Der fünfte Platz beim Steiermark-Grand-Prix Mitte August in Spielberg (A) ist nach neun von 15 Grand Prix das bisher beste Resultat von Thomas Lüthi in der laufenden Moto2-WM. Vom Berner ist sich der Fan deutlich mehr Erfolg gewöhnt. Lüthi fährt seit 2010 – mit Ausnahme von 2018, als er in der Königsklasse MotoGP fuhr – in der Moto2-Klasse. In jeder seiner bisher neun Saisons in dieser mittleren WM-Kategorie stand er auf dem Podium, elfmal sogar als Sieger. 2016 und 2017 war er Vizeweltmeister, letztes Jahr WM-Dritter, und nie war er im WM-Endklassement schlechter als auf Rang sechs platziert. Derzeit ist der 125er-Weltmeister von 2005 aber nur WM-Neunter – und weil er bisher nur 57 Punkte gesammelt hat, droht ihm die schlechsteste Moto2-WM seiner Karriere. Seit 2012 hat er pro GP durchschnittlich immer rund zehn oder mehr Punkte geholt, 2011, in seinem bisher magersten Jahr, waren es 8.9 Zähler. Aktuell steht Lüthi bei einem Schnitt von 6.3 Punkten! Das ist aber nicht das Schlimmste. «Ich habe gedacht, du kennst die Antwort», sagt Thomas Lüthi im Interview mit der AR auf die Frage, woran es liege.
Er lacht, aber nicht geqäult, denn der 34-jährige Routinier kennt den Grand-Prix-Zirkus und das harte PS-Business nach nunmehr 18 Jahren bestens: «Bei den Wintertests in Jerez bin ich der Konkurrenz noch problemlos davongefahren. Ich konnte fahren, wie ich wollte, ob mit neuen oder gebrauchten Pneus, ich war der Schnellste, so schnell wie nie jemand zuvor mit einem Moto2-Töff auf dieser Strecke. Dann kam Anfang März und vor dem Corona-Lockdown noch der Katar-GP, wo die Abstimmung der Maschine einfach nicht mehr passte. Die Abstimmung – sie ist meine einzige Erklärung.»
Reifen und Corona sind nicht der Grund
Immer wieder beklagte sich Thomas Lüthi in diesem Jahr über die fehlende Haftung der Pneus an seiner Kalex-Maschine. Eine mögliche Erklärung könnten deshalb die grösseren Moto2-Einheitsreifen sein, die Hersteller Dunlop seit vergangenem Jahr mit der Umstellung von den Viertakt-Einheitsmotoren von Honda (600 cm3, 4 Zylinder) auf die stärkeren von Triumph (765 cm3, 3 Zylinder) bringen muss. «Aber mit denen bin ich ja in Jerez auch schon gefahren», winkt Lüthi ab und fügt an: «Und andere Fahrer kommen ja jetzt damit klar.» Die Schuld allein auf die Abstimmung zu schieben, ist ihm zu einfach: «Das ganze Paket muss stimmen. Wenn ich mit dem Team am Töff etwas anders einstelle, hat das Konsequenzen, die vielleicht wieder ein weiteres Problem mit sich bringen.»
Dass die Corona-Pandemie und die Umstellung des Rennfahreralltags ein Grund für die schwierige, unruhige Saison seien, schliesst Lüthi aus: «Klar, am Anfang war es nicht einfach, wahrscheinlich auch, weil ich ein Rennfahrer bin, der bisweilen zu viel studiert. Andere können eine neue Situation besser hinnehmen als ich. Aber erstens ist die Rennerei unter Corona-Bedingungen für alle dieselbe, und zweitens habe ich unter dem Strich wirklich alles, um Rennen fahren zu können.»
Der plötzliche Teamwechsel
Wegen der fehlenden Erfolge musste man damit rechnen, dass Lüthi nächstes Jahr nicht mehr für das deutsche Team von Intact GP fahren wird – obwohl sie sich schon mündlich für 2021 geeinigt hatten. «Plötzlich ging alles sehr schnell», erinnert sich Lüthi. Sein langjähriger Manager Daniel Epp habe am Donnerstag vor dem bisher letzten GP in Barcelona (E) ein Gespräch mit Teamchef Jürgen Lingg geführt. «Dass es zur Trennung kam, hat mich aber zu diesem Zeitpunkt nicht mehr überrascht», gibt Lüthi zu. Noch am selben Wochenende unterzeichnete Lüthi den Zweijahresvertrag bis 2022 beim spanischen Team Stop-and-Go-Racing, kurz SAG: «Es hat sich gezeigt, dass ich mich glücklich schätzen kann, mit Daniel arbeiten zu dürfen. Ein Hammerjob, denn es hätte im Hinblick auf 2021 einiges schiefgehen können.»
Ein Blick in die Statistik verheisst aber wenig Gutes. SAG, seit über 20 Jahren im Rennsport, schaffte es im letzten und in diesem Jahr nur jeweils einmal mit Starpilot Remy Gardner, dem Sohn des australischen Ex-Champions Wayne Gardner, aufs Podest. Lüthi nickt, «aber was man in den Zahlen nicht sieht, ist die Leidenschaft und Motivation von Teamchef Eduardo Perales, die mich begeistert.» Der familiäre Betrieb ist in Sabadell bei Barcelona angesiedelt: «Was Eduardo dort aufgebaut hat, sagt mir klar: Dieser Mann hat Ziele!» Mit Lüthi an Bord spricht Perales vom Titel. Die Top Sechs seien ein realistisches Ziel, meint Lüthi: «Denn hungrig nach Erfolg bin ich immer noch, auch 2022, wenn ich 20 Jahre im GP-Zirkus bin.»