Weight-Watching dank Kunststoff

MOTORENBAU In den Entwicklungsabteilungen tritt der ­Ver­brennungsmotor allmählich ins zweite Glied zurück. In ­Kombination mit Elektromaschinen wird er uns aber noch länger begleiten. Deshalb wird er kontinuierlich weiterentwickelt.

Mit der Einführung der geplanten EU-7-Norm wird die EU-Kommission Autos mit Verbrennungsmotor ab 2025 de facto verbieten», befürchtet Hildegard Müller, Chefin des deutschen Verbands der Automobilindustrie (VDA). Um die hoch gesetzten Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens einzuhalten, möchte die EU die CO2-Grenzwerte weiter drastisch verschärfen. Noch sind die kommenden Grenzwerte aber nicht festgelegt.

Autohersteller und Motorenentwickler rechnen damit, dass der Verbrennungsmotor in mehr oder weniger elektrifizierter Form noch über Jahre unentbehrlich sein wird. Auf jeden Fall gibt sich der Verbrenner gegen Ende seiner Entwicklungsgeschichte noch einmal richtig kreativ. HCCI-Systeme (Homogeneous Charge Compression Ignition) wie im Mazda-Triebwerk Skyactiv-X oder die Vorkammerzündung im Maserati-Schmuckstück Nettuno, einem Dreiliter-V6-Biturbo mit 630 PS, loten verbleibende Effizienznischen aus.

Noch immer gibt es viel Entwicklungspoten­zial für den Verbrennungsmotor. Er kann beim thermischen Wirkungsgrad weiter verbessert, aber auch noch leichter werden. Das kommt ihm auch zugute, wenn er im Verbund mit einer oder mehreren Elektromaschinen ein Auto antreibt.

Der Leichtbaumotor setzt auf viele Kunststoffbauteile zur Gewichtsreduktion sowie ein aufwendiges Kühlsystem mit einzelnen Kühlwasserkanälen.

Kunststoff statt Metall
Im Forschungsprojekt Leimot (Leichtbaumotor) entwickelt das deutsche Engineering-Unternehmen FEV zusammen mit den Partnern Fraunhofer, Rheinisch-Westfälischer Technischer Hochschule Aachen, VW und dem Schweizer Kunststoffspezialisten Dätwyler einen Leichtbaumotor, der im Vergleich zu einer konventionellen Motorkonstruktion rund 30 Prozent weniger Gewicht auf die Waage bringen soll. Die Neukonstruktion, die sich am Zweiliter-Dieselmotor EA288 Evo von VW orientiert, entsteht in Hybridbauweise aus im 3-D-Druck gefertigten metallischen Komponenten und faserverstärkten Kunststoffbauteilen. Parallel zur Gewichtssenkung sollen auch der Wirkungsgrad, das Laufverhalten, das Thermomanagement sowie die Geräuschentwicklung des Aggregats optimiert werden.

Das Kurbelgehäuse, das sich aus einer Aluminium-Tragstruktur und Abdeckungen aus Phenolharz-Formteilen zusammensetzt, wurde zwischen den Schottwänden mit horizontalen Belastungsstrukturen sowie mit zwei Verbindungsrohren im Bereich der Ausgleichswellen versteift. Und dank der unteren Aluminium-Lagerbank konnte auf schwere Stahl-Hauptlagerdeckel verzichtet werden. Zu der im selektiven Laserschmelzverfahren gefertigten Tragstruktur gehören die mechanisch und thermisch hochbelasteten Bereiche, also die Brennräume, die Lagersitze sowie die Ölversorgung.

Die Kunststoff-Seitenabdeckungen bestehen aus zwei Schalenbauteilen, die im Spritzguss gefertigt und durch einen silikonbasierten Klebstoff miteinander verbunden werden. Beide Kunststoffteile werden mit der Alu-Tragstruktur verschraubt und mit einer elastischen Silikondichtung gegen den Metallblock abgedichtet. Die spezielle Dichtungslösung entwickelte das Zulieferunternehmen Dätwyler aus Schattdorf UR. «Die Dichtung musste in der Lage sein, alle potenziellen Vibra­tionen zu absorbieren, um übermässigen Lärm und Haltbarkeitsprobleme zu vermeiden. Wir nutzten unsere Materialkenntnisse, um sicherzustellen, dass das Verbundmaterial in Bezug auf Temperatur- und Medienresistenz optimiert wurde», erklärt Rolf Figi, Product Manager von Dätwyler.

Aufgrund der geringen Wärmeleitfähigkeit des Phenolharzes kann durch die Schalenbauweise im Kurbelgehäuse ein verbessertes Thermomanagement erreicht werden. Für das Leimot-Projekt ist eine Querstromkühlung vorgesehen. Ziel ist es, mit einer reduzierten Menge an Kühlwasser eine optimale Kühlung der Zylinder zu erreichen. Aufgrund der geringeren thermischen Trägheit ergibt sich nach dem Kaltstart eine kürzere Warmlaufphase. Im Zylinderkopf führen neue Kühlmittelleitungen um die Ventilsitzringe und den Injektorschacht an den heissesten Stellen schnell Wärme ab. Im Vergleich zu einem grossen Wassermantel ermöglichen die Einzelleitungen eine Erhöhung der Steifigkeit der Brennraumplatte. Durch den Effizienzgewinn im Kühlsystem während der Warmlaufphase kann die Antriebsleistung der Wasserpumpe gesenkt werden.

