Es war der spektakulärste Unfall seit vielen Jahren. Die Heftigkeit des Aufpralls, das Ausmass der Schäden, das Feuer, das im modernen Motorsport schon vergessen ging: Sie prägten die Bilder, die am Sonntag beim Grand Prix von Bahrain um die Welt gingen, nachdem Romain Grosjean fast unversehrt dem Wrack entstiegen war – wie Phoenix aus der Asche. Der Genfer trug Verbrennungen an den Händen und an einem Knöchel davon, aber hatte sich nichts gebrochen. Er hatte noch einmal Glück. Insofern wird es ihm ausnahmsweise egal sein, wenn an seiner Stelle Pietro Fittpaldi diesen Sonntag ins Haas-Cockpit steigt. Wahrscheinlich wird Grosjean das Rennen am TV verfolgen – und dabei an jene Dinge denken, die ihm das Leben gerettet haben. In diesem Fall die zahlreichen Sicherheitsmassnahmen, die im Laufe der vergangenen Jahrzehnte vom Autoweltverband FIA eingeführt worden sind.
Das Monocoque, die Überlebenszelle
Seit dem Debüt der ersten Kohlefaser-Monocoques 1981 im McLaren MP4 hat sich dieses zentrale Element eines jeden Monoposto unter dem Druck der FIA immer weiter entwickelt. Gewicht, Abmessungen, Dicke, Steifigkeit, alles ist vorgeschrieben und wird vor jeder Homologation immer strengeren, statischen (Schub) und dynamischen Crashtests (Stoss) von mehreren Tonnen unterzogen. Das Monocqoue besteht aus einem Stück und ist aus zwölf Lagen Kohlefaser sowie Kevlar und Nomex im Bereich der Beine gefertigt. Befestigt ist es vorne an der Vorderachse, im Rücken des Fahrers befinden sich der Benzintank sowie die Antriebseinheit mit Motor, Antriebswellen, Getriebe und Aufhängungen. Das Monocqoue ist aussen mit Anti-Intrusionsplatten aus Zylon ausgekleidet, die verhindern, dass ein Objekt durchschlägt. Schliesslich sind verformbare Strukturen, die die Energie eines Aufpralls absorbieren, auf jeder Seite der Fahrgastzelle sowie an den Enden vorne und hinten in der Verlängerung des Getriebes angebracht. Beim Test muss es nur 56 km/h aushalten – Grosjean entstieg seinem Haas, gebaut von Dallara, nach einem Aufprall bei 220.5 km/h mit 53 g.
Halo, der Überrollbügel am Cockpit
Das andere lebensrettende Element für den Genfer war zweifelsohne der Halo, der Überrollbügel am Cockpit, der 2018 in der Formel 1 eingeführt wurde. Er wird heute auch in den meisten anderen Rennwagentypen eingesetzt und war am Sonntag das wichtigste Element. Am Sonntagabend im Bett des Militärkrankenhauses von Bahrain lobte Grosjean den Halo in einer Videobotschaft: «Vor einigen Jahren war ich nicht für den Halo, aber ich glaube, es ist das Beste, was in der Formel 1 eingeführt wurde. Ohne Halo wäre ich nicht hier und würde nicht mit Ihnen sprechen.» Der F1-Halo, der wegen seines hohen Gewichts (7 kg) und seiner störenden Einflüsse auf die Aerodynamik kritisiert wird, ist in das Monocoque integriert und Bestandteil der Überlebenszelle. Der Halo wird aus einer Titanlegierung (Grad 5) hergestellt, wie man sie aus der Luft- und Raumfahrt kennt, und ist für eine Belastung von 125 kN oder etwa 12.7 Tonnen ausgelegt.
Hans, Retter der Wirbelsäule
Weniger spektakulär, aber genauso effektiv – und das hat es seit seiner Einführung im Jahr 2003 bereits mehrfach bewiesen – hat auch das Hans-System (Head and Neck Support) wesentlich zur Rettung Grosjeans beigetragen. Die Nackenstütze aus Karbon stützt den Kopf mittels Riemen, die mit dem Helm verbunden sind. Im Fall eines Frontalaufpralls schützt er die Halswirbel des Piloten und bewahrt diesen vor einem Schleudertrauma. Ausserdem muss Hans eine Reihe von Tests bestehen, bevor er von der FIA homologiert wird, wobei bestimmte Grenzen für die Verformung der Halskrause und die Dehnung der Gurte bei einer einwirkenden Belastung von 11 kN (entspricht einem Gewicht von 1.1 Tonnen) möglich sind. Zudem muss das Material feuerbeständig sein und innerhalb von zehn Sekunden selbst erlöschen.
