Die auf Hochglanz polierten Karosserien werden nächsten März zum zweiten Mal hintereinander nicht in den Palexpo-Hallen zu bewundern sein. Auch eine covid-konforme Ausstellung über drei Tage nur für die Medien, wie sie Palexpo als Ersatzveranstaltung des echten Autosalons angedacht hatte, findet nun doch nicht im März 2021 statt. Der erneute weltweite Anstieg der Infektionszahlen ist kein Anlass für die Automobilmarken, sich an einem solchen, wenn auch reduzierten Format zu beteiligen. «Das Interesse der Hersteller für ein solches Konzept ist da, sie benötigen die Sichtbarkeit für ihre Kommunikation. Aber derzeit will sich niemand festlegen, sodass im ersten Quartal 2021 nichts stattfindet», erklärt Claude Membrez, Direktor der Genfer Ausstellungshallen Palexpo.
Serenella Artioli De Feo, die Kommunikationsbeauftragte des FCA-Konzerns, bestätigt das derzeitige Zögern der Hersteller: «Es fällt schwer, dem von Palexpo vorgeschlagenen Konzept zuzustimmen. Es ist im Moment sehr schwierig, langfristige Pläne zu schmieden. Alle Hersteller sind von der Krise betroffen. Vielleicht hätten wir einen radikaleren und kreativeren Vorschlag erwartet.»
Zeitfenster behalten
Mit dem Konzept eines Salons light wollte Palexpo vor allem das «Zeitfenster im März behalten», nachdem die traditionellen Organisatoren der GIMS, die Stiftung des Internationalen Automobilsalons, nicht bereit war, eine Messe im März 2021 zu veranstalten. «Die Messewelt hat ihre Regeln», so Claude Membrez. «Keine Veranstaltung auszurichten, ist ein grosses Risko, denn man verliert das Zeitfenster. Und der fehlende Kontakt mit den Ausstellern, der Presse und den Besuchern bedeutet eine schlechte Dynamik. Wir müssen alles tun, den Termin zu behalten, um wieder bereit zu sein, wenn die Geschäfte erneut aufleben. Nichts zu unternehmen ist ein grosser Fehler.»
Ganz anders als mit dem Protz der besten Jahre hatte Palexpo für 2021 den Ausstellern ein «schlüsselfertiges», bescheidenes Konzept von nur drei Tagen ausschliesslich für die Medien angeboten. Die Organisatoren hätten sich gegen die Entrichtung eines Pauschalbeitrags um alles gekümmert: Standbau in verschiedenen Grössen, Beleuchtung und Mobiliar. Auf einer einzelnen, grossen Bühne hätten die Pressekonferenzen und Präsentationen der Neuheiten stattfinden können.
In das zweite Quartal verschoben
Leider durchkreuzten die wieder ansteigenden Infektionszahlen und die damit einhergehenden Massnahmen der Regierung die Pläne von Claude Membrez und seinem Team: Im März 2021 wird kein Salon stattfinden, kein grosser und auch kein kleiner. Aber die Hoffnung auf einen Salon light im Jahr 2021 will Palexpo noch nicht aufgeben. «Wir suchen derzeit nach Terminen im zweiten Quartal, in der Hoffnung, dass bis dann Schnelltests und möglicherweise schon ein Impfstoff bereitstehen», sagt Claude Membrez. Der Direktor ist bereit, einen Termin bis zum Sommer ins Auge zu fassen. «Wir haben uns darauf geeinigt, den Anlass bis spätestens Juli 2021 einzuplanen, denn nachher kommt im Oktober die Messe in München. Wir suchen keinen Konflikt mit ihnen, jede Messe hat ihre eigene Identität und ihre Existenzberechtigung.» Claude Membrez ist denn auch weiterhin von der Daseinsberechtigung der Salons überzeugt: «Die digitalen Veranstaltungen generieren 50 Prozent mehr Anmeldungen, aber ob die Besucher hinter den Bildschirmen wirklich aufmerksam sind, ist eine andere Frage.» Auch finanziell sind die virtuellen Salons nicht unbedingt interessante Investitionen: «Bei den Umsatzzahlen ist die Rede von zehn Prozent der traditionellen Veranstaltungen. Und die Einnahmen decken die Kosten für die Durchführung des Events meist nicht», behauptet der Palexpo-Direktor. Claude Membrez weiss aber auch, dass die Zeiten vorbei sind, in denen man lediglich die Tore des Ausstellungspalastes zu öffnen brauchte, damit die Besucher hereinströmten. «Es wird mehr digitale Inhalte geben als in der Vergangenheit», so sein Fazit.
