mirai ratlos an einer Wasserstofftankstelle stand …
Und wie schreitet der Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur in der Realität voran? Zusätzlich zur Ost-West-Achse vom Bodensee nach Genf, an der heute sechs Wasserstofftankstellen stehen, sollen bis Ende Jahr noch einmal vier weitere dazukommen. «Im Moment ist der Ausbau leider nicht ganz einfach. Es ist alles noch sehr klein, das heisst, auch die Infrastruktur steckt noch in den Kinderschuhen. Viele Techniker kommen aus dem Ausland und können jetzt nicht einreisen.» Die Branche hält aber an ihrem Ziel fest, bis Ende 2023 eine Infrastruktur aufzubauen, die eine flächendeckende Versorgung mit sauberem Wasserstoff ermöglicht. «Der Wasserstoff in der Schweiz wird vollständig aus erneuerbaren Energiequellen hergestellt, da sind keine fossilen Anteile drin. So kann er seinen Teil zur Senkung der CO2-Emissionen beitragen», unterstreicht Bilang den Stellenwert von Wasserstoff als möglicher Technologie der Zukunft.
Das Potenzial synthetischer Treibstoffe
Eine andere Möglichkeit, die ebenfalls noch kaum genutzt wird, sind synthetische Treibstoffe, die Syn-Fuels oder E-Fuels, denen auch ein Teil von Powerfuel gewidmet ist. Denn auch wenn der Anteil an Elektroautos bei den Neuwagen stetig zunimmt, so dauert der Wandel doch lange. Das Durchschnittsalter eines Personenwagens in der Schweiz beträgt 8.4 Jahre, bis die komplette Flotte abgelöst ist, dauert es also Jahrzehnte, ausserdem steht eine zufriedenstellende Ladeinfrastruktur oftmals nicht zur Verfügung. Die Umstellung von fossilen auf synthetische Treibstoffe bietet grosses Potenzial für die Dekarbonisierung dieser Fahrzeugflotte. So unterstützen die Autohersteller selber die Entwicklung von synthetischen Treibstoffen. Porsche will die Produktion von Syn-Fuels in einer Pilotanlage in Chile bis 2025 auf 550 Millionen Liter jährlich hochfahren. Und Mazda ist Anfang 2021 der E-Fuel Alliance beigetreten, die sich für den industriellen Ausbau und die Förderung der weltweiten Produktion und Anwendung von Syn-Fuels einsetzt.
Das schätzt auch Roland Bilang entsprechend ein: «Synthetische Treibstoffe spielen heute noch eine untergeordnete Rolle. Es ist aber nicht auszuschliessen, dass diese in Zukunft immer grösser wird. Für Flugzeuge beispielsweise sind sie eine gute Alternative. Für die Herstellung von Kohlewasserstoffen braucht es auch noch CO2. Es ist wichtig, dass dieses aus der Atmosphäre kommt, sonst ist der Kreislauf nicht geschlossen.»
Ein weiterer Partner der Themeninsel ist die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa), die grosse Anstrengungen unternimmt, nachhaltige Mobilität zu fördern. So wird am Standort der Empa in Dübendorf ZH intensiv an synthetischen Treibstoffen geforscht – und die Erkenntnisse aus den eher trockenen Forschungsberichten werden im Verkehrshaus auf leicht verständliche Weise erlebbar gemacht.