Der französische Automobilsektor, der 18 Prozent des Umsatzes der Industrie ausmacht und von dem nicht weniger als 400 000 Arbeitsplätze direkt abhängig sind, erlebt zweifellos eine der grössten Krisen seiner Geschichte. Die aktuellen Prognosen für 2020 gehen von einem Marktrückgang von mindestens 20 Prozent weltweit und 30 Prozent in Europa aus. Angesichts der Bedeutung der Automobilindustrie hat die französische Regierung im Mai beschlossen, die Branche direkt und indirekt zu unterstützen, allerdings mit unterschiedlich starken Auflagen: Während das verbürgte Darlehen in Höhe von fünf Milliarden Euro, das die französische Regierung Renault gewährte, an keine Gegenleistung gebunden ist, enthält der Plan zur Unterstützung der gesamten Branche, der Beihilfen, Investitionen und Darlehen in Höhe von mehr als acht Milliarden Euro vorsieht, klar bestimmte ökologische und soziale Auflagen. Der Plan verfolgt drei komplementäre Ziele: Unterstützung von Unternehmen in Schwierigkeiten, um die französischen Arbeitnehmer zu schützen, die Industrie wettbewerbsfähiger zu machen und vor allem die Dekarbonisierung der Fahrzeugflotte, indem Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor durch saubere Fahrzeuge, also Elektrofahrzeuge, ersetzt werden.
Für Renault, das sein erstes elektrisches Modell bereits Anfang 2010 vorgestellt hat (Renault Zoe), ist dieses jüngste Ziel der Regierung bereits seit Langem Teil der Unternehmensstrategie. Davon zeugen 350 000 Elektrofahrzeuge, die der Hersteller weltweit verkauft hat. Darüber hinaus ist diese Politik zugunsten von Elektrofahrzeugen ein Glücksfall für das französische Flaggschiff. Tatsächlich ist Renault dank der sehr guten Verkaufszahlen des Zoe und der kürzlich vorgestellten Hybridmodelle von Clio, Captur und Megane eines der wenigen Automobilunternehmen, das seine CO2-Ziele übertroffen hat. Bei den Franzosen dürfte also auch der Handel mit CO2-Rechten unter den Herstellern die Kasse klingeln lassen.
Ein Grund mehr also für die Firma aus Boulogne-Billancourt, den Weg der Dekarbonisierung fortzusetzen. Zu diesem Zweck veranstaltete das Unternehmen in der vergangenen Woche eine Pressekonferenz, die ausschliesslich der Elektromobilität gewidmet war. Bei der Veranstaltung unter Leitung von Luca de Meo verpflichtete sich der neue CEO und Vorsitzende der Gruppe, «bis 2050 in Europa eine CO2-Neutralität zu erreichen». Ein Ziel, das nicht nur die Emissionen der Fahrzeuge, sondern auch der Produktionsstätten betrifft. Das Vorbild für den neuen Boss ist das Dacia-Werk im marokkanischen Tanger, ein Standort, der sich dem italienischen Manager zufolge bereits durch «null CO2» auszeichnet. Eine Aussage, die allerdings mit Fragezeichen zu versehen ist, denn als Energiequelle werden Olivenpresskuchen und Holzspäne eingesetzt, durch deren Verbrennung am Standort dennoch CO2 in die Atmosphäre gelangt. Da die Energie jedoch aus Biomasse stammt und der Strom aus einem nahe gelegenen Windpark sowie von Wasserkraftwerken bezogen wird, kann sich der Standort tatsächlich zuschreiben, kohlenstoffneutral zu sein.
Zurück zu den Autos: Der Hersteller hat versprochen, «seine CO2-Emissionen bis 2030 um 50 Prozent gegenüber 2010 zu reduzieren». Zur Erklärung dieses Ziels erläuterte Renault, dass bei allen neuen Modellen, die bis 2022 auf den Markt kommen, elektrifizierte oder sogar vollelektrische Versionen angeboten werden. Und in fünf Jahren sollen 50 Prozent der verkauften Renault-Modelle über einen Elektro- oder Hybridantrieb verfügen.
Natürlich sind solche Ziele nur zu erreichen, wenn die Produkte konkurrenzfähig sind. Der von Laurens van den Acker entworfene Megane E-Vision wird «auf einer neuen Plattform montiert, die ausschliesslich der Elektromobilität vorbehalten ist», erklärt Gilles Le Borgne, Direktor der Engineering-Abteilung des Renault-Konzerns. Man kann daraus schliessen, dass der Kompakte künftig nicht mehr nur zusätzlich als Elektroversion angeboten wird. Wie dem auch sei, es dürfte dazu wohl bald weitere Informationen geben, da die Serienfertigung des elektrischen Megane bereits im kommenden Jahr anlaufen soll. Es steht jedoch schon jetzt fest, dass die modulare Plattform CMF-EV von allen Marken der Allianz genutzt werden soll.
Sie ist sowohl in der Breite als auch in der Länge modular aufgebaut. «Sie kann drei verschiedene Batteriegrössen aufnehmen, eine mit 40 kWh, eine weitere mit 60 kWh und schliesslich eine dritte mit 87 kWh. Alle werden von LG Chemical entwickelt», so Gilles Le Borgne. Und weiter: «Beim Megane werden nur die 40-kWh- und 60-kWh-Batterien zur Verfügung stehen, was ihm eine Reichweite von 450 Kilometern verleiht.» Obwohl man davon ausgehen kann, dass der quer eingebaute E-Motor später in mehreren Leistungsstufen erhältlich sein wird, erläutert Gilles Le Borgne, dass der im Konzeptfahrzeug des E-Vision verbaute Motor 160 kW, also rund 220 PS leistet. Was das maximale Drehmoment betrifft, so beträgt es 300 Nm. Dies reicht aus, um den Crossover in weniger als acht Sekunden von 0 auf 100 km/h zu beschleunigen. Der flache Fahrzeugboden, der kompakte E-Antrieb und die kompakte Batterie dürften für ausgesprochen grosszügige Platzverhältnisse im Innenraum sorgen.
In der nächsten Ausgabe der AUTOMOBIL REVUE finden Sie noch alle Einzelheiten zu einem weiteren Modell, mit dem Renault seine e-Strategie erfolgreich fortsetzen will.