Das Konzept der Brennstoffzelle existiert schon lange. Das Grundprinzip ist etwa gleich alt wie der Verbrennungsmotor, ernsthafte Versuche fanden ab Mitte des vergangenen Jahrhunderts statt. Die erste grössere Welle von Brennstoffzellenautos kam in den 2000er-Jahren, getrieben vor allem von einigen asiatischen Herstellern.
Honda brachte bereits ab 2002 unter der Bezeichnung FCX eine Modellfamilie in Kleinstserie und für spezielle Anlässe auf die Strasse. Mit dem Clarity brachte Honda im Jahr 2008 das erste Wasserstoffauto, das kommerzialisiert und tatsächlich an wenige Kunden verkauft wurde. Das Modell blieb bis 2014 im Handel, 2016 wurde es durch die zweite Generation ersetzt. In Europa ist der Honda Clarity auch weiterhin nicht erhältlich.
2013 stieg auch Hyundai mit einer angepassten Variante des SUV ix35 in den kleinen Markt ein. Im Jahr 2018 wurde der Hyundai ix35 FCEV, so die offizielle Bezeichnung, durch den Nexo abgelöst, der auf einer eigens für die Brennstoffzelle entwickelten Plattform basiert. Der Nexo ist eines von zwei in der Schweiz erhältlichen Brennstoffzellenautos und kostet rund 89 000 Franken.
Der dritte Player im Wasserstoffkampf ist Toyota mit dem 2014 präsentierten Mirai. Das optisch eigenwillige Brennstoffzellenfahrzeug basiert auf einer stark angepassten Plattform des Toyota Prius und ist auch ab rund 90 000 Franken zu haben. Für 2021 hat Toyota einen Nachfolger angekündigt, der auf der neuen TNGA-Plattform aufbaut und sich optisch stärker an den aktuellen Toyota-Modellen orientiert.
Entwicklungsprojekte gibt es auch von deutschen Herstellern, so beispielsweise das Concept-Car Audi H-Tron oder der Mercedes-Benz F-Cell, der ausser in den USA keinen Anklang fand und deshalb nur in einer Kleinserie produziert wurde.
Einfache Bedienung
Was macht die Brennstoffzelle so attraktiv, dass sich die Idee hartnäckig hält, obwohl sie sich nie richtig durchsetzen konnte? Ein Fahrzeug mit Brennstoffzellenantrieb führt Wasserstoff mit – entweder gasförmig in einem Druckbehälter oder flüssig in einem Kryotank. In einer Brennstoffzelle reagieren der Wasserstoff und Sauerstoff aus der Luft zu Wasser und elektrischer Energie. Diese wird dann genutzt, um einen Elektromotor anzutreiben.
Ähnliche wie eine Batterie setzt sich eine Brennstoffzelle zusammen aus einer Kathode, einer Anode und einem Elektrolyten dazwischen. Wasserstoff tritt an der Anode ein und spaltet sich in Elektronen und Protonen auf. Während die Elektronen aus der Zelle abgeführt und als elektrischer Strom genutzt werden, passieren die Protonen den Elektrolyten zur Kathode, wo sie wieder auf die Elektronen treffen und zusammen mit dem Sauerstoff aus der Luft reagieren und zu Wasserdampf und Wärme werden. Die Elektroden bestehen typischerweise aus Platin oder einer Platinlegierung, während der Elektrolyt eine Polymermembran ist.
Der Vorteil von Wasserstoff im Vergleich zu rein elektrischen Antrieben liegt in der einfachen Betankbarkeit. Während bei einem batterieelektrischen Fahrzeug je nach Batteriekapazität gerne 20 Minuten und deutlich mehr vergehen, um genügend Strom für 400 Kilometer Reichweite zu laden, reichen bei einem FCEV dafür fünf Minuten. Ausserdem bedingt die Brennstoffzelle keine riesigen Batterien, deren Herstellung umwelttechnisch fragwürdig bleibt und die zusätzliches Gewicht bringen.
Da eine Brennstoffzelle heute einen Wirkungsgrad von nur rund 60 Prozent hat, ist die Effizienz gegenüber derjenigen eines reinen E-Auto klar eingeschränkt. Die Herstellung von Wasserstoff benötigt ausserdem grossen Mengen an Energie für die Aufspaltung von Wasser in Wasserstoff und Luft, was also nur Sinn macht, wenn dieser Strom aus regenerativen Quellen kommt. Dann aber ergibt sich ein geschlossener Kreislauf: vom Wasser zum Wasserstoff zum Wasserdampf.