Helm und Anzug
Die persönliche Ausrüstung des Piloten mit Helm, Anzug, Handschuhen, Schuhen und dergleichen übernimmt ebenfalls eine Schutzfunktion, vor allem gegen Feuer. Sie wird permanent weiterentwickelt, um immer höheren Anforderungen gerecht zu werden. Die Helmhersteller müssen sich an Gewichtsvorgaben halten, die der Sicherheit entsprechen. Wegen des Komforts für den Fahrer wiegen die besten Helme etwa ein Kilogramm, müssen aber strengen Regeln und Dutzenden Tests standhalten. Da ist die Innenpolsterung, die den Kopf buchstäblich einhüllt und in der Lage sein muss, einen grossen Teil der Energie eines Aufpralls zu absorbieren, und da ist die Aussenschale aus Karbon. Die Tests, mit denen ein Helm malträtiert wird, sind hart: Er wird gequetscht (10 Kilogramm schweres Gewicht, das aus 5.1 Metern Höhe herunterfällt), er wird mit stumpfen (225 Gramm schweres Metallteil, das mit 250 km/h auftrifft) und spitzen Gegenständen (4 Kilogramm schwerer Pfeil, der mit 27 km/h auftrifft) beschossen. Schliesslich muss der Helm, wenn er einem Feuer von 790 Grad ausgesetzt ist, von selbst erlöschen, sobald er nicht mehr in Kontakt mit den Flammen steht. Der Rest der Ausrüstung wird ebenso streng kontrolliert. Zu den jüngsten Fortschritten gehört, dass die FIA im Jahr 2018 Handschuhe mit biometrischen Sensoren vorschreibt, die den Ärzten im Sanitätsfahrzeug Informationen über den Zustand des verletzten Fahrers liefern. Ein Sensor am Ohrstück der Funkanlage zeichnet im Datenrekorder ähnlich wie in der Blackbox eines Flugzeugs die g-Kräfte bei einem Aufprall auf.
Fragen bleiben
Abgesehen von all den positiven Aspekten, die beim Unfall von Romain Grosjean festgestellt wurden, gibt es noch offene Fragen. Die FIA hat deshalb Ermittlungen aufgenommen. Die Tatsache, dass das Auto in zwei Teile zerbrach, lässt sich auf die Gewalt des Aufpralls (Grosjean hatte gerade in den siebten Gang geschaltet, als er mit Daniil Kvyat kollidierte) und den Winkel des Aufpralls in die Leitplanken zurückführen. Aber warum brannte es? Die Bilder des Monocoques zeigen, dass der Einfüllstutzen am Tank fehlt. Und inwieweit haben der Halo ebenso wie die seitlichen Schutzvorrichtungen im Cockpit und der Nackenriemen, der schon in normalen Situationen schwer zu lösen ist, den Ausstieg des Piloten erschwert? Grosjean verdankt sein Leben wahrscheinlich der Tatsache, dass er das Bewusstsein nicht verloren hat. Seine robuste Konstitution als austrainierter Athlet erlaubte es ihm, den enormen Schock zu absorbieren, und seine Reflexe, sein Überlebensinstinkt, taten das Ihre, damit er aus dem brennenden Wrack entkommen konnte. Es ist auch zu klären, warum sich die Leitplanken geöffnet haben und das Monocoque in einer Position einklemmten, aus der es unmöglich gewesen wäre, den Piloten schnell herauszuziehen. Eine erste Reaktion wäre die Einführung absorbierender Barrieren vom Typ Tecpro, die von der FIA bereits in allen kritischen Bereichen vorgeschrieben sind. Grosjeans Unfall passierte nicht an einer solchen kritischen Stelle. Aber es ist typisch für einen derart fürchterlichen Unfall: Er passiert dort, wo man ihn nicht erwartet.
Entgegen aller Sportkommentatoren der TV-Stationen, welche behaupteten das Rettungskonzept und die Marschalls hätten funktioniert, muss man sich das anschauen. Nach 27 Sekunden ist der Notarzt an der Unfallstelle. die Marshalls nicht. dann versucht einer mühsam, seinen Handfeuerlöscher auszupacken.
unterdessen kann sich der Rennfahrer selber aus dem brennenden Wrack retten. sonst wäre R. Grosjean dort verbrannt. die 3 Handfeuerlöscher und Marshalls haben auch danach lange gebraucht bis das Feuer gelöscht war. wenn der Rennfahrer noch drin gesteckt hätte, dann hätte er die heissen Gase eingeatmet und wäre die ganze Zeit dem Feuer ausgesetzt gewesen.
Zur Erinnerung: die Feuerfeste Schutzbekleidung ist auf 35 Sekunden ausgelegt!
Gute Besserung für Romain.