Leichter und effizienter
Während der Entwicklung wurden kontinuierlich NVH-Bewertungen (Noise, Vibration, Harshness) durchgeführt, und die Ergebnisse flossen laufend in die Konstruktion ein. Das Gewicht des Zylinderkopfes konnte im Leimot-Projekt gegenüber dem Referenzbauteil um 8.5 Kilogramm gesenkt werden. Zusammen mit dem Kurbelgehäuse ergibt sich im Vergleich zum Zweiliter-Dieselmotor EA288 Evo ein Gewichtsvorteil von etwa 21 Prozent. Ausserdem bringt das Konzept eine Effizienzsteigerung durch die Reduzierung der Kühlmittel- und Ölpumpenleistung, die Verringerung der Reibung des Ventiltriebs sowie eine Reduzierung der Emissionen beim Kaltstart.

Für weitere mechanische und thermodynamische Versuche sollen im kommenden Jahr fünf Prototypen aufgebaut werden. Zusätzlich wollen die Ingenieure im Rahmen des Projekts das Potenzial neuer Herstellprozesse aufzeigen. Allerdings zeigt die Entwicklung bisher, dass additive Fertigungsverfahren grosser Bauteilen vorerst im Massenmarkt wirtschaftlich nicht mit konventionellen Herstellungsmethoden konkurrieren können. Aber die bisherige Entwicklung hat auch gezeigt, dass konventionelle Fertigungsverfahren von den Erfahrungen mit der additiven Fertigung profitieren können.

Kunststoffmantel für den TSI-Motor
Ein Entwicklungsprojekt für ein Duroplast-Zylinderkurbelgehäuse wurde bei Volkswagen bereits Ende 2019 abgeschlossen. Zusammen mit den Partnern IAV und RPM in Helmstedt (D) haben die VW-Ingenieure den aktuellen 1.5-Liter-Vierzylinder-TSI-Motor radikal umgebaut. Eine Kunststoffhülle aus glasfaserverstärktem Duroplast auf Phenolharz-Basis umfasst dabei ein Innenbauteil aus Aluminium, das die Zylinder, die oberen Hauptlagerhälften und die innere Wand des Wassermantels enthält. Eine untere Lagerplatte aus Aluminium versteift das Zylinderkurbelgehäuse und dient als Aufnahme für die Ölwanne, die aus glasfaserverstärktem Polyamid besteht. Gegenüber der Serienversion konnte das Kurbelgehäuse damit um rund 13 Prozent leichter gestaltet werden.

Aufgrund der geringeren thermischen Leitfähigkeit des Kunststoffmantels stellen sich bei dieser Hybridkonstruktion hohe Temperaturen im Metall-Kunststoff-Kontaktbereich ein. Dieser Thermoskanneneffekt kann mit einem entsprechend thermomechanisch stabilen Kunststoff von Vorteil sein, da die Wärme im Motor verbleibt und dieser schneller Betriebstemperatur erreicht.

Durch die mit dem hybriden Kurbelgehäuse erreichte Gewichtsverringerung glauben die Entwickler, den CO2-Ausstoss im Vergleich zum aktuellen Serienmotor um 15 Prozent senken zu können. An eine Serienfertigung ist jedoch vorerst nicht gedacht. Peter Weisheit, Sprecher Technikkommunikation bei VW, erklärt: «Dieses Zylinderkurbelgehäuse war ein reines Forschungsprojekt, bei dem es keinerlei Pläne für eine Serienfertigung gab. Das Leistungspotenzial wurde nicht bewertet, daher fand auch kein entsprechender Prüfstandslauf statt. Die Kosten werden schon alleine aufgrund der doppelten Werkzeugerstellung – sowohl für die metallische Komponente als auch für die Kunststoffkomponente – höher ausfallen. Daneben sind das Herstellen einer hybriden Fügezone und das Fügen der Komponenten selber zusätzliche Prozessschritte, die die Fertigungskosten erhöhen könnten.»

Nockenwellen aus Kunststoff können die Produktionskosten im Motorenbau senken

Nockenwellenmodul aus Kunststoff
Nockenwellenmodule werden meistens aus Aluminium gefertigt. Nun hat ein Team des Fraunhofer-Instituts für Chemische Technologie (ICT) zusammen mit den Partnern Mahle und Daimler ein Modul aus Kunststoff hergestellt. Als Werkstoff wählten die Entwicklungspartner faserverstärkte Duromere, die sowohl hohen Temperaturen als auch mechanischen und chemischen Belastungen gut standhalten.

Im Gegensatz zu Gussteilen aus Aluminium ist der Nachbearbeitungsaufwand bei faserverstärkten Duroplasten vergleichsweise gering. Ausserdem ist die Lebensdauer von Duroplast-Spritzgusswerkzeugen wesentlich höher. Beides wirkt sich natürlich positiv auf die Kosten aus. Als weiteren Vorteil der Kunststoffkonstruktion nennen die Entwickler die Senkung der Geräuschemissionen. Und weil das Duromermodul aus einem Guss gefertigt wird, verringert sich der Montageaufwand im Motorenwerk.

Versuchsweise wurde das Modul aus glasfaserverstärktem Phenolharz, das rund 20 Prozent leichter ist als die Aluminiumausführung, an den Mercedes-Serienmotor M282 angepasst. Sein Wärmeausdehnungskoeffizient entspricht ungefähr jenem der benachbarten Alubauteile. Nach den ersten rund 600 Stunden Versuchslauf im geschleppten Motor soll das Leichtbaumodul nun im befeuerten Motor auf die Möglichkeit einer zukünftigen Serienanwendung hin getestet werden.

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