Nicht weniger als zehn verschiedene Varianten der Euro-6-Abgasnorm gibt es. Die schärfste, die Euro 6d-ISC-FCM, gilt ab Jahreswechsel als einzige für Neuzulassungen. In den sechs Jahren ihrer gesamten Gültigkeit haben sich innerhalb der verschiedenen Ausprägungen von Euro 6 jedoch nicht nur die Grenzwerte gewandelt, sondern vor allem auch die Testzyklen und Messbedingungen. Hierin lag der grösste Schritt der Veränderung. Doch der Umstieg vom praxisfernen Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) auf die Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedures (WLTP) ab 2017 allein reichte nicht aus. Zwar liefert der WLTP-Prüfmodus ausgehend von höheren geprüften Geschwindigkeiten, stärkeren Temposchwankungen mit grösserer Beschleunigung und strikteren Vorgaben für das Messumfeld deutlich realistischere Werte, doch er bleibt ein Prüfstandzyklus. Ein synthetisches Messumfeld wird nie die Realität des echten Strassenverkehrs abbilden können. So wurde keine zwei Jahre später das RDE-Verfahren in die Euro-6-Norm integriert. Die ergänzenden Real-Driving-Emissions sollten endlich für mehr Realitätsnähe sorgen.
Weniger Motorenauswahl
Zuallererst sorgten sie aber für ein plötzliches Motorensterben. Denn der für die immer neuen Euro-6-Varianten nötige Typisierungsaufwand stand für viele Hersteller in keinem Verhältnis mehr zu den Verkaufszahlen. Besonders Nischenmodelle fielen der Abgashürde zum Opfer. Der V8-Diesel aus dem VW-Konzern etwa, aber auch bei BMW traf es einige der leistungsstarken und mehrfach aufgeladenen Sechszylinder. Selbst bei den Volumenmodellen erkennt man die Problematik, wenn zum Marktstart nur wenige der vorher angekündigten Motoren zur Verfügung stehen.
Mit der sich nun abzeichnenden Euro-7-Norm sollen die Wirren der Vergangenheit ein Ende haben. Doch nach jahrzehntelangem Übersehen diverser Schlupflöcher, noch dazu basierend auf einem veralteten Prüfzyklus wie dem NEFZ, scheint die Politik die Daumenschrauben gehörig anzuziehen. Auf der einen Seite ist die Geduld mit der Autoindustrie zu Ende, auf der anderen Seite stehen ambitionierte Emissionsziele auf der Agenda. Und so stellt das Erreichen der neuen Grenzwerte vor allem angesichts der nun allumfassenden Real-Driving-Emissions-Anforderungen eine grosse Herausforderung dar. Bei den künftigen NOX-Grenzwerten dürfte sich die EU-Kommission an den 35 mg/km orientieren, die künftig auch in China gelten. Allerdings hält sich in Brüssel das Gerücht hartnäckig, dass man durchaus auch eine Vorreiterrolle demonstrieren und die Grenze gar bei 20 mg/km ansetzen könnte. Auch fällt das Privileg des Dieselmotors weg, der bisher in allen Normen immer mehr Stickoxide ausstossen durfte. Bislang müssen Ottomotoren unter 60 mg/km bleiben, der Selbstzünder muss es unter 80 mg/km schaffen.
Verbrenner muss wirklich sauber sein
Während die voraussichtlichen Grenzwerte im Alltagsbetrieb zu schaffen sind, ja sogar von aktuellen Modellen bereits erreicht werden, liegt das Problem wie so oft im Detail. Der Entwickler spricht hier von Kennfeldrandbereichen, in denen man sich im Alltag praktisch nie bewegt. Doch gerade die RDE-Prüfung spreizt den Messbereich auf genau jene Situationen, die mit den nochmals niedrigeren Euro-7-Schadstoffwerten für heutige Grossserientechnik eine echte Hürde darstellen.
