Überzeugend, aber nicht sportlich

RÜCKKEHR 13 Jahre nach dem R50 gibt es wieder einen vermeintlich sportlichen Touareg R. Der Plug-in-Hybrid soll den V8-Diesel vergessen machen. Die Show stiehlt ihm dabei ein anderer.

Das ging ja flott. Nur etwas mehr als ein halbes Jahr durfte der bärenstarke V8-Diesel unter der wuchtigen Motorhaube des Touareg schlummern (s. Seite 9). Als Nachfolger schickt VW eine Kombina­tion aus Dreiliter-V6-Benziner und E-Motor ins Rennen. Trotz R-Logo hegt der Wolfsburger jedoch keine echten sportlichen Ambitionen – und sprintet mit seinen 462 PS und 800 Nm dennoch in erstaunlichen 5.1 Sekunden auf 100 km/h. Erstaunlich deshalb, weil sich das Gewicht von über 2.5 Tonnen ansonsten deutlich bemerkbar macht.

So ist ein gewisser Hang zur Seitenneigung allgegenwärtig. In schnellen Kurven wehren sich die Stabilitätsprogramme vehement gegen die Fliehkräfte und intervenieren durch energische Eingriffe. Die Querdynamik leidet immens darunter, zumindest seinen zivilen Brüdern sollte ein echter R dann doch mit Leichtigkeit um die Ohren fahren.

Zumal es auch noch den Touareg E-Hybrid gibt. Dieser teilt sich den Antriebsstrang – exakt derselbe wie im Porsche Cayenne E-Hybrid – mit seinem stärkeren Bruder. Durch ein verändertes Motorkennfeld steht im E-Hybrid zwar weniger Leistung zur Verfühung (381 PS, 600 Nm), trotzdem sind Fahrwerks- und Lenkabstimmung gleich, im Grunde genommen gar das komplette Fahrverhalten. Mit Ausnahme der Längsdynamik: der E-Hybrid (ab 85 950 Fr.) benötigt mit 5.9 Sekunden etwas länger aus dem Stand auf Tempo 100.

Die Frage stellt sich daher unweigerlich, wo – abgesehen vom Logo und einigen schwarzen Details – die Sportlichkeit beim R denn nun geblieben ist. Die Antwort: Bei beiden Modellen sind weder Wankstabilisierung noch Allradlenkung mit an Bord. Selbst beim 93 600 Franken teuren Touareg R nicht einmal gegen Aufpreis.

Nur mit aktivierter Zielführung
Verantwortlich dafür ist in den beiden Plug-in-Hybriden der im Heck sitzende Hochvolt-Akku, der das Kofferraumvolumen ausserdem von 810 auf 610 Liter schrumpfen lässt. Die nutzbare Kapazität von 14.3 kWh reicht für eine elektrische Reichweite von knapp 50 Kilometern, nachgeladen wird in mindestens 2½ Stunden. Natürlich ist der angegebene WLTP-Durchschnittsverbrauch von unter drei Litern erneut ein messartbedingter Witz. Dennoch konnten wir den Touareg E-Hybrid auf einer abwechslungsreichen Strecke über 150 Kilometer mit einem Durschnittsverbrauch von 6.1 Litern und 8.2 kWh/100 km bewegen. Auf der zügigeren Rückfahrt über 105 Kilometer mit dem Touareg R standen 9.5 Liter und 12.1 kWh auf der Uhr. Flott unterwegs und mit leerer Batterie im Gepäck dürften auch Werte jenseits der 15 Liter möglich sein.

Äusserst interessant ist die Tatsache, wie die beiden SUV-Riesen ihr Batteriemanagement betreiben. Am Ende unserer beiden Testfahrten war die Batterie jeweils vollständig entladen, trotzdem rollten wir auf den letzten (Kilo-)Metern rein elektrisch ins Ziel. Die navigationsbasierte intelligente Routenplanung macht das Zusammenspiel der beiden Antriebsstränge nicht nur von der Distanz, sondern auch von der Streckenbeschaffenheit, der Verkehrslage, dem Fahrmodus und eben dem Ziel abhängig. In Verbindung mit dem Travel-Assist, der weit über den Umfang der herkömmlichen Assistenzsysteme hinausgeht, passt der Touareg seine Fahrweise und damit die nicht manuell einstellbare Energierückgewinnung an die Umgebung an. Der Touareg reagiert dabei nicht nur auf Verkehrszeichen, sondern erkennt aufgrund der Naviga­tionsdaten auch, wenn er sich beispielsweise einem Kreisverkehr nähert. Auch dabei wird das Tempo mithilfe der Rekuperation auf ein zwar zurückhaltendes, aber angemessenes Mass verringert und die Batterie zugleich geladen. Nach dem Hindernis beschleunigt das SUV sanft auf den Ursprungswert.

Der Touareg R trägt viele schwarze ­Details. Jedoch ist der Touareg der einzige in der R-Familie ohne vierflutige Abgasanlage. LED-Matrixscheinwerfer sind Serie.

Rein elektrisch im GeländeNicht nur bei der zunehmenden Automation ist der  Touareg vollkommen auf der Höhe dessen, was die technologischen Möglichkeiten derzeit hergeben. Serienmässig sind das zwölf Zoll grosse, digitale Cockpit und der 15-Zoll-TFT-Bildschirm für das Infotainment. Das neu gestaltete Lenkrad verfügt nun auch über die intuitiv verständliche Mischung aus Drücken und Wischen – wobei beim Touareg R im Vergleich zum Tiguan R (s. AR 41/2020) der R-Mode fehlt. Insgesamt verwöhnt der Innenraum mit Leder und allerlei Alu-Applikationen.

Zudem bietet der Touareg Spielereien wie das Remote-Parking, bei dem das SUV wie durch Geisterhand und nur über einen Knopfdruck auf dem Smartphone auch kompliziertersten Einparkmanövern Folge leistet. Deutlich nutzbarer ist der Trailer-Assist, der zwar nicht ganz neu, deshalb aber nicht minder spektakulär ist. Auch beim Plug-in-Hybrid kann eine Anhängelast von 3.5 Tonnen über den Drehregler für die Verstellung der Seitenspiegel manövriert werden. Das spiegelversetzte Denken entfällt, die Lenkung übernimmt das Auto. All das erledigen beide Plug-in-Hybride natürlich vorwiegend elektrisch. Genauso, wie sie sich auch lautlos und ohne Einschränkungen allein mit dem 100 kW starken Elektromotor im Gelände bewegen. Da der E-Motor sein Drehmoment von 400 Nm quasi aus dem Stand bereitstellt, sind auch steilere Hänge kein Problem. Dank serienmässiger Luftfederung, die die Bodenfreiheit auf maximal 26 Zentimeter erhöht, ist der Touareg geradezu prädestiniert dafür. Die Kraftverteilung erfolgt bei beiden Modellen über eine Achtgang-Automatik. Als Verteilergetriebe für den Kraftfluss zwischen Vorder- und Hinterachse fungiert ein selbstsperrendes Torsen-Mittendifferenzial. Maximal 70 Prozent der Antriebskraft gelangen an die Vorderachse und bis zu 80 Prozent nach hinten. Und: All das funktioniert auch rein elektrisch und, wie vom Touareg gewohnt, ziemlich entspannt. Nur eben selbst beim R keinesfalls sportlich.

Die technischen Daten und unsere Testdaten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe der AUTOMOBIL REVUE.

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