Auch als Verbrenner sinnvoll
Wenn heute über Wasserstoff gesprochen wird, so vor allem im Zusammenhang mit der Brennstoffzelle. Oft geht dabei vergessen, dass man sich die leichte Entflammbarkeit des Wasserstoffs auch anderweitig zunutze machen könnte – in einem Verbrennungsmotor. Bis noch vor knapp zehn Jahren existierten diverse Entwicklungsprojekte, die sich mit dem Thema des Wasserstoffverbrenners befassten: Mazda versuchte sich an einem Wasserstoff-Wankelmotor, der Nutzfahrzeughersteller MAN hatte versuchsweise Wasserstoffbusse auf der Strasse, und BMW lieferte mit dem Hydrogen 7 rund 100 Fahrzeuge an Prominente und Politiker aus. Die Entwicklungskosten waren hoch, ein Markt für solche Fahrzeuge nahezu unmöglich, sodass die Projekte vor rund zehn Jahren eingestellt wurden. Wenn nun der Wasserstoff wieder in den Fokus rückt – könnte auch die Idee des Verbrenners wieder aufgenommen werden.
Der grosse Vorteil des Wasserstoffs gegenüber Benzin oder Diesel ist, dass er keine Kohlenwasserstoffe (OH) enthält und somit bei der Verbrennung kein klimaschädliches CO2 entsteht. Die frühere Problematik des Ausstosses an Stickoxid (NOX), das im Verdacht steht, Atemwegsbeschwerden zu verursachen, hat man heute dank geeigneter Verbrennung und Abgasnachbehandlung (etwa SCR-Katalysatoren) unter Kontrolle.
Der Wirkungsgrad eines Verbrennungsmotors für Wasserstoff kann im Idealfall ähnlich hoch sein wie derjenige einer Brennstoffzelle. Da er sich technisch aber nur in Details von einem konventionellen Verbrennungsmotor unterscheidet, ist die Herstellung entsprechend kostengünstig – und benötigt keine umstrittenen Ressourcen wie Seltene Erden, Lithium oder Kobalt.
Bei den grossen Herstellern ist zurzeit wenig Aktivität in diesem Bereich absehbar. Ein grosser Treiber hinter der aktuellen Entwicklung ist das Unternehmen Keyou aus Unterschleissheim (D) bei München, das mit verschiedenen Industriepartnern den Wasserstoffverbrenner aus der Versenkung geholt hat. Während heute vor allem in die Entwicklung bei Nutzfahrzeugen und Baumaschinen investiert werde, sei eine Expansion in den PW-Markt durchaus denkbar, wie CEO Thomas Korn Anfang dieses Jahres der AUTOMOBIL REVUE bestätigte: «Die Technik ist skalierbar, das heisst unabhängig von Hersteller, Motorgrösse und Fahrzeug.» Auch hier gilt: Wenn sich eine Lösung für das Problem mit der mangelnden Infrastruktur abzeichnet, wird die Technologie für die Hersteller möglicherweise auch wieder spannender. Schliesslich ist ein Wasserstoffverbrenner im Betrieb CO2-neutral und somit positiv für die CO2-Bilanz.
Die Tankstellen fehlen noch
Was aus praktischer Sichte heute jedoch ein grosses Manko ist: Es gibt keine Tankstellen. Aktuell sind es drei in der Schweiz (St. Gallen, Dübendorf ZH und Hunzenschwil AG).
Der Ausbau der Infrastruktur soll jetzt beginnen beziehungsweise hat mit der Eröffnung der Tankstelle in St. Gallen bereits begonnen und soll vorangetrieben werden. Zu diesem Zweck hat sich Hyundai mit diversen Unternehmen aus allen Branchen zusammengeschlossen, um ein funktionierendes Ökosystem bieten zu können. Verschiedene Tankstellenbetreiber sind ebenso mit an Bord wie der Stromkonzern Alpiq und einige Detailhändler und Spediteure. Im Zuge des Ausbaus sollen bis Ende 2020 auch Tankstellen in Rümlang ZH, Zofingen AG, Bern und Lausanne in Betrieb genommen werden, 2021 zusätzlich noch in Geuensee LU und Rothenburg LU.
Ein derart kleines Netz, mehr oder weniger an der Ost-West-Hauptverkehrsachse, macht für den Schwerverkehr Sinn, der sich im Förderverein H2 Mobilität Schweiz zusammengetan hat. Für einen grossflächigen Einsatz von Personenwagen reicht das nicht, wie dieselbe Diskussion bei der Lancierung der Elektromobilität und der damit verbundenen Fragen nach Ladestationen gezeigt hat. Aber immerhin sind alle bestehenden und geplanten Stationen sowohl mit 350-bar-Anlagen, wie sie bei den Nutzfahrzeugen verwendet werden, wie auch für 700-bar-Betankung, die bei den Personenwagen zum Einsatz kommt, ausgerüstet.