Als Beispiel wäre der Kaltstart zu nennen. Auch heute sorgt an der kalten Brennraumwand anlagernder und unverdampfter Treibstoff für starke Partikelbildung und erhöhte Rohemissionen von Kohlenwasserstoffen und Kohlenmonoxid. Zudem sind weder der Katalysator noch das SCR-System auf der nötigen Betriebstemperatur und arbeiten weit jenseits des optimalen Wirkungsgrades. Ein weiteres Problemfeld ist der Volllastbetrieb. Hier herrschen die höchsten Temperaturen und entsprechend auch die grössten thermischen Belastungen für die Bauteile. Gerade seit der Einführung höchstleistungsfähiger Downsizing-Konzepte wird gerne wieder auf die Möglichkeit der Brennraumkühlung durch Gemischanreicherung gesetzt. Doch das zusätzliche Einspritzen von Treibstoff zur Senkung von Temperaturspitzen ist künftig tabu, denn die Umsetzung der Mehrmenge an Benzin im Katalysator ist schlicht nicht möglich. «Start-, Warmlaufphase und der Hochlastbetrieb sind absoluter Fokus sämtlicher Weiterentwicklungen», fasst auch Thomas Pauer, Bereichsvorstand Entwicklung bei Bosch Powertrain Solutions, die aktuelle Forschungslage zusammen.
Welche Lösungen sind zielführend?
Die schlechte Nachricht vorweg: Es wird teurer für den Kunden, denn sämtliche Massnahmen kosten Geld. Während Eingriffe wie ein später Zündwinkel und eine erhöhte Leerlaufdrehzahl nur marginal mehr Treibstoff brauchen, sind Dinge wie ein beheizter Katalysator gleich empfindlich teuer. Doch gerade externe Heizlösungen sind für den Kaltstart ein kaum zu umgehender Kniff, um schnelles Erreichen der Betriebstemperatur sicherzustellen. Da die benötige Leistung jedoch gross ist, ist ein solches System in einem 48-Volt-System (oder gar mit dem Hochvolt-System eines Plug-in-Hybrid-Antriebs) deutlich einfacher umzusetzen als mit einem klassischen 12-Volt-Bordnetz. Gerade der Einsatz in der Kleinwagenklasse ist damit entsprechend fraglich, spielen hier neben dem Bauraum doch vor allem die Gesamtkosten eine wesentliche Rolle.
Einen Weg, wie die Kleinsten trotzdem ins Euro-7-Zeitalter fahren können, zeigt FCA mit der neuen Firefly-Motorengeneration, wie sie etwa im Panda verbaut wird. Der Verzicht auf Turboaufladung und Direkteinspritzung sorgt für geringe Spitzendrücke und entsprechend geringe Verbrennungsendtemperaturen. Mit hoher Verdichtung, variablen Steuerzeiten und integriertem Abgaskrümmer ist der kleinvolumige Dreizylinder dennoch in der Lage, sein Abgasreinigungssystem schnell auf Temperatur zu bringen und jederzeit im optimalen Fenster zu halten. Mit 70 PS und 92 Nm kämpft das Einliter-Modell aber auch am untersten Ende der Leistungsskala.
Am anderen Ende der Lastskala ist das Problem nicht das Aufheizen, sondern die Bauteilkühlung. Die möglichen Massnahmen zum Thermomanagement sind hier sehr vielfältig. Von gekühlter Abgasrückführung auch beim Ottomotor über das Miller-Brennverfahren bis in hohe Lastpunkte, per Klimaanlage gekühlte Ladeluft und variable Verdichtung bis hin zur Wassereinspritzung stehen viele Ideen derzeit auf dem Prüfstand.
