Für einen Rennfahrer ist der Pikes Peak im US-Bundesstaat Colorado das, was für ein Bergsteiger der Mount Everest ist. Da geht man nicht einfach mal kurz hin. Das Abenteuer ist – in Zahlen ausgedrückt – 19.9 Kilometer lang, es gibt 156 Kurven, über 1440 Höhenmeter, und bei einer durchschnittlichen Steigung von sieben Prozent geht es hinauf auf 4300 Meter über Meer. Die Expedition Pikes Peak ist eine Herausforderung für Mensch, Maschine und Budget. Roger Schnellmann (36), einer der besten Bergrennfahrer Europas, ist mit dem Team Köstli Racing aus Wernetshausen ZH fast im Basiscamp am Fuss dieses Himmelfahrtskommandos, des Race to the Clouds am 27. Juni, angekommen.
AUTOMOBIL REVUE: Roger Schnellmann, Sie mögen mir die Frage verzeihen, aber sind Sie wahnsinnig geworden?
Roger Schnellmann: Gute Frage (lacht). Pure Begeisterung umschreibt dieses Abenteuer Pikes Peak auch, ebenso wie viel Respekt und ein wenig Angst vor der Grösse dieses Projekts.
Wie kamen Sie überhaupt dazu?
Auf Umwegen sind die Brüder Roman und Sebastian Köstli auf mich zugekommen. Die haben zwar dieses umgebaute Auto, einen Radical SR03, aber keinen Piloten. Ich dachte erst, die wollen von mir ein paar Informationen zum Bergrennsport.
Die Köstlis wollten aber einen Rennfahrer?
Ja. Sie fragten mich unter anderem, wie lange ich meinen Mitsubishi Lancer schon fahre. Ich sagte, dass sei der, den ich mir vor über 15 Jahren gekauft hätte. Eben, sagten die Köstlis, wir wollen am Pikes Peak vor allem eines, ankommen.
Ankommen auf einer Höhe von 4300 Metern ist eine gewaltige Herausforderung. Da lechzen Motor und Fahrer bald nach Sauerstoff.
Das ist so. Ich weiss, dass ich mich auf dieses Rennen vorbereiten muss. Ich bin nicht mehr so fit wie früher, als ich auf dem Bau gearbeitet habe. Und den Turbomotor, einen 1.3-Liter-Hayabusa, müssen wir auch in Form bringen. Am Start wird der Motor eine Leistung von 600 PS haben – im Ziel fehlen aber wegen der Höhenluft bis zu 43 Prozent Leistung. Die Köstlis werden, wie ich, erstmals am Pikes Peak sein, deshalb wird der Motor von einem Hayabusa-Experten in den USA gewartet.
Apropos Debüt: Ich denke, dass Sie noch keinen Meter dieser 20 Kilometer langen Strecke mit 156 Kurven kennen.
Noch nicht! Ich habe aber mit der Racing Fuel Academy in Horgen einen Partner, der diese Strecke auf dem Simulator hat (lacht). Da hilft man mir auch betreffend der Fitness.
Herausfordernd ist dieses Abenteuer aber sicher auch in finanzieller Hinsicht?
Das ist so. Tatsächlich benötigen wir noch 100 000 Franken. Deshalb haben wir auf der Crowdfunding-Plattform ibelieveinyou.com einen Aufruf gestartet. Wenn wir bis Ende Februar das Geld nicht zusammen haben, verschieben wir den Start am Pikes Peak auf das nächste Jahr, wenn das legendäre Bergrennen zum 100. Mal stattfindet.
Roger Schnellmann träumt schon lange vom Pikes Peak: «Kein Bergrennen ist so legendär, keines hat so viel Geschichte geschrieben.» Auch Schweizer Fahrerkollegen wie Philip Egli, Lukas Eugster, Andy Feigenwinter, Simon Wüthrich und Philipp Krebs schwärmen: «Meinen Respekt hat er! Geile Siech – vielleicht sogar ein wenig ein Spinner.»
So denkt man unweigerlich auch von Walter Röhrl, an die Bilder und Videos seiner Rekordjagd am Pikes Peak 1987. Das Rallye-Ass brauchte für die Himmelfahrt im Audi Sport Quattro E2 10:47.850 Minuten – vor über 30 Jahren und auf Schotter! Viele prominente Piloten haben sich schon beim legendären Bergrennen ausgetobt. 1988 kam Ari Vatanen und verbesserte den Rekord im Peugeot 405 Turbo 16 um 63 Hundertstelsekunden.
Die Rallye-Ikone meinte 2013, als Rallye-Rekordweltmeister Sébastien Loeb im Peugeot 208 T16 – endlich auf Asphalt und mit Sauerstoffmaske im Cockpit! – den Rekord auf 8:13.878 Minuten setzte: «Ich will die Leistung nicht schmälern. Aber ich habe vor meiner Fahrt noch eine geraucht.» Der aktuelle Rekordhalter raucht nicht, zumindest nicht der Bolide. 7:57.148 Minuten brauchte Romain Dumas 2018 im elektrischen Volkswagen ID R.