Honda ist in verschiedenen Geschäftsbereichen breit abgestützt. Sei es auf dem Meer mit den Viertakt-Aussenbordmotoren, in der Luft mit einer Reihe zweistrahliger Kleinflugzeuge oder auf dem Asphalt, in den seine unverwüstlichen Motorräder ihre Spuren brennen – Honda ist unfassbar gut darin, technische Leckerbissen zu entwickeln. Diese Feststellung gilt ebenfalls für den Automobilsektor, wo der japanische Hersteller eine straff aufgestellte, aber sehr diversifizierte Produktpalette anbietet – zumindest, wenn man die technologischen Unterschiede eines CR-V Hybrid, eines elektrischen E oder eines NSX Hybrid miteinander vergleicht. Diese automobile Vielfalt erklärt sich zweifelsohne durch die Unternehmensstrategie, die jede neue Modellentwicklung systematische infrage stellt. Wenn man als eindeutigen Beleg für diese Einstellung ein Beispiel braucht, so zieht man den Civic Type R bei. Als Sieger eines Vergleichstests der vier derzeit gefragtesten Kompakt-Sportwagen (s. AR 42/2019), war der Civic Type R bereits vor dem Facelift (Jahrgang 2017) eindeutig einer der besten – wenn nicht sogar der beste – Hot Hatch seiner Zeit. Das Auto zeigte laut Meinung der AUTOMOBIL REVUE keine wesentliche Schwäche. Die Ingenieure von Honda hätten sich also in Ruhe auf ihren Lorbeeren ausruhen können, was sie aber glücklicherweise nicht taten. Ganz im Gegenteil.
Technische Optimierungen
Der neue Type R ist ab sofort in drei Versionen erhältlich. Die Stylingänderungen bleiben dezent, das 2020er-Modell erkennt man lediglich an seinen neuen Scheinwerfern und den leicht modifizierten Stossfängern mit den filigranen Rippen in Karosseriefarbe. Motortechnisch hat es der Sportler allerdings faustdick hinter den Ohren. Der um
13 Prozent vergrösserte Kühlergrill sorgt für eine bessere Beatmung des Motors. Diese verbesserte Frischluftzufuhr wird durch einen leistungsoptimierten Kühler ergänzt. Dadurch wird «die Temperatur der Kühlflüssigkeit um zehn Grad reduziert», verspricht Honda in seiner Pressemitteilung. Ausserdem haben die Japaner das Fahrwerk, die Bremsen, die Federung und die Lenkung überarbeitet, Letztere arbeitet nun präziser denn je. All diese Änderungen verfolgen ein und dasselbe Ziel: eine optimierte Dynamik auf der Rennstrecke. Zeigt sich das auch in der Praxis?
Zur Beantwortung dieser Frage fahren wir über die französische Grenze in Richtung Circuit de Bresse, einer Rennstrecke ganz in der Nähe der Schweiz. Am nächsten Tag findet dort ein Trackday statt, also ein Tag des freien Fahrens mit dem Auto. Es ist die perfekte Gelegenheit, die Eigenschaften der Type R auf Herz und Nieren zu prüfen. Auf dem Weg dorthin holen wir beim Honda-Händler in Boudry NE einen der zwölf für die Schweiz bestimmten Civic Type R Limited Edition ab, Vallorbe VD passieren wir am späten Abend bei herbstlichem Wetter mit viel Laub und Regen.
Auch wenn man gerne etwas mehr Gas geben würde, so ist doch am Steuer dieses seltenen Exemplars mit 320 PS Vorsicht geboten. Nach einer ruhigen Nacht sind wir um Punkt acht Uhr an der Strecke. Im Anschluss an das Fahrerbriefing über das richtige Verhalten auf dem Rundkurs und die Abstandsregeln werden den drei Civic – die beiden anderen Autos wurden von Kollegen mitgebracht – Rennpneus anstelle der Serienbereifung (Michelin Pilot Sport 2) aufgezogen. Jetzt noch den Abschlepphaken einschrauben, den Helm aufsetzen und die Handschuhe anziehen, dann kann es losgehen.
Die ersten Runden gehen wir vorsichtig an, denn die drei vom Importeur ausgeliehenen Autos haben erst 2000 Kilometer auf dem Zähler – bei Honda ist man sich wohl sicher punkto Produktqualität. Trotzdem oder gerade deshalb sollte man die Aufwärmphase des Motors strikte einhalten.