Die heute erhältlichen Wasserstoffautos Hyundai Nexo und Toyota Mirai kommen mit einer Tankfüllung rund 500 Kilometer weit, ein möglicher Anwendungsfall könnte somit ein Taxiunternehmen sein, das im Umkreis der Tankstelle operiert.
Und die Kosten?
Wenn in gewissen Gebieten plötzlich eine erhöhte Nachfrage nach Wasserstoff entsteht, könnten andere Tankstellen auch nachziehen – die Investitionskosten für die Installation einer Wasserstoff-Tankstelle beziffert H2 Mobility ungefähr mit einer Million Franken. Für den Kunden kostet heute ein Kilogramm Wasserstoff rund zehn Franken, der Verbrauch eines Hyundai Nexo beispielsweise liegt bei rund 1.2 kg/100 km (s. auch Seite 10/11). Das ergibt Treibstoff-Kilometerkosten von rund zwölf Rappen. Oder anders gesagt: Eine Tankfüllung für 500 Kilometer kostet etwa 60 Franken.
Zum Vergleich: Beim aktuellen Benzinpreis von rund 1.35 Franken pro Liter darf ein Verbrenner knapp 9 l/100 km Benzin benötigen, damit er auf die gleichen Treibstoffkosten kommt. Im Gegensatz zu Deutschland, wo die Regierung Fördergelder in Milliardenhöhe gesprochen hat, ist eine staatliche finanzielle Förderung von Wasserstoff in der Schweiz derzeit kein Thema. Und sie wird auch nicht kommen, wie der Bundesrat bereits mehrfach festgehalten hat, selbst wenn der Wasserstoff in die aktuelle CO2-Strategie passen würde.
Oder wie Rolf Huber betont: «Der Wasserstoff ist eine Ergänzung zur Elektromobilität, keine Konkurrenz.»
Die Nutzfahrzeuge als Treiber
Die aktuelle Verbreitung von Wasserstoff gründet vor allem im Sektor der Nutzfahrzeuge. Hyundai übergab am 7. Oktober die sieben ersten Xcient Fuel Cell an die Partnerunternehmen in der Schweiz – 50 weitere sollen in diesem Jahr noch folgen, 1600 in den kommenden fünf Jahren. Die Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht von je nach Konfiguration 19 beziehungsweise 36 Tonnen werden von einem 350 kW starken Elektromotor angetrieben, der 3400 Nm liefert. Der Markteintritt in der Schweiz soll dabei den Startschuss für massive Expansionspläne markieren, sowohl modellmässig, als auch geografisch, wie Cheol Lee, Leiter der Nutzfahrzeugabteilung von Hyundai, anlässlich der Übergabe bekanntgab: «Mit dieser erfolgreichen Auslieferung der ersten serienmässigen Brennstoffzellen-Nutzfahrzeuge kündigen wir auch die Expansionspläne über Europa hinaus für Nordamerika und China an.»
Für die USA stehen die schweren Nutzfahrzeuge im Vordergrund, von denen bis 2030 rund 12 000 Stück produziert werden sollen, in China sollen es sogar bis zu 27 000 Fahrzeuge sein.
Langfristig plant Hyundai eine neue Plattform für Wasserstofflastwagen, die mit verschiedenen Antriebskonfigurationen – Lieferfahrzeuge und Zugfahrzeuge – und bis zu 44 Tonnen Gesamtgewicht einen grossen Teil der europäischen Bedürfnisse abdecken sollen.
Auch Daimler Trucks präsentierte kürzlich einen Prototyp für einen Wasserstofflastwagen. Dieser ist eingebettet in eine Gesamtplanung zur Dekarbonisierung der Nutzfahrzeuge. Für Kurz- und Mittelstrecken setzt Mercedes mit dem E-Actros beziehungsweise dem E-Actros Long Haul auf rein batterieelektrische Modelle, nur für Langstrecken soll der Mercedes-Benz Gen H2 zum Einsatz kommen. Bis der Wasserstofflastwagen von Mercedes serienreif ist, wird es aber noch mindestens bis Mitte dieses Jahrzehntes dauern.
Im Gegensatz zu den Plänen von Hyundai und seinen Partnern, deren Wasserstofflancierung «ausschliesslich privatwirtschaftlich finanziert ist und ohne staatliche Subventionen auskommt», wie Rolf Huber, Präsident von H2 Mobility, anlässlich der Fahrzeugübergabe stolz verkündete, vertraut Daimler auf staatliche Intervention: «Es ist die Aufgabe der Politik, für Kostengleichheit zwischen den verschiedenen Antriebsformen zu sorgen», richtete sich Martin Daum, Vorstandsvorsitzender von Daimler Trucks, an Andreas Scheuer, den deutschen Bundesminister für Verkehr.