Geht es um die Elektromobilität, so hatte BMW schon immer einen vergleichsweise guten Riecher. Mit dem i3 stromerte bereits ein kompaktes Elektroauto mit modernster Innenraumtechnik auf unseren Strassen herum, als die ID-Reihe von VW erst, wenn überhaupt, auf dem Papier existierte. Zudem gab es den i8, der als Sportcoupé den Elektroantrieb mit einem Dreizylindermotor kombinierte und für damals und auch heute ziemlich grossartig war. Beiden Modellen gemein war allerdings das Schicksal, dass sie ihrer Zeit voraus, zu eigenwillig und deshalb von den Kunden nicht wirklich akzeptiert waren. Nun, acht Jahre später, nehmen die Bayern einen neuen, mit Blick auf die Konkurrenz aber späten Anlauf im Elektrogame. Nach der Vorstellung des iX3 folgt der grössere BMW iX.
Als erstes Premiumauto der Welt, so BMW, wird der iX mit dem 5G-Mobilfunkstandard kompatibel sein. In Verbindung mit den Radar- beziehungsweise Lidarsensoren und den vielen Kameras soll das Elektro-SUV dann irgendwann zum autonomen Fahren nach Level 3 befähigen, zu Beginn wird allerdings nur Level 2 verfügbar sein. Passend dazu erinnert der Innenraum mit dunklen Hölzern und edlem Stoff des fünfplätzigen iX auch mehr an eine Lounge. Die Mittelkonsole wirkt aufgeräumt und ist auf vier mit Glas verkleidete Schalter geschrumpft. Hinter dem hexagonalen Lenkrad mit weiteren Knöpfen zur Bedienung erstreckt sich die weitgezogene Display-Einheit.
Eigenwilliger ist die äusserliche Erscheinung des iX mit einem Radstand von exakt drei Metern. Beispielsweise wurde auf klassische Türgriffe verzichtet, weil grossen Wert auf die optimale Windschlüpfrigkeit (cW-Wert 0.25) gelegt wurde. Die riesigen Nieren dienen nicht als Lufteinlass, sondern beherbergen die Sensorik der Assistenzsysteme. Zudem gibt es eine aktive Luftklappensteuerung und kaum Fugen auf dem Übergang zwischen Front und Haube. Diese ist nicht zu öffnen, das Gepäck muss im zirka 500 Liter grossen Kofferraum verstaut werden. Immerhin gibt es eine Vertiefung für die Ladekabel.
Die maximale Ladeleistung beträgt 200 kW, womit sich die über 100 kW grosse Batterie (s. Artikel unten) in 40 Minuten von 10 auf 80 Prozent laden lässt. Die beiden E-Maschinen liefern eine Leistung von 370 kW (500 PS). Damit sprintet der rund 2.5 Tonnen schwere iX in weniger als fünf Sekunden auf 100 km/h, die Reichweite nach WLTP soll zudem mehr als 600 Kilometer betragen.
Preise des iX werden noch keine genannt, weil er erst Ende 2021 zu den Händlern rollt. Und auch wenn das Gesamtpaket heute in der Theorie gut klingt, sorgt es später vielleicht dafür, dass BMW dann für einmal nicht zu früh, sondern in Sachen Elektro bereits zu spät dran ist.
Das Rennen um die Effizienzkrone
Galt früher als der Beste, wer als Erster die Ziellinie überquerte, haben sich die Zeiten geändert. Es ist nun der Sieger, wer als Letzter an die Ladesäule muss. Denn auch wenn die Technologie der Akkumulatoren immer besser und leistungsfähiger wird, so liegen die grössten Effizienzsprünge noch immer im Antrieb selbst.
Dabei sind Elektromaschinen so alt wie der Verbrenner und entsprechend hoch entwickelt. Egal ob Asynchronmaschine (ASM), permanent erregte Synchronmaschine (PESM) oder fremderregte Synchronmaschine, sie alle haben ihren Einsatzzweck und glänzen dort mit Wirkungsgrad, Leistungsdichte und Wartungsarmut. Der Schlüssel liegt heute in der Neukombination von Eigenschaften, die sich bislang noch ausschlossen. BMW will mit dem iX gleich mehrere Schritte in Richtung Zukunft gemacht haben.
Der erste Schritt galt dem Ressourceneinsatz. Jedes Elektroauto trägt schwer an der Bürde, die ihm schon zum Start in die Batteriewanne montiert wurde. Deshalb setzt BMW für den iX eine deutlich erhöhte Recyclingquote beim Batteriepaket ein, mit dem Ziel, den Anteil im Laufe der Produktion stetig zu erhöhen. Wesentlich spannender ist allerdings die Auswahl des Motors. Denn der BMW iX wird von fremderregten Synchronmotoren (FESM) angetrieben, da man in München so auf den Einsatz seltener Erden für die Permanentmagnete verzichten kann.
Diese Entscheidung ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil FESM bislang nur in günstigen Elektrofahrzeugen zum Einsatz kamen. Leistungsdichte und Wirkungsgrad spielen hier im Gegensatz zum Preis keine grosse Rolle. Deshalb findet man FESM etwa im Renault Zoe oder im Smart EQ. Mit grosser Entwicklungsanstrengung will es BMW aber nun mit dem «Elektroantrieb der fünften Generation» geschafft haben, neue Potenziale in einer für das Hochpreis- und Hochleistungssegment uninteressant geglaubten Technologie zu heben.
Die Leistungsdichte der mit Getriebe und Inverter vollintegrierten und bis zu 300 kW starken Motoreinheit ist im Vergleich zum BMW i3 um 30 Prozent gesteigert worden – und der setzt einen PESM ein, der in dieser Disziplin normalerweise deutlich im Vorteil ist. Durch eine besondere Modulation der Spannungen im Rotor soll der iX Leistung und Drehmoment deutlich feinfühliger steuern können als die Konkurrenz. Er bietet dadurch nicht nur ein hohes Anfahrdrehmoment, sondern hält die Kraft auch bis weit in die Drehzahlmitte. Die fehlenden rotierenden Massen der Permanentmagnete und entsprechend geringe Fliehkräfte ermöglichen zudem Spitzendrehzahlen von 17 000 Umdrehungen. Der BMW iX kommt also mit einem Gang aus.
Den grössten Vorteil will BMW beim iX aber in Sachen Effizienz erreicht haben. Zwar sind die Daten noch nicht final bestätigt, das Auto befindet sich noch immer in der Entwicklungsphase, doch die Batterie soll bei einer Bruttokapazität von über 100 kWh für eine Reichweite von über 600 Kilometern sorgen. Selbst im scharfen US-EPA-Zyklus gibt BMW über 300 Meilen an. Im Vergleich mit Porsche Taycan, Mercedes-Benz EQC und Audi E-Tron sind das absolute Spitzenwerte. Während die deutsche Konkurrenz in der Realität selten auf Werte unter 25 kWh/100 km kommt (bei hektischer und wenig vorausschauender Fahrweise) oder auf der Autobahn sogar eher in der Nähe der 30-kWh/100-km-Marke liegt, soll es der BMW mit 21 kWh auf 100 Kilometer schaffen. Er läge hiermit auf Augenhöhe mit dem Tesla Model X, der aktuell der Effizienzmeister unter der grossen E-SUV ist.
Ob der BMW iX im Alltag halten kann, was sein vorläufiges Datenblatt verspricht, kann er erst in gut einem Jahr beweisen. Bis dahin haben allerdings auch seine Entwickler Zeit, ihn noch weiter zu optimieren. Denn eines scheint sicher: Sie wollen das Rennen gewinnen.