Die Palexpo-Mitarbeiter wissen, dass ein Überleben der Messehallen eng mit der grossen Automobilmesse verbunden ist, die Räumlichkeiten wurden mit und um den Autosalon herum erbaut und vergrössert. Der Verlust des Automobilsalons wäre dramatisch in einer Zeit, in der weltweit eine Messe nach der anderen verschwindet. Leider geht auch der Krieg zwischen Palexpo und der Salonstiftung weiter, die Angelegenheit beschäftigt nach einem gescheiterten Schlichtungsversuch mittlerweile die Gerichte. Palexpo fordert die Zahlung der für 2020 angemieteten Flächen, womit die Stiftung nicht einverstanden ist. Und beide Parteien haben gegensätzliche Standpunkte, was die Durchführung eines Salons 2021 angeht. Aus Sicht der Stiftung kann 2021 keine GIMS stattfinden, während Palexpo darauf besteht, dass in irgendeiner Form ein Anlass stattfinden müsse.
2022 in Basel?
Nach dem gescheiterten Versuch, die Messe zu verkaufen, verfolgt die Stiftung jetzt einen anderen Ansatz. Sie sucht nach finanziellen Mitteln für die Austragung einer echten Geneva International Motor Show – mit Publikum – für 2022. Aber das Geld ist nicht die einzige Sorge von François Launaz, Vizepräsident des Komitees des Internationalen Automobilsalons: «Wenn wir die Finanzierung hinkriegen, was ich als sehr wahrscheinlich beurteile, müssen wir einen Modus vivendi mit Palexpo finden. Wir hoffen, demnächst ein Memorandum of Understanding zu unterzeichnen, damit wir mit ihr über eine gemeinsame Zukunft reden können.» Dies kommentiert Palexpo sehr nüchtern: «Die Stiftung des GIMS hat uns vor die Gerichte gezerrt, also werden die Gerichte entscheiden. Von uns aus hätten wir gerne auch miteinander diskutieren und nach einer Lösung suchen können», bedauert Claude Membrez.
Falls es für den Konflikt keine vernünftige Lösung gibt, schliesst François Launaz auch einen Umzug des Autosalons nach Basel nicht aus. «Wenn wir sowieso das Konzept anpassen, dann stellt sich die Frage, ob ein Umzug der Messe, beispielsweise nach Basel, wirklich ein Nachteil sein muss. Man müsste mit den Ausstellern reden, um zu sehen, ob das zweckmässig wäre.» Launaz, der auch Präsident von Auto-Schweiz ist, gibt aber zu, dass «ein Automobilsalon ausserhalb von Genf nicht dasselbe wäre». So sehen es auch die Marken, denen die Neutralität der Veranstaltung gefällt: «Es ist klar, dass Genf immer die Rolle des neutralen Salons spielte. Er befindet sich sozusagen auf neutralem Boden, ausserhalb der Länder der grossen Autohersteller», erklärt Serenella Artioli De Feo von FCA.
Somit scheinen alle Beteiligten, Organisatoren, Partner, Aussteller und Publikum, derselben Meinung zu sein, dass es keinen besseren Ort als Genf für die Ausrichtung eines so bedeutenden Ereignisses gibt. Leider ticken die Uhren der Justiz anders als die der Wirtschaft oder der Vernunft.
Ein Stillstand der Angelegenheit vor den Gerichten könnte sogar die GIMS über 2022 hinaus in Frage stellen.
Kein Salon wäre«ein Albtraum»
Auf den wegen des Semi-Lockdowns und somit vieler geschlossener Geschäfte menschenleeren Strassen von Genf hört man immer wieder dasselbe: Der Salon muss stattfinden! Die Begründungen, die man von der Genfer Bevölkerung hört, sind vielseitig: «Ich fand den Salon sympathisch. Ich habe ihn jedes Jahr besucht», erklärt ein Rentner. Auch wenig autobegeisterte und nicht direkt betroffene Befragte verstehen die Bedeutung des Genfer Autosalons für die regionale Wirtschaft. «Mich persönlich stört es nicht, wenn der Salon nicht mehr stattfindet, für das Gewerbe in der Region wäre das jedoch sicher ein Verlust. Aber wegen Corona ist das jetzt halt so», ist die Meinung eines weiteren Passanten. Bei den Taxifahrern ist die Reaktion wesentlich entschiedener: «Das betrifft uns unglaublich, es wäre ein Albtraum, wenn der Salon nicht stattfände. Es ist ein Ausfall für den Tourismus und ein Ausfall an Arbeit.» Die Zahlen geben ihm recht: Der Umsatz für die Region dank der GIMS beläuft sich auf 200 Millionen Franken.
Macht dem Spiel ein Ende! Salon 2021 in Basel oder in Bern! Genf wird die nächsten Jahre nicht aus dem Schlamassel herausfinden. Zu viele „Profilierungsneurosen“ setzen sich durch. Die Autobranche muss sich endlich eine durchschlagskräftige Lobby schaffen. AUTO SCHWEIZ, Automobil-Importeure, Zulieferer usw.
sind nun endlich gefordert.
Genf hat mit dem Museum einen faden Geschmack hinterlassen und so wird es dem Palexpo ergehen. Erwacht doch endlich, Freunde!
Beat Roos