«Hochdynamische Ereignisse oder eine hohe Dauerlast sind besondere Herausforderungen mit Blick auf ausreichende Konvertierungsraten. Dabei muss man gerade beim Dieselmotor auch den Wirkungsgrad im Blick behalten. Der geringere CO2-Ausstoss im Vergleich zum Ottomotor ist sein Hauptvorteil. Wenn die Emissionsmassnahmen auf Kosten des Verbrauchs gehen, verliert der Diesel seine Rolle als klimafreundlicher Antrieb», erklärt Christian Beidl, Leiter des Instituts für Verbrennungskraftmaschinen und Fahrzeugantriebe der Technischen Universität Darmstadt (D).
Der Zielkonflikt von geringen Verbräuchen und niedrigem Schadstoffausstoss wird mit der Euro-7-Norm weiter verschärft. Innermotorisch lässt sich durch optimierte Steuerung und bessere Kontrolle des Verbrennungsprozesses noch Potenzial heben, doch die Grenzen scheinen in Sicht, zumal viele Optimierungen in Richtung geringerer Emissionen den Wirkungsgrad verschlechtern, was nicht im Sinne der Sache sein kann. Mit zunehmender Elektrifizierung kann durch Lastpunktverschiebung (oder gar gänzliches Abstellen in bestimmten Betriebssituationen) zwar der Verbrauch beim Verbrenner klein gehalten werden, dies aber eben nur mit externen Hilfsmitteln.
Nur noch mit elektrischer Unterstützung?
Dass es auch ohne elektrische Unterstützung geht, zeigt nicht nur der Firefly-Motor von FCA, auch die Entwicklungen im Hochleistungssektor weisen in diese Richtung. So stellte Porsche in diesem Jahr nicht nur die neue Generation des 911 mit einem Dreiliter-Boxer-Biturbo des neuen 9A2-Evo-Motorbaukastens vor, sondern auch einen vier Liter grossen Saugmotor, der aus der gleichen Familie abgeleitet ist. Während das zwangsbeatmete Aggregat mit optimiertem Brennverfahren, asymmetrischer Ventilöffnung und Fünffach-Einspritzung per optimierter Piezo-Injektoren nahezu alle Regeln der Abgasminimierungskunst beherrscht, tauchen die Schwierigkeiten beim grösseren Hubraum gar nicht erst auf. Denn dieser Motor verzichtet auf Spitzenleistungen, setzt auf Drehmoment – und hält sich damit von thermomechanischen Grenzen fern. «Die neuen Regulierungen der Abgasnorm Euro 7 werden grosse Veränderungen mit sich bringen. Es wird neue Motoren und grössere Hubräume geben. Ein Euro-7-Motor wird sicher 20 Prozent mehr Hubraum haben als sein Vorgänger, wenn nicht noch mehr. Viele Hersteller werden auch von vier auf sechs oder von sechs auf acht Zylinder wechseln», sagt Frank Walliser, Baureihenleiter Porsche 911.
Eine durchaus unerwartete Wendung. Die Zeiten des Downsizings scheinen angesichts des Zielkonflikts von Leistungsanforderung und Rohemissionen vorbei. Eine Renaissance wird der Saugmotor zwar nicht feiern, er wird aber gerade im preissensiblen Segment eine Alternative sein und auch im Sportwagenbereich als emotionale Option eine interessante Variante bleiben.
Die wichtigste Nachricht für Freunde des Verbrennungsmotors bleibt aber, dass die Euro-7-Abgasnorm kein Todesurteil ist. Ganz im Gegenteil, gerade jetzt scheinen die Ingenieure den Ruf der Branche wiederherstellen zu wollen. Anders ist es nicht zu erklären, dass bereits heute weit über 600 kW starke Prototypen mit Dreiliter-V6-Biturbomotoren und stöchiometrischer Verbrennung im gesamten Betriebskennfeld bei gleichzeitiger Einhaltung aller erwarteten Grenzwerte der neuen
Abgasnorm getestet werden. Und vielleicht geht das auch ohne Aufladung wie beim 3.9-Liter-V12, der im Murray T.50 eingebaut werden wird.