Einzigartige Traktion
Dann ist es soweit, die drei Hondas dürfen endlich zeigen, was sie können. Im Fahrmodus R+ ist die Federung hart wie ein Brett und insofern etwas mit Vorsicht zu geniessen, als dass die Hinterachse des Type R Lastwechsel auch mit leichten Drifts quittiert. Ansonsten und nicht zuletzt gerade deshalb zeigt sich der Kompaktsportler mit Frontantrieb jedoch meisterhaft. Die Gänge schalten sich perfekt, der Motor stürmt mit Begeisterung in Richtung Drehzahlbegrenzer, und das sorgfältig abgestimmte Fahrwerk bietet eine einzigartige Traktion, sodass der Civic Type R schnell, ja sogar extrem schnell durch die Kurven eilt. Das gelingt so gut, dass sämtliche Fahrer oft zu früh vor der Kurve bremsen. Die Bremsanlage wiederum kennt kein Nachlassen, die Rundenzeiten werden immer schneller. Genauso wie die Zeit zu fliegen scheint, bevor es wieder in Richtung Heimat geht.
Standard: Nichts ist besser als das Original
Ausser den technischen und optischen Neuerungen unterscheidet sich der neue Honda Civic Type R (ab 44 800 Fr., siehe Kasten Technische Daten) von seinem Vorgänger durch seine neue Farbe (Racing Blue), in der auch unser Testwagen antrat. Im Innenraum fällt dem Betrachter sofort der Gangwahlhebel auf, der nicht mehr kugelförmig ist, sondern die Form eines Wassertropfens aufweist, ganz wie in den früheren Type-R-Modellen. Der Hebel verfügt über ein Gegengewicht von 90 Gramm, welches das Gefühl und die Präzision der Gangwechsel nochmal verbessern soll. In der Tat lassen sich die Fahrstufen extrem genau und auch leichtgängig schalten, was auch ein Verdienst der automatischen Zwischengasfunktion ist. Die Drehzahl des Motors wird dabei beim Herunterschalten an diejenige der Hauptwelle des Getriebes angepasst. Mit dieser technischen Raffinesse wird ein zu schneller Verschleiss der Kupplung verhindert, ganz zu schweigen von unangenehmen Ruckelbewegungen beim Entschleunigen. Über der Gangschaltung befindet sich der Touchscreen mit dem neuen Datenerfassungssytem, Honda Log R genannt.
Limited Edition: Die radikale Version
Der Name deutet schon darauf hin: Vom Civic Type R werden in der Limited Edition nur 1000 Exemplare gefertigt. Davon sind ganze zwölf Autos für die Schweiz bestimmt. Nebst ihrer exklusiven Farbe (Sunlight Yellow) erkennt man die Limited Edition ausserdem an ihrem Lufteinlass auf der Motorhaube, den Rückspiegeln, am Dach und am hinteren Logo, die alle in Schwarz lackiert sind. Das Sondermodell verliert aber auch an Masse. 47 Kilogramm weniger Gewicht sind das Ergebnis der geschmiedeten Aluminium-BBS-Felgen (–10 kg) sowie der abgespeckten Komfortausstattung. Die Klimaanlage (–10.4 kg), das Audiosystem (–5.4 kg), die Schalldämmung (–14.3 kg) sowie diverse Komponenten wie ein zentraler Bildschirm, GPS, Rückfahrsensoren, Induktionslader, beheizbare Rückspiegel und die Scheinwerfer-Waschanlage (–6.9 kg total) entfallen. Das alles kommt der Performance auf der Rennstrecke zugute. Allerdings verlangt Honda für das spartanische Rennauto auch 10 000 Franken mehr als für das Standardmodell. Das ist dann aber wohl der erforderliche Preis für die Exklusivität.
Sport Line: Der Civic im schicken Anzug
Eines ist sicher: Die Optik des Honda Civic Type R gefiel vor dem Facelift nicht allen. Zu überschwänglich, zu aggressiv oder zu auffällig, so die kritischen Stimmen. Das veranlasste Honda, das überarbeitete Modell auch in der bodenständigeren Version Sport Line (ab 48 300 Fr.) anzubieten. Für den diskreteren Auftritt musste der ausladende Heckspoiler einem besser integrierten Element, Low Deck genannt, weichen. Auch die 19 Zoll grossen Felgen mit ihren Michelin Pilot Sport 4S (in 245/35) passen besser als die grossen 20-Zoll-Schlappen in das Erscheinungsbild. Honda verfeinerte in der Sport Line den Komfort mit zusätzlicher Schallisolierung für den Innenraum, die Heckklappe und die Motorhaube. Der Sport Line ist mit seinen schwarzen Alcantara-Sitzen auch besser gekleidet als mit den roten Fauteuils der GT-Versionen. Selbstverständlich verfügt auch der Sport Line mit dem Vierzylinder-Zweiliter-Turbo mit Direkteinspritzung über dasselbe Antriebsaggregat, das 320 PS und 400 Nm Drehmoment liefert. Ebenfalls mit an Bord ist natürlich die perfekt geführte Sechsgang-Handschaltung.
Die technischen Daten und unsere Testdaten finden Sie in der gedruckten Ausgabe der AUTOMOBIL